Nein zur Tarifeinigung beim TV-L: Dafür haben wir nicht gestreikt!

15.12.2023, Lesezeit 7 Min.
Gastbeitrag

Wir spiegeln an dieser Stelle den Beschluss der Versammlung der ver.di-Mitglieder und der Streikenden der Freien Universität Berlin am 13. Dezember 2023 zum Abschluss der Tarifrunde im TVL.

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Foto: Baki / Klasse Gegen Klasse

Wir rufen alle Gewerkschaftsmitglieder auf, an der Befragung (Link werdet ihr von ver.di per Mail erhalten) teilzunehmen und dafür zu stimmen, das Ergebnis der sog. „Tarifeinigung“ abzulehnen sowie die Streikbewegung fortzusetzen!

Wir alle können stolz sein auf die Kämpfe und Streiks in dieser Tarifrunde! Es waren an der Freien Universität und anderswo deutlich mehr Streikende als in den vergangenen TV-L-Tarifrunden.

An der Freien Universität haben die Streiks für empfindliche Ausfälle gesorgt. Bibliotheken und Werkstätten waren geschlossen, Hörsäle wurden technisch nicht mehr betreut, der Botanische Garten war mehrmals geschlossen, einmal sogar für eine ganze Woche.

Insgesamt haben das Aktionskomitee und die ver.di-Betriebsgruppe starke Unterstützung erfahren! Die starke Streikbeteiligung an der FU sowie in vielen anderen betroffenen Betrieben war Ausdruck, unter welch massivem Kostendruck Beschäftigte durch die vergangenen Nullrunden, Reallohnverluste durch Inflation, steigende Mieten und hohe Energiepreise stehen und wie ernst die Situation im öffentlichen Dienst ist.

Zur sog. „Tarifeinigung“

Am 9.12.2023 wurde die Tarifeinigung verkündet, Einzelheiten findet ihr hier.

Die Versammlung der ver.di-Betriebsgruppe und des Aktionskomitees TV-L FU hatte bereits im Oktober festgestellt, dass sie angesichts der schon bescheidenen Forderungen von 10,5% und mind. 500 Euro bei einer Laufzeit von 12 Monaten keinem Ergebnis zustimmen kann, das einen weiteren Reallohnverlust beinhaltet. Sie forderte klar:

  • tabellenwirksame Entgelterhöhungen und keine Nullmonate (d.h. Monate ohne Tabellenentgelterhöhung) mit Einmalzahlungen: Diese sind ein „vergiftetes Geschenk“ und kein Ersatz für echte Lohnerhöhungen, denn sie bedeuten ein lebenslänglich niedrigeres Lohn- und Rentenniveau.
  • kein Kompromiss bei der Laufzeit, die Laufzeit muss am 31.12.2024 zeitgleich mit der des TVöD enden, um der Spaltung zwischen den Tarifverträgen entgegenzuwirken!

Keine einzige dieser Bedingungen ist auch nur ansatzweise erfüllt worden:

  • Bis November 2024 gibt es keine Tabellenentgelterhöhung, d.h. statt der geforderten 10,5% gibt es 0%.
    Bereits 2021 mussten wir 14 Nullmonate hinnehmen. Erst im Dezember 2022 gab es eine viel zu niedrige Tabellenentgelterhöhung von 2,8%. D.h. unsere Tabellenentgelte haben sich bei dieser Tarifeinigung im gesamten Zeitraum von November 2021 bis November 2024 (= 3 Jahre) nur um diese 2,8% erhöht. Das sind pro Jahr ca. 0,9%. Angesichts der Inflationsraten (wobei die Teuerung für niedrigere Entgeltgruppen erwiesenermaßen noch höher liegt) bedeutet das einen immensen Reallohnverlust im zweistelligen Prozentbereich.
  • Die Einmalzahlungen (1.800 plus 10 x 120 Euro) gleichen das nicht im Mindesten aus und führen langfristig zu weiteren gravierenden finanziellen Nachteilen und Reallohnverlust (niedrigeres Lohn- und Rentenniveau). Die für Dezember 2023 versprochene Einmalzahlung von 1.800 Euro lenkt ab von der ausgebliebenen sofortigen Entgelterhöhung und setzt die Mitglieder angesichts der inflationsbedingten Kaufkraftverluste unter Druck, der Einigung zuzustimmen. Diese Zahlungen werden aber sicher nicht im Dezember 2023 erfolgen, da die Tarifeinigung frühestens am 19. Januar 2024 wirksam werden kann. Besonders ärgerlich ist zudem, dass damit zu rechnen ist, dass für viele der sog. „TV-L-Anwender“ (z.B. die freien Träger für Sozialarbeit in Berlin) die Einmalzahlungen unter den Tisch fallen. Auch für TVStud Berlin werden die Einmalzahlungen voraussichtlich nicht angewendet.
  • Die tabellenwirksamen Entgelterhöhungen im November 2024 von brutto 200 Euro und die Erhöhung von 5,5% im Februar 2025 (übernächstes Jahr!) bauen auf dem Entgelt von Dezember 2022 auf. Auch hiermit wird der Reallohnverlust der vergangenen Jahre nicht ausgeglichen.
  • Mit der sehr langen Laufzeit von 25 Monaten (gefordert waren 12) wird erneut die Chance vertan, TVöD und TV-L zu synchronisieren. Wenn wir als Gewerkschaft attraktiver werden und mehr Durchschlagskraft entwickeln wollen, brauchen wir die Einheit! Dass diese Chance vergeben wurde, war ein großer Fehler. Zudem lässt sich natürlich die Inflationsentwicklung nicht vorhersehen. Deshalb werden wir auch weiter für einen automatischen Inflationsausgleich (gleitende Lohnskala) streiten!
  • Wir hatten uns gegen „Sonderforderungen“ ausgesprochen, da diese einen „Spaltpilz“ in der Tarifbewegung darstellen. Sollte jedoch gemäß der Tarifeinigung die Hauptstadtzulage in Berlin tarifiert werden, müssen alle TV-L-Beschäftigten in Berlin (auch die „Anwender“) diese Zulage erhalten (Petition überreicht: Hauptstadtzulage für alle Hochschulbeschäftigten – ab sofort!). Das erwarten wir von den laufenden Nachverhandlungen.

