Neue Streiks bei Lufthansa?
// Nachdem der Streik der Pilot*innen der Vereinigung Cockpit (VC) besiegt wurde, kündigt jetzt eine andere Gewerkschaft Streiks bei der imperialistischen Airline an. Ab Freitag könnte es wieder zu Streiks kommen. //
Die Arbeiter*innen von Lufthansa sind von einem großen Angriff bedroht: die alte Fluglinie verliert Gewinne und will ihre Krise auf die Schultern der Arbeiter*innen abladen. Das will sie machen, indem sie die Billig-Fluglinie Eurowings gründet. Doch um mit den niedrigen Preisen der anderen Airlines zu konkurrieren, will sie nicht nur die Löhne, sondern auch die Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten angreifen.
Das hat zu großer Unzufriedenheit unter den Arbeiter*innen geführt, vor allem unter den Pilot*innen, die immer noch relativ hohe Löhne und sichere Tarifverträge gewohnt sind und in der Vereinigung Cockpit organisiert sind. Nun ist das Fass voll: wird bis Freitag seitens des Unternehmens „kein ernsthaftes Angebot unterbreitet“, werden ab dann Streiks wohl für eine Woche verkündet. Das Ultimatum läuft dabei am Donnerstagnachmittag ab, wie Ufo-Chef Nicoley Baublies in einer Pressekonferenz darlegte.
Mitte des vergangenen Jahres begannen sie mit ihrem Streik, der die Verteidigung des Übergangs- und Rentensystems von 5.400 Arbeiter*innen als zentrale Achse hatte. Doch der wahre Grund war der Prekarisierungsvorstoß von Lufthansa, weshalb es 13 Streiktage gab, die einen großen Einfluss auf den Luftverkehr hatten und Bosse und Regierung in Rage brachten.
Angriff aufs Streikrecht
Als ein erneuter Streik im Raum stand, verklagte Lufthansa die VC vor dem hessischen Arbeitsgericht, da sie angeblich für „nicht streikfähige“ Forderungen kämpfe, die nicht Teil des Tarifvertrags sind und der „unternehmerischen Freiheit“ unterlägen. Die Justiz gab dem Unternehmen Recht und erklärte den Streik für illegal – ein harter Schlag auf das schon schwache Streikrecht in Deutschland.
Tatsächlich hatten viele der wichtigen Streiks dieses Jahr Forderungen als Streikgründe, die außerhalb der Grenzen des Tarifvertrags lagen, da es um große Angriffe der Bosse ging. Diese überschritten die rein tarifliche Ebene.
Das war der Fall bei den Lokführer*innen, die zwar für bessere Löhne und weniger Arbeitszeit streikten, doch angesichts des Angriffs der Deutschen Bahn (DB) in Komplizenschaft mit der EVG-Bürokratie und der Regierung mit dem „Tarifeinheitsgesetz“ auch das Streikrecht verteidigten. Ihr Arbeitskampf war also eingebettet in einen explizit politischen Kampf.
Ein weiterer Fall sind die Post-Arbeiter*innen, die gegen das flexibilisierende Projekt der Deutschen Post kämpften, die das Tochterunternehmen Delivery mit schlechteren Arbeitsbedingungen gründete. Dies war zusätzlich ein Angriff auf die seit Jahrzehnten etablierten gewerkschaftlichen Strukturen.
Bürokratie spaltet Arbeiter*innen
Lufthansa ist Beispiel eines relativ neuen Phänomens in der Gewerkschaftslandschaft in Deutschland, das sich durch den Zerfall des gewerkschaftlichen Modells der Bürokrat*innen zuspitzte, da diese nicht gegen die Prekarisierung und enormen kapitalistischen Angriffe wie die Agenda 2010 der Schröder-SPD kämpften. Diese hatte die „Ein-Euro-Jobs“ und die „Mini-Jobs“ mit „Mini-Löhnen“ ausgeweitet.
Das spaltete objektiv die deutsche Arbeiter*innenklasse in eine immer größere Masse von prekarisierten Arbeiter*innen auf der einen Seite und eine große, wenn auch schrumpfende Anzahl von Arbeiter*innen der Kernbelegschaft mit hohen Löhnen und sicheren Tarifverträgen auf der anderen Seite. Letzte ist vor allem in der Exportindustrie (Automobilindustrie, Maschinenbau, Chemie-Industrie, etc.) anzufinden.
Doch darüber hinaus wurden dadurch für Millionen von Arbeiter*innen, vor allem jüngere, die Notwendigkeit der Organisationen der Klasse, wie Gewerkschaften und Betriebsräte, infrage gestellt, da sie nicht für ihre Interessen kämpfen und immer an der Seite der Unternehmer*innen stehen.
Das erklärt, warum die Gewerkschaften, die nicht kämpfen – bis auf die Industriegewerkschaft Metall (IGM) – immer mehr Mitglieder und Verhandlungskraft verlieren. Das spaltet die Arbeiter*innenklasse noch mehr auf und führt dazu, dass neue Alternativen wie die Spartengewerkschaften aufkommen.
