Nach Pro-Israel-Statements aus dem DGB: Vielfacher Widerspruch in der Basis

16.10.2023, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Simon Zinnstein / Klasse Gegen Klasse

Der DGB und ver.di stellen sich hinter den israelischen Staat und verhindern eine demokratische Debatte über ihre Positionen auf Social Media. Gewerkschafter:innen müssen sich an die Seite des palästinensischen Widerstandes stellen.

Sowohl die ver.di-Jugend als auch der DGB und die DGB-Jugend distanzierten sich auf Social Media von dem palästinensischen Befreiungskampf und bekannten sich zu Israel. Die IG Metall Jugend schloss sich der Solidarisierung mit Israel an; zwar bekunden sie immerhin auch ihr Mitgefühl mit den Unschuldigen in Gaza, die „jetzt den Vergeltungsschlägen der israelischen Luftwaffe ausgesetzt sind“, stellen sich dann aber dennoch hinter den Staat, der diese Luftschläge ausführt. Auch die ver.di-Hauptseite äußerte sich ähnlich wie der DGB. „We stand with Israel“, verkündete der Gewerkschafts-Instagram-Account auf einem Sharepic: Hass und Terror seien niemals zu rechtfertigen.

Mit keinem Wort wurde hier die Aggression, mit der Israel in den letzten Tagen gegen die Palästinenser:innen vorging, angeklagt oder auch nur thematisiert. Die unmenschliche Behandlung der Palästinenser:innen durch Israel in den letzten Jahrzehnten, wie die Einschränkung des Zugangs zu sauberem Wasser, das gewaltsame Vertreiben von Palästinenser:innen aus ihren Wohnungen wie in Sheikh Jarrah und das Ermorden von palästinensischen Zivilist:innen bleiben ebenfalls unerwähnt. Stattdessen wurde sich zu einem Staat bekannt, der sogar von NGOs wie Amnesty International oder Human Rights Watch als Apartheidstaat bezeichnet wird.

Viele Gewerkschafter:innen äußerten sich in den Kommentaren der genannten Posts, sie schreiben „Free Palestine“ oder kritisieren die einseitige Berichterstattung. Einige sagten, dass sie ihre ver.di-Mitgliedschaft aufgrund dieses Bekenntnisses zu Israel beenden wollen. Nach ungefähr einer Stunde löschte ver.di sämtliche Kommentare auf Instagram und deaktivierte die Kommentarfunktion. In der Begründung steht, dass der Beitrag dazu gedacht gewesen sei, das Mitgefühl mit israelischen Gewerkschafter:innen auszudrücken und nicht um „mehr oder weniger qualifiziert eine Meinung zum Nahostkonflikt zu kommentieren“. Gewalt und Terror sollten ebenfalls nicht legitimiert oder mit dem Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes gleichgesetzt werden, ergänzte die Gewerkschaft.

Dieses undemokratische Manöver schränkt die Möglichkeit zur Meinungsäußerung ein und zeigt, dass die ver.di-Führung nicht interessiert an einer politischen Diskussion unter ihren Mitgliedern ist. Zudem ist interessant, dass ver.di die Gewalt und den Terror, der von Israel ausgeht, durch den Post legitimiert. Auch wenn wir nicht alle Methoden des aktuellen Aufstands der Palästinenser:innen teilen, kann man nicht die Situation beurteilen, ohne die jahrzehntelange Gewalt und Vertreibung bezüglich Palästina zu sehen.

Die ver.di Jugend Berlin beschloss 2019 das Verbot der Zusammenarbeit mit der BDS-Kampagne für einen Boykott israelischer Produkte und der Gruppe F.O.R. Palestine, die ein Zusammenschluss von in Deutschland lebenden Palästinenser:innen ist und für eine Einstaatenlösung und das Rückkehrrecht aller Palästinenser:innen nach Palästina eintritt. Jedoch bedeutet ein Bekenntnis zu Israel von Gewerkschaftsstrukturen für uns als Antiimperialist:innen und Sozialist:innen nicht, die Gewerkschaften kampflos dem politischen Gegner zu überlassen. Wir müssen Diskussionen innerhalb der Gewerkschaften fördern und Druck dafür ausüben, dass die Gewerkschaften sich zu den für die Arbeiter:innen relevanten Fragen wie Krieg und Unterdrückung im Sinne der betroffenen Arbeiter:innen äußern. In diesem Fall bedeutet das eine Solidarisierung mit dem palästinensischen Widerstand sowie eine Ausprache für ein Ende der israelischen Apartheid und einen einzigen demokratischen, palästinensischen Staat.

Stattdessen solidarisieren sich die deutschen Gewerkschaften mit dem israelischen Gewerkschaftsverband Histadrut. Dieser steht fest an der Seite des israelischen Staates und zeigt sich beispielsweise auf Instagram stolz als Unterstützer der israelischen Streitkräfte. Damit geben sie den israelischen Arbeiter:innen eine reaktionäre Linie vor und bringen sie gegen die palästinensischen Arbeiter:innen in Stellung. Dabei müssten die Arbeiter:innen Israels eigentlich gegen ihren eigenen Staat und an der Seite des palästinensischen Widerstandes den Kampf aufnehmen und eine laizistische Demokratie in ganz Palästina erkämpfen.

Auch in Deutschland nimmt die Repression gegen die palästinensische Bewegung derzeit stark zu: Palästinensische Demonstrationen und Organisationen werden verboten. Wer sich auf der Straße mit dem palästinensischen Widerstand solidarisiert, ist brutaler polizeilicher Repression ausgesetzt. Diese Verschärfung geht einher mit massiver rassistischer Hetze gegen Palästinenser:innen, die sich in den Auftrieb der rassistischen Stimmung hierzulande in den letzten Monaten einreiht. Dieser Aufschwung kommt auch in den immer besseren Wahlergebnissen der AfD und der zunehmenden Akzeptanz von rechten Äußerungen zur Schau. Anstatt sich an die Seite des deutschen Staates und seiner rassistischen Repression zu stellen, sollten sich Gewerkschafter:innen und Linke zusammentun, um Proteste gegen Rassismus, Abschiebungen, Rechts und eine internationale Solidarität mit Palästina zu organisieren.

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