NATO-Gipfel: Imperialistische „Demokratien“ treiben die Welt in neue Kriege
Das neue strategische Konzept, das auf dem NATO-Gipfel in Madrid verabschiedet wurde, stellt Russland und China als Feinde dar, konkretisiert Pläne für eine beispiellose Aufrüstung und Truppenstationierung und militarisiert den Kampf gegen die Migration.
Die imperialistischen Mächte, die sich als Verteidigerinnen des Friedens und der Demokratie inszenieren, haben am gestrigen Donnerstag einen Gipfel abgeschlossen, der die Welt in neue und schlimmere Kriege führt. Die spanische Zeitung El País fasste das Treffen mit einer unverblümten Schlagzeile zusammen: „Die NATO rüstet sich für eine Epoche der Konfrontation zwischen den Mächten“.
Das in Madrid verabschiedete neue strategische Konzept definiert Russland als Hauptbedrohung und stuft erstmals auch China aufgrund seines „Aufstiegs“ und seiner besonderen Beziehungen zu Russland als Herausforderung ein. China wird vorgeworfen, die Weltordnung untergraben und die Demokratien aushöhlen zu wollen.
Der reaktionäre Charakter der Regime in Peking und Moskau und der Invasion Putins in der Ukraine ist nicht zu leugnen. Und dennoch fällt die Demagogie des amerikanischen und europäischen Imperialismus unter ihrem eigenen Gewicht zusammen. Unter den militärischen und wirtschaftlichen Allianzen für diesen so genannten Krieg gegen autoritäre Regime hoffen die USA und die EU, unter anderem den mörderischen Staat Israel, die Diktaturen am Arabischen Golf oder das Regime von Mohammed VI. in Marokko als Partner zu gewinnen.
Darüber hinaus hinterlassen die Verbrechen dieses Bündnisses und seiner Mitgliedstaaten eine Bilanz von Hunderttausenden Toten bei ihren imperialistischen Interventionen im ehemaligen Jugoslawien, in Libyen und Afghanistan, um nur einige zu nennen.
Die Entscheidung, einen Block gegen Russland und China zu bilden, bestätigt den Trend zur Aufteilung der Welt in immer unversöhnlichere Blöcke. Einmal mehr sind die Impulse für weitere Handelskriege, regionale Auseinandersetzungen und sogar Kriege mit unvorhersehbaren Folgen in der Weltlage eingeschrieben. Die schlimmsten Bilder des Kapitalismus des 20. Jahrhunderts tauchen am Horizont auf, nicht um die „Demokratien“ zu verteidigen, sondern die Gewinne der jeweiligen multinationalen Unternehmen der einzelnen Staaten.
Schnelle Eingreiftruppe: NATO stellt Großarmee auf
Die Definition von strategischen Feinden impliziert bereits einige unmittelbare Entscheidungen, die nur als echte Kriegstrommeln gelesen werden können. Die USA kündigten eine Verstärkung ihrer Militärpräsenz in Europa an, wo sie bereits 100.000 Soldat:innen stationiert haben. Konkret geht es um zwei neue Zerstörer-Kriegsschiffe zu den vier bereits am Marinestützpunkt Rota stationierten, ein neues Hauptquartier in Polen, ein neues Unterstützungsbataillon im selben Land, eine weitere Brigade mit 3.000 Soldat:innen in Rumänien, zwei zusätzliche F-35-Geschwader im Vereinigten Königreich und die Verstärkung der Truppen in den baltischen Staaten, Deutschland und Italien. Deutschland wird außerdem eine zusätzliche Brigade zu seiner Mission in Litauen entsenden.
Diese Aufstockung der Truppen wird mit einer Verstärkung der direkten Militärhilfe für Selenskyjs Regierung in der Ukraine einhergehen. Die Forderungen der „Linken“, die seit Monaten die NATO-Regierungen um „Waffen für die Ukraine“ bittet, werden weiterhin befolgt. Bislang haben sie vor allem Material aus der ehemaligen UdSSR geliefert, aber dieses wird langsam knapp. Es ist beabsichtigt, schwere Waffen zu liefern, wie zum Beispiel die von Biden versprochenen modernen Flugabwehrsysteme.
Dieser indirekte Eingriff in den aktuellen Krieg hat nichts mit der Verteidigung der ukrainischen Souveränität zu tun. Ziel der NATO ist es, dem Rivalen Russland eine Niederlage oder hohe Kosten zuzufügen und die Ukraine als einen Staat zu konsolidieren, die der EU und der NATO in allen Bereichen untergeordnet ist.
Die Verstärkung der Einhegung an der Ostfront wird auch von der skandinavischen Erweiterung abhängen. Nachdem Finnland und Schweden die Forderungen der Türkei akzeptiert haben, jegliche Unterstützung für kurdische Aktivist:innen einzustellen, werden beide Länder dem Bündnis beitreten, was die NATO-Grenze zu Russland um weitere 1.300 Kilometer verlängert. Einer der Gründe für den gegenwärtigen Krieg in der Ukraine vertieft sich: die militärische Einkreisung Russlands durch die NATO. Davor warnen selbst Persönlichkeiten wie Henry Kissinger, den man kaum Antiimperialismus oder prorussische Positionen vorwerfen kann.
Auf der anderen Seite schreitet auch die Einkreisung Chinas voran. Auf dem Gipfeltreffen nahmen Japan, Australien, Südkorea und Neuseeland teil, wichtige Partner im pazifischen Raum für den Fahrplan der USA und der EU zur Eindämmung und Abschreckung des „asiatischen Riesen“. Spannungen im Südchinesischen Meer oder um Taiwan können in diesem zunehmend angespannten Umfeld nur zunehmen.