Ein Ergebnis dieser Schwächung der Gewerkschaften durch die verräterische Politik der Führungen sind die innergewerkschaftlichen Konflikte. Die Gewerkschaftsbürokratie spaltet die Arbeiter*innen für ihre eigenen Interessen, um andere Gewerkschaften zu schwächen und aus dem Betrieb zu verdrängen. Jedoch nicht um eine starke einheitliche Gewerkschaft für den Kampf zu haben, sondern um ihre eigenen Verdienste zu sichern und noch besser hinter dem Rücken der Beschäftigten mit den Bossen zu verhandeln.
Dies kann man bei Lufthansa mit seinen drei Gewerkschaften sehr gut erkennen: ver.di ist die traditionelle Gewerkschaft des Sektors, doch die Dienstleistungsgewerkschaft verliert ganze Beschäftigungszweige durch ihre versöhnliche und unternehmensfreundliche Politik. Schon 1992 spaltete sich das Kabinenpersonal ab und gründete die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) mit ungefähr 10.000 Mitgliedern. Die dritte Gewerkschaft ist die VC der Pilot*innen, die die größte Streikkraft besitzt – mit „wenigen“ Arbeiter*innen kann sie großen wirtschaftlichen Schaden verursachen.
Neue Streiks in Sicht
UFO kündigte nun am vergangenen Montag neue Streiks an, ohne jedoch genaue Termine zu nennen. Hauptthema dabei sind die Alters- und Übergangsversicherungen des Kabinenpersonals, doch auch hier steht die Auslagerung zu Eurowings im eigentlichen Vordergrund. Gleichzeitig hatte die Bürokratie einen Kompromiss vorgeschlagen, bei denen die Arbeiter*innen Lohn- und Rentenkürzungen hinnehmen müssen, dafür jedoch Mindeststandards für die Arbeitsbedingungen bei dem Billig-Flieger festgelegt werden.
Es ist klar, dass die Bürokratie die Arbeitsbedingungen der Arbeiter*innen nicht verteidigen will, sondern die kapitalistische Logik, dass „bei allen gekürzt“ werden müsse, annimmt – obwohl tatsächlich nur bei den Arbeiter*innen gekürzt wird!
Doch angesichts der imperialistischen Unnachgiebigkeit von Lufthansa ist es möglich, dass es zu Streiks kommt. Dafür bat UFO um die Unterstützung der anderen Gewerkschaften, um gemeinsame Kampfmaßnahmen zu beschließen. Doch leider ist es sehr unwahrscheinlich, dass es dazu kommen wird. Die UFO hat in den vergangenen zwei Jahren der Tarifauseinandersetzung keinen Finger gekrümmt und den Kampf der VC nicht unterstützt. Und um ver.di aus dem Betrieb zu treiben, hat sie ihre eigene „Industriegewerkschaft Luftverkehr“ gegründet.
Kämpfen wie bei Air France!
Diese Konflikte zwischen den Gewerkschaftsspitzen haben nichts mit den Interessen der Arbeiter*innen zu tun und schwächen den Kampf.
Der Angriff von Lufthansa treibt die Prekarisierung in einem zentralen Sektor der Infrastruktur und Logistik bei einer traditionellen imperialistischen Firma voran. Im Kampf um größere Gewinne kürzen alle Unternehmen die Löhne und verschlechtern die Arbeitsbedingungen ihrer Angestellten.
Die Auswirkungen der internationalen Konkurrenz im Luftverkehr kann man auch in Frankreich beobachten, wo Air France vor kurzem einen Plan von 2.900 Entlassungen veröffentlichte. Dieser führte zu einer großen Rebellion der Arbeiter*innen, die dazu führte, dass einige Manager aus der Führungsetage des Staatskonzerns vor den wütenden Beschäftigten fliehen mussten und dabei ihre Hemden verloren. Auch in den kommenden Tagen wird es Aktionen von Seiten der Arbeiter*innen geben.
Westlich sowie östlich des Rheins wollen die Kapitalist*innen, dass die Arbeiter*innen die Rechnung ihrer Krise mit Entlassungen, Lohnkürzungen und Flexibilisierungen bezahlen müssen. Wenn sie sich jedoch wehren, wie die Arbeiter*innen von Air France oder die Pilot*innen von Lufthansa, antwortet die herrschende Klasse von den Gerichten, dem Parlament und durch die unternehmerische Erpressung mit Repression und der Einschränkung des Streikrechts.
Deshalb müssen die Arbeiter*innen von Lufthansa wie ihre Kolleg*innen von Air France mit kämpferischen Methoden zur Aktion übergehen. Dazu ist nicht nur die breiteste Einheit der Arbeiter*innen, trotz und sogar entgegen der Gewerkschaftsführungen, die sie spalten und verraten, nötig – sondern auch die Solidarität der Jugend und der Arbeiter*innenavantgarde, die dieses Jahr in den Kampf zog.