TVStud

Für Studentische Beschäftigte (der angestrebte TVStud) fällt die „Einigung“ noch schlechter aus. Das Ergebnis ist kein Tarifvertrag, sondern nur eine „schuldrechtliche Vereinbarung“. Diese beinhaltet Mindestvertragslaufzeiten von einem Jahr (mit Ausnahmeregelungen), einen Mindestlohn ab Sommersemester 2024 von 13,25 € und ab Sommersemester 2025 von 13,98 €, sowie eine Zusage, dass in der nächsten Tarifrunde (also in 25 Monaten) über die Anpassung der Mindestentgelte verhandelt wird. Das ist ein harter Schlag ins Gesicht aller Studentischen Beschäftigten, die bereits jetzt zu fast 80% armutsgefährdet sind. Wir halten ganz klar fest: Von 13,25€ auf normalerweise 10 Wochenstunden kann man nicht ansatzweise leben! Diese Lohnhöhe liegt in Berlin gerade mal 25 Cent über dem Landesmindestlohn. Auch für Studentische Beschäftigte gilt demnach: Wir müssen dieses Ergebnis ablehnen und eine Urabstimmung über einen Erzwingungsstreik einfordern.

Die lokalen und bundesweiten TVStud-Initiativen zeigen sich zwar enttäuscht über das Ergebnis, sind indes aber zurückhaltend in ihrer Kritik an den Gewerkschaftsspitzen und Verhandlungsführenden. TVStud Bund schreibt: „Auch wenn das Ergebnis nicht vollständig unseren Erwartungen entspricht, ebnet es uns den Weg für einen TVStud und enthält konkrete Verbesserungen unserer Arbeitsbedingungen.“ Dieser Versuch, das schlechte Ergebnis vor der eigenen Basis schönzureden, läuft allerdings Gefahr, die eigene Kampagnenführung vor den Augen der Studentischen Beschäftigten zu diskreditieren. Wir fordern daher die TVStud-Aktiven auf, sich unserer Forderung anzuschließen.

Ablehnen und weiterkämpfen!

Leider sind die ver.di-Verhandlungsführung und die Bundestarifkommission bei dem alten Ritual der bisherigen Tarifrunden geblieben, eine Einigung bei der dritten Verhandlungsrunde zu erzielen, wie schlecht sie auch sein mag. Ein Ritual, bei dem sich viele nur als Statist*innen fühlen. Mit der öffentlichkeitswirksamen Verkündigung eines Ergebnisses werden Fakten geschaffen. Dem wird mit einer (unverbindlichen) Mitgliederbefragung nachträglich ein pseudodemokratisches Mäntelchen umgehängt. Entscheiden wird nämlich die Bundestarifkommission, die aber bereits die Annahme des Verhandlungsergebnisses „empfohlen“ hat.

Wir treten dafür ein, dass die Betroffenen selbst entscheiden. Unsere Gewerkschaften müssen entsprechend demokratisiert werden! Als ersten Schritt brauchen wir eine Urabstimmung über die aktuelle Einigung mit der Perspektive eines Erzwingungsstreiks.

Die Zustimmung zu einem Ergebnis, das einen massiven Reallohnverlust beinhaltet (wohlgemerkt bei steigenden Steuereinnahmen und Rüstungsausgaben, bei Milliardengewinnen von Energieunternehmen, bei zunehmendem Reichtum der Milliardäre usw.), ist für uns untragbar.

Wir teilen den Ärger vieler. Ein Austritt, wie ihn manche erwägen, ist aber die falsche Antwort. Für den Betrieb wie für die Gewerkschaft gilt aber: Allein machen sie dich ein! Zusammen können und müssen wir gegen Tarifvertragsverstöße, zu niedrige Eingruppierungen, nicht ausgezahlte Zuschläge, mangelnden Arbeitsschutz, Personalmangel und vieles mehr kämpfen. Die Streiks zeigten uns, wie stark wir gemeinsam sein können, diese Probleme gemeinsam anzugehen!

Nach dem Streik ist vor dem nächsten Streik!

Beschluss der Versammlung der ver.di-Mitglieder und der Streikenden am 13. Dezember 2023 zur „Tarifeinigung“ vom 9.12.2023

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Website der ver.di-Betriebsgruppe der FU Berlin.

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