Nach Palästinakonferenz: Polizei terrorisiert Frankfurter Palästina-Verein mit Razzien

01.02.2025, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Die Polizei setzte neun Hausdurchsuchungen trotz rechtlicher Zweifel durch und beschlagnahmte zahlreiche Wertgegenstände. Das Ziel: Einschüchterung und Spaltung. Solidarität mit den Betroffenen und ihrer Spendenkampagne!

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Polizei auf einer Palästinademonstration. Foto: KGK

Um 6 Uhr Morgens vergangenen Mittwoch drangen 73 Polizist*innen in die Häuser von 9 Mitgliedern des Vereins Palästina e.V. ein. Innenminister Roman Poseck (CDU) behauptete mit diesem Einsatz „ein klares Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen“. Zahlreiche Computer, Mobiltelefone, Datenträger, schriftliche Unterlagen, Werbemittel und SIM-Karten wurden „sichergestellt“ und würden „nun ausgewertet“ werden. Eine der Betroffenen sagt, dass sie nicht mehr damit rechnet, die Wertgegenstände nochmals zu Gesicht zu bekommen.

Die Razzia in Frankfurt und Darmstadt ging von der CDU-SPD Regierung unter Boris Rhein aus. Es wurde der Verdacht geäußert vom Innenministerium, dass der Verein gegen „den Gedanken der Völkerverständigung“ (FR) verstoße und verfassungswidrig sei. Darunter fällt gemäß Bundestag „etwa das aktive Propagieren oder Fördern von Gewalt in den internationalen Beziehungen oder vergleichbar schwerwiegende völkerrechtswidrige Handlungen“. 

So schwer der Tatbestand klingen mag, umso zweifelhafter war die juristische Präventivmaßnahme. Denn die Durchsuchungen gegen Palästina e.V. wurden vom Frankfurter Gericht abgelehnt. Es musste das Hessische Verwaltungsgericht Kassel angerufen werden, welches die Durchsuchungen dann im Eilverfahren bewilligte. Ein Blick in die Statuten des Vereins reicht aus, um Licht in die Dunkelheit der Verwischung zwischen Antisemitismus und Israelkritik zu bekommen:

„Palästinasolidarität und der Kampf gegen Antisemitismus (Feindschaft gegen das Judentum) schließen einander nicht aus“, heißt es darin. „Sie müssen zusammen gedacht/geführt werden. Wir wenden uns vehement gegen die Gleichsetzung von Zionismus und Judentum. Wir dulden weder antimuslimische, noch antipalästinensische, noch antisemitische (d.h. antijüdischer Rassismus), noch sonstige menschenverachtende Positionen und Haltungen.“ 

Die Absurdität der Repression wird vor dem Hintergrund noch deutlicher, dass es diesen Verein seit November 2024 gar nicht mehr gibt. Der Verein beschloss nämlich, einem möglichen Verbot zuvorzukommen und löste sich selbst auf.  Der 2022 gegründete Verein hatte zum Ziel, über Kulturfeste und öffentliche Präsenz die Auseinandersetzung mit Palästina durch gegenseitige Hilfe und Stärkung der Community voranzubringen. Seit November ist er nur noch teils auf Social Media aktiv. Dass hier also die hessische Regierung einen vermeintlichen „linksextremistischen Arm des Antisemitismus“ sieht und feststellt, es bestünden „zahlreiche Verbindungen zu gleichgesinnten Vereinigungen, die im linksextremistischen Spektrum anzusiedeln sind“, reiht sich in die  Regierungspolitik der Instrumentalisierung des Antisemitismusvorwurfs und den allgemeinen Rechtsruck ein. Es wird ebenfalls deutlich, dass die Basis der Rechtsgrundlage arg konstruiert ist und augenscheinlich, wie die nicht-verbindliche Antisemitismusresolution benutzt wird, um Repression und Fragmentierung gegen migrantische Personen zu richten. Und „Wieder einmal wird denen Antisemitismus vorgeworfen, die eigentlich dagegen kämpfen“ (Kufiya Netzwerk). Eine materialistische Analyse sozialer Verhältnisse muss den rassifizierend-kapitalistischen Apartheid-Staat Israels und deren imperiale Verwobenheit mit der Verwischung von Antizionismus mit Antisemitismus und den (anti-palästinensischem) Rassismus in einen internationalistischen und kollektiven Klassenkampf einordnen. 

Es ist darüber hinaus kein Zufall, dass 3 Tage nach der Konferenz Talking (about the Silencing of) Palestine  die Polizei sich über das Frankfurter Gericht hinwegsetzt und in einem Eilverfahren an das Hessische Bezirksgericht in Kassel appelliert, um diese Aktion in vermeintlich weißen Tücher über die Runden zu bringen.

Die palästinensisch-amerikanische Aktivistin und Filmemacherin Hebh Jamal hat in Solidarität mit den Betroffenen einen Spendeaufruf lanciert. Wir dürfen uns von der staatlichen Repression nicht spalten und entmutigen lassen, denn dann würde sie genau ihr Ziel erreichen. Stattdessen rufen wir auf, für die Betroffenen zu spenden. Denn unsere Solidarität ist stärker als ihre Repression. Während in Palästina trotz Waffenruhe noch immer Menschen in Gaza getötet und Attacken in Flüchtlingscamps in Jenin (Westbank) durch IDF Soldaten und unter Obhut der lokalen Elite der Palästinensischen Autorität (PA) durchgeführt werden, muss der Kampf gegen die Komplizenschaft des deutschen Staates hier weitergehen – auch indem wir die Repression bekämpfen und die davon Betroffenen stärken.
Im Nachgang zum Spaltungsversuch schreibt das Kuffiyeh Netzwerk: „Vor uns liegt eine Zeit erhöhter Aktivität und jede und jeder Einzelne von uns ist voller Tatendrang! Wir nehmen uns unser Recht auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit! Wir nehmen unsere Rechte, wann, in welcher Form und mit wem wir es wünschen!“

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