Narcos: Das schmutzige Spiel des US-Imperialismus [mit Spoiler]
Die Netflix-Serie Narcos erzählt die Geschichte des bekanntesten Drogenbarons der Geschichte: Pablo Escobar. Dabei lässt sie kein einfaches Urteil zu und beleuchtet den Schatten, den der US-amerikanische „Kampf gegen die Drogen“ warf und wirft.
23 Jahre sind vergangen, seitdem Pablo Escobar oder El Patrón, wie er von seinen Anhänger*innen genannt wurde, auf einem Hausdach in der kolumbianischen Millionenstadt Medellín von Polizisten erschossen wurde. Die Serie Narcos füllt den „Mythos Escobar“ mit neuem Leben.
Am 2. September erschien die vollständige zweite Staffel der Serie von Netflix. In der ersten Staffel wird der Aufstieg Escobars Drogenimperiums bis hin zur Flucht aus dem Luxusgefängnis La Catedral dargestellt. Die neue Staffel hingegen beschäftigt sich mit dem relativ kurzen Zeitraum nach seiner Flucht bis zu seinem Tod im Dezember 1993.
Eskalation der Gewaltspirale
Der Drogenboss muss sich vor immer mehr Feinden verstecken: Die kolumbianische Regierung und ihr Repressionapparat, die USA, nationalistische paramilitärische Einheiten und die konkurrierenden Drogenkartelle wollen Escobar tot sehen. Während Escobars Medellín-Kartell einen blutigen Kampf gegen das befeindete Calí-Kartell führt, unterstützt die CIA die rechtsextremen Los Pepes, die die Anhänger*innen Escobar’s auf offener Straße ermorden. Escobar’s Verzweiflung reicht so weit, dass er ein Bombenattentat auf ein Einkaufszentrum in Bogotá durchführen lässt, nachdem seiner Familie das Asyl in Deutschland verwehrt wurde.
Narcos spiegelt diese Gewaltspirale wider, doch macht auch die politischen Hintergründe ersichtlich. Die Hauptrollen Steve Murphy und Javier Peña, DEA-Agenten im Dienste der US-Regierung, sind beide dazu bereit, für den Tod Escobars über Leichen zu gehen. Direkt zu Beginn der Staffel freut sich Murphy sogar, dass Escobar fliehen konnte. Und Peña beginnt mit Drogenbossen und Los Pepes gemeinsame Sache gegen Escobar zu machen. Denn für die USA ist Escobar und die Bekämpfung des Drogenhandels nur ein Vorwand, um einen militärischen Fuß in der Tür des „Hinterhofs“ Lateinamerika zu behalten.
Die Serie glänzt durch ihre Authentizität. Der Großteil der Dialoge wird auf Spanisch gehalten (die Mehrzahl der Darsteller*innen kommen aus Lateinamerika), gedreht wurde in Kolumbien und die Szenen werden untermauert durch Ausschnitte aus Dokumentarfilmen oder historischen Fernsehbeiträgen.
Militarisierung durch den „War on Drugs“
Dadurch werden auch die beiden Seiten des größten Drogenbarons seiner Zeit beleuchtet, der sieben Jahre hintereinander von Forbes zu den reichsten Menschen der Welt gezählt wurde und in den 80er-Jahren 80 Prozent der weltweiten Kokainproduktion kontrollierte. Von der herrschenden Klasse Kolumbiens und den USA als Staatsfeind Nr. 1 geächtet, genießt er die Unterstützung der armen Bevölkerung Medellíns, für die er Schulen, Häuser und ganze Viertel bauen lässt.
In der letzten Szene, schon nach Escobars Tod, wird durch einen DEA-Offiziellen die traurige Bilanz des „Kampfes gegen die Drogen“ offengelegt. Während Tausende bei der Bekämpfung des Medellín-Kartells starben, wurde nicht etwa weniger, sondern mehr Kokain in die USA eingeführt. Regisseur José Padilha drückte diesen Widerspruch so aus: „Der Antidrogenkrieg der Amerikaner hat vieles verschlimmert, und ich möchte aufzeigen, wie es dazu gekommen ist.“
Dabei lässt die Serie wichtige Elemente dieser reaktionären Politik des US-Imperialismus aus: So wird zwar die Zusammenarbeit mit den rechten Todesschwadronen durch die CIA aufgezeigt, doch deren Beihilfe bei der Entstehung derselben, die sich zuerst vor allem gegen die Guerilla-Organisationen auf dem Land richteten, wird verschwiegen. Doch nicht nur die Rolle des US-Imperialismus wird verschleiert, auch zahlreiche anderen Tatsachen werden verdreht oder verändert.
Nach den von der CIA unterstützten Militärputschen in den 70er-Jahren in verschiedenen südamerikanischen Ländern, mussten sich die USA auch nach dem Fall der Mauer und dem Ende vieler dieser Diktaturen eine Machtbasis sichern. Dies geschah unter dem neuen Gewand des „Kriegs gegen die Drogen“. Nicht umsonst ist Kolumbien bis heute das einzige Land in Lateinamerika mit einer US-Militärbasis. Auch heute sieht man in Mexiko, wie unter dem Vorwand der Bekämpfung der Drogenkartelle ein gesamtes Land militarisiert und ökonomisch und politisch den Diktaten des US-Imperialismus unterworfen wird. Schon alleine deswegen lohnt es sich, Narcos anzuschauen.