Nein, die CO2-Steuer wird nicht sozialverträglich sein

25.07.2019, Lesezeit 5 Min.
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Bundesumweltministerin Svenja Schulze verspricht eine Steuer auf Treibhausemissionen, die ihren Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten und dabei niemanden belasten soll. Warum es nicht so kommen wird.

Wir haben an anderer Stelle bereits über die CO2-Steuer geschrieben. Unser Urteil damals: einerseits nutzlos, andererseits eine finanzielle Belastung für Arbeiter*innen und Arme. Seitdem hat sich die Debatte weiterentwickelt. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat eine Reihe von Gutachten eingeholt, die insbesondere beweisen sollten, dass es eine sozialverträgliche Version der Steuer gäbe. Das Zauberwort lautet „Klimaprämie“. Wir setzen den Begriff bewusst in Anführungszeichen, denn er ist lediglich irreführend.

Eines der Gutachten stammt vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, also aus dem gewerkschaftlichen Lager. Man sollte meinen, dass gerade dort ein besonderes Interesse vorhanden ist, Arbeiter*innen und Arme vor weiteren finanziellen Belastungen zu bewahren. 82-mal findet sich die „Klimaprämie“ auf den 62 Seiten des Traktats.

Die zentralen Aussagen des Gutachtens legt Katja Rietzler, eine der Autor*innen, in einer Pressemitteilung in Interviewform dar. Sie hält zu Beginn richtigerweise fest, dass „eine CO2-Besteuerung ohne sozialen Ausgleich aus verteilungspolitischer Sicht sehr problematisch“ wäre. Sie könne aber „sozialverträglich ausgestaltet werden, indem man den Anteil der privaten Haushalte am Aufkommen der CO2-Steuer in Form einer Klimaprämie mit einem einheitlichen Pro-Kopf-Betrag wieder an diese erstattet.“ So weit, so bekannt.

Kommen einkommensschwache Haushalte also wirklich besser weg, wie das IMK behauptet? Wer sich kein Auto oder keine Urlaubsreise leisten kann, könnte womöglich ein kleines bisschen mehr Geld ausgezahlt bekommen, als er*sie an anderer Stelle ausgeben müsste. Letztlich wird in vielen Fällen bevorzugt, wer seinen Lebensstandard einschränkt bzw. sich keinen höheren Lebensstandard leisten kann.

Natürlich ist es sinnvoll, wenn mehr Menschen für ihre Fahrten zur Arbeit auf Bus und Bahn zurückgreifen und das Auto stehen lassen. Wo aber Bahnfahrten skurril teuer und besonders der öffentliche Nahverkehr auf dem Land kaum existent ist, ist das aber eine arrogante und vor allem antisoziale Forderung. Es entspringt derselben Logik, die auch das Vorhaben der Umweltministerin Schulze hervorgebracht hat, nicht etwa das Bahnfahren günstiger und attraktiver zu machen, sondern das Fliegen zu verteuern. Die Notwendigkeit eines kostenlosen, belastbaren öffentlichen Personennahverkehrs – auch in peripheren Regionen – und eines funktionierenden, bezahlbaren Fernverkehrs auf der Schiene ist derweil so offensichtlich wie nie.

Eine von Rietzlers Behauptungen lädt besonders zu Verwunderung ein: Zwar würden Haushalte, die viel mit dem Auto fahren, tendenziell höher belastet, für die Landbevölkerung gäbe es aber gegenüber der Stadtbevölkerung keine generelle Mehrbelastung. Sind auf dem Land denn nicht etwa viel mehr Menschen auch mit niedrigem Einkommen auf das Auto angewiesen?

Das vom IMK vorgeschlagene Modell lässt indes die Verantwortlichen für die Klimakrise unbehelligt: die Kapitalist*innen. Die Industrie soll weiterhin bevorzugt werden, indem sie von der CO2-Steuer ausgenommen bleibt. Diejenigen Unternehmen, die von der Steuer betroffen wären, sollen ebenfalls Ausgleichszahlungen, etwa in Form von Fördermaßnahmen, erhalten. Alles Weitere könnten sie problemlos auf die Preise umlegen.

In der Diskussion wird immer wieder auf die Schweiz verwiesen, wo es eine Art CO2-Steuer bereits seit 2008 gibt. Dort betrifft sie fossile Brennstoffe wie Öl und Erdgas. Hat sie die Schweiz in ein klimapolitisches Musterland verwandelt? Lothar Moser von der Bewegung für den Sozialismus Zürich bringt auf die schweizerische Maßnahme auf den Punkt: Kostet nix, bringt nix.

Und wie wird die CO2-Steuer bei uns aussehen?

Ob und in welcher Form eine Ausschüttung der Einnahmen Teil der finalen Ausgestaltung der CO2-Steuer sein werden, können wir natürlich nicht mit Sicherheit sagen. Wer die Versprechungen von Svenja Schulze bejubelt, sollte sich auch die Frage stellen, wie wahrscheinlich es ist, dass diese in die Tat umgesetzt werden. Schließlich ist die SPD-Ministerin immer noch Teil eines Union-geführten Kabinetts. Weder SPD noch CDU/CSU haben ein Interesse daran, eine „sozialverträgliche Klimapolitik“ zu führen. Sie haben kein Interesse daran, eine Politik zu führen, die sozial wirkt.

Es sind Gutachten, wie das des IMK, die ihnen dabei helfen sollen. Das IMK nennt in diesem Zusammenhang „psychologische und Gerechtigkeitsaspekte sowie kommunikative Überlegungen“, die zu berücksichtigen seien. Letztlich dient das IMK als gewerkschaftsnahe Institution einer arbeiter*innen- und armenfeindlichen Politik als soziales Feigenblatt.

Was aber steht hinter dem Vorstoß der SPD-Ministerin? Ein zentrales Dilemma der Sozialdemokrat*innen ist das zwischen dem Sozialen und dem Ökologischen. Versuchen sie sich als Verteidiger*innen der kleinen Leute darzustellen, wird ihnen vorgehalten, die Klimakrise sei ihnen egal.  Nähern sie ihre Forderungen denen der Grünen an, lautet der Vorwurf, sie gäben ihre Kernkompetenzen auf.

Aus der Sicht der SPD muss die „Klimaprämie“ als die ideale Verbindung des Sozialen und des Ökologischen dargestellt werden. Dabei geht es freilich nicht darum, ob dies tatsächlich der Fall ist. Wenigstens aber diskursiv wird diese Einheit im Begriff der „Klimaprämie“ ausgedrückt. Die in der bürgerlichen Politik allseits beliebte „Prämie“ präsentiert eine Maßnahme, die auf Kosten der Arbeiter*innen und der Armen geht, als eine Wohltat.

Die Einheit des Ökologischen und des Sozialen aber lässt sich nicht diskursiv herstellen. Dafür braucht es ein Programm, dass dafür sorgt, dass die Kapitalist*innen für die Klimakrise bezahlen, und eine Strategie, die dazu in der Lage ist, dieses Programm durchzusetzen.

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