Neues Missbrauchsgutachten bei der Katholischen Kirche – Ratzinger ist verantwortlich!
Nach der Veröffentlichung eines Gutachtens zum Umgang mit Missbrauch im Bistum München und Freising im Zeitraum von 1945 bis 2019 sind schwere Vorwürfe gegen hohe Amtsträger bei der Katholischen Kirche, unter anderem auch gegen den ehemaligen Papst Benedikt XVI., erhoben worden. Was es mit dem Gutachten auf sich hat und was wir für den Kampf gegen patriarchale Gewalt von Seiten der Kirche brauchen.
Das vor kurzem veröffentlichte Gutachten ist schon das zweite seiner Art für das betroffene Bistum und behandelt den Zeitraum zwischen 1945 und 2019. Darin ist die Rede von 497 Opfern von sexualisierter Gewalt – man kann mit Sicherheit von einer erheblichen Dunkelziffer weiterer Opfer ausgehen. Als Täter auffällig seien dabei 159 Priester geworden, von denen allerdings nur 27 rechtskräftig verurteilt worden sind. 17 weiteren konnte ebenfalls sexueller Missbrauch nachgewiesen werden, doch sind diese alle mitlerweile tot.
Angefertigt wurde der Bericht im Auftrag der Kirche von der Kanzlei Westphal Spilker Wastel, die schon häufiger von der Kirche für Ermittlungen beauftragt worden war. So auch bei einer Missbrauchsuntersuchung in Aachen und in Köln. Über die Untersuchung in Köln war besonders brisant berichtet worden, da hier der Auftraggeber Kardinal Woelki eine Veröffentlichung verhinderte. Das neue Gutachten für München wurde in Auftrag gegeben, da die Ergebnisse einer ersten Untersuchung aus angeblichen datenschutzrechtlichen Gründen der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht worden waren.
Möglicherweise erkennt man hier ein Muster in der Vorenthaltung von Informationen vor der Öffentlichkeit. Die Kanzlei ist durch ihren Auftrag gebunden und in derselben Weise unabhängig, als dass sie sich ihre Arbeit gut bezahlen lässt. Von einem wirklich transparenten Verfahren unter Einbezug der Öffentlichkeit kann hier also keine Rede sein.
Benedikt XVI. ist verantwortlich
Besondere Anklage wird nun nach der Veröffentlichung gegenüber dem emeritierten Papst, Joseph Ratzinger oder Benedikt XVI., erhoben. Dieser hatte vor seinem Amtsantritt als Staatsoberhaupt des Vatikans den Posten des Erzbischofs in München inne und beaufsichtigte damit den Umgang mit den bekannt gewordenen Fällen. Er hatte zunächst angegeben, von nichts zu wissen – was sich jedoch mittlerweile als Falschaussage herausstellte. Vermutlich war er aber nicht nur Mitwisser, sondern auch an der Vertuschung der Taten selbst beteiligt und hat aktiv Täter geschützt. Beispielsweise im Fall des Priesters H., welcher nach einer Verurteilung wegen sexuellem Missbrauch in Essen nach München versetzt wurde, dort weiter als Seelsorger für Kinder aktiv war und unter der Aufsicht der Diözese wieder zum Täter wurde.
Die neuen Anschuldigungen gegenüber Ratzinger verschleiern jedoch die Tragweite des Berichts und der Tatumstände. Sie machen einzelne Personen für den systematischen Terror der Katholischen Kirche verantwortlich. Es ist natürlich nicht egal, wer was getan und verschleiert hat, doch wenn man einen Sündenbock fällt, ist weder den vergangenen noch den kommenden Opfern geholfen. Solange die Institution der Kirche in dieser Weise weiterarbeiten kann und mit dem Staat in einer Weise verflochten ist, welche diese Funktionsweise am Leben erhält – über die reine Ausübung der Religion hinaus –, bereitet man weiter den Weg für Täter.
Für eine unabhängige Untersuchung! Für die Trennung von Staat und Kirche!
Wenn die Katholische Kirche behauptet, sie würde aufklären, lügt sie. In diesem Fall hat sie erwiesenermaßen die Täter geschützt und einiges daran gesetzt, die Taten zu vertuschen und die Verantwortung von sich abzuweisen. Eine von der Kirche selbst in Auftrag gegebene private Untersuchung kann nicht den vollen Umfang aufdecken. Jede Untersuchung muss ohne kirchliche Einmischung und ohne klerikale Beschäftigte ablaufen. Jede richtige Aufklärung muss durch die Angehörigen und Opfer kontrolliert werden. Auch müssen alle Untersuchungsberichte der Vergangenheit für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Das Kirchenrecht schützt hier lediglich die Institution Kirche und nicht die Religionsausübung ihrer Mitglieder. Insgesamt braucht es die Trennung von Staat und Kirche. Zum Beispiel darf das Eintreiben der Kirchenbeiträge nicht steuerlich finanziert sein und muss der Kirche selbst obliegen. Auch die gesetzliche Sicherung der Ausbeutung durch die Kirche in Form des kirchlichen Sonderrechts und der Ausnahmen von arbeitsvertraglichen Richtlinien – unter anderem damit die Öffnung zur Tarifflucht und das Verbot von Streiks kirchlicher Beschäftigter – muss sofort ein Ende haben.
Ebenfalls darf der Staat die repressive Sexualmoral der Kirche nicht weiter mittragen. Die Repression der Sexualität in der Kirche bildet den Grundstein für deren Gewaltserien. So darf es einen Einfluss der Kirche auf Lehrpläne nicht geben. Sexualaufklärung muss gerade patriarchale Unterdrückung thematisieren und sollte Konsens vermitteln. Gleiches gilt für den Unterricht an Universitäten und Krankenhäusern, welcher gerade im Bezug auf Abtreibung nicht vollumfänglich ist und wobei die Vermittlung von Kenntnissen stark vom jeweiligen Träger abhängt.
Es liegt dabei an uns, die nichtreligiösen Massenorganisationen unserer Klasse, die Gewerkschaften, dafür zu nutzen, die Selbstorganisation Betroffener und einfacher Beschäftigter entgegen der kirchlichen “Würdenträger” zu gewährleisten und ihre Forderungen mit kämpferischen Mitteln durchzusetzen. Denn niemand anderes als die Arbeiter:innenklasse, kein Staat und vor allem keine keine Kirche wird sich je für echte Aufklärung und Bekämpfung des Patriachats einsetzen.