Nach dem Massaker auf der „Freiheitsflotte“

05.06.2010, Lesezeit 7 Min.
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// Für eine revolutionäre Lösung des Israel-Palästina-Konflikts! //

In den frühen Stunden des 31. Mais enterten israelische Marineeinheiten die „Freiheitsflotte“ von Schiffen, die humanitäre Hilfsgüter für Gaza geladen hatten, und ermordeten mindestens 9 AktivistInnen. Die