Alle Mitgliedstaaten haben sich gemeinsam verpflichtet, die Zahl der verfügbaren schnellen Eingreiftruppen von 40.000 auf 300.000 zu erhöhen – was fast eine Verachtfachung bedeutet. Eine Mega-Armee, die bis 2024 überall auf der Welt eingesetzt werden könnte. Darüber hinaus wird die Verpflichtung bestätigt, die Militärausgaben der Mitgliedstaaten auf zwei Prozent des BIP anzuheben. Deutschland, das an der Spitze dieses neuen Wettrüstens steht, hat die Aufrüstung bereits in Gang gesetzt. Andere Regierungen haben ihre Absicht angekündigt, der Verpflichtung nachzukommen. Die spanische gab bereits bekannt, ihre derzeitigen Militärausgaben ab dem nächsten Haushalt verdoppeln zu wollen.
Militarisierung Nordafrikas
Die andere Neuigkeit des neuen strategischen Konzepts entspricht einer der Hauptforderungen des spanischen Imperialismus. Westasien, Nordafrika und die Sahelzone werden als Regionen mit „destabilisierendem Potenzial“ eingestuft und damit als zu überwachende Gebiete, in denen das Bündnis auf der Grundlage von Artikel 5 über gegenseitige Verteidigung eventuelle Interventionen genehmigen könnte.
Zu den „Bedrohungen“ an der Südflanke gehören die verstärkte wirtschaftliche und militärische Präsenz Russlands und Chinas in der Region, der dschihadistische Terrorismus und „hybride Bedrohungen“ wie die Migrationsströme, die auf Wunsch der spanischen Regierung so genannt werden, um Migrant:innen zu dämonisieren. Die „progressive“ Regierung des spanischen Staates übernimmt damit die Argumente und Agenda der extremen Rechten. Sie hat den Kampf gegen die “illegale” Einwanderung zu einer der neuen Prioritäten der NATO gemacht.
Zu dieser imperialistischen und rassistischen Grenzpolitik gehören neue Abkommen mit Vasallenstaaten wie dem marokkanischen und die Warnung an alle Staaten in der Region, dass eine laxe Haltung bei der Eindämmung der Migrationsströme als Aggression aufgefasst werden kann und als solche militärisch beantwortet werden muss. Das jüngste Verbrechen am Zaun von Melilla, bei dem mehr als 40 Migrant:innen ums Leben kamen, wird sich in den kommenden Jahren wahrscheinlich wiederholen und ausweiten.
Im Rahmen dieser Verstärkung der Südflanke wurde auch der Forderung der spanischen Regierung stattgegeben, dass die Verteidigung der territorialen Integrität der Mitgliedstaaten des Bündnisses auch deren derzeitige Grenzen umfasst, was die kolonialen Enklaven Ceuta und Melilla einschließen würde, die für die Rolle des spanischen Staates als Wachmann der Südgrenze der EU von grundlegender Bedeutung sind.
NATO-Staaten rüsten für Kriege im „demokratischen“ Gewand
Das ist der Fahrplan und die Welt, die uns auf dem Gipfel des größten imperialistischen Bündnisses auf dem Planeten angeboten werden. Die verschiedenen Staaten, die als unmittelbare Vertreter der Interessen ihrer jeweiligen kapitalistischen Klassen auftreten, befinden sich erneut in einem erbitterten Wettbewerb um Märkte, Ressourcen und Einflussbereiche. Im 21. Jahrhundert haben weder autoritäre Regime noch diejenigen, die ihre Politik der Ausplünderung und Beherrschung in ein „demokratisches“ Gewand kleiden, der Menschheit etwas anderes zu bieten als neue und schlimmere Krisen und neue und schlimmere Kriege.
Dieser Horizont der Barbarei ist keine ungewisse Zukunft. Wir sehen es am Krieg in der Ukraine, wir sehen es an den für die nächsten Monate angekündigten Hungersnöten in Afrika, am größten Reallohnverlust in Europa seit 40 Jahren oder an den imperialistischen Massakern an den US-amerikanischen und europäischen Außengrenzen.
Doch es ist auch keine ungewisse Zukunft, dass diese Leiden neue und tiefere Prozesse des Klassenkampfes auslösen werden. Wir sehen dies an der Rebellion in Sri Lanka oder der Streikwelle in Großbritannien.
Die epochalen Merkmale des Kapitalismus werden Tag für Tag neu verwirklicht. Kriege und Krisen kann niemand leugnen. Aber auch die Möglichkeit neuer Revolutionen eröffnet sich, die die Staaten und Regierungen der Kapitalist:innen stürzen, die Enteigner:innen enteignen und den Weg für Regierungen der Arbeiter:innen und Massen zur Eroberung einer sozialistischen Gesellschaft frei machen. Eine Gesellschaft, in der die Ressourcen nicht mehr in den Händen einer Minderheit liegen und deren Profit der Motor für alles ist, einschließlich der Strategien, die uns in die Barbarei führen, wie der, der auf diesem Gipfel in Madrid verabschiedet wurde. Eine Gesellschaft, die Strategien findet zur Lösung sozialer Bedürfnisse und zur Schaffung der Grundlagen von Beziehungen zwischen den Völkern auf der Grundlage der Zusammenarbeit und nicht des zerstörerischen Wettbewerbs, der die Menschheit bedroht.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Spanisch auf izquierdadiario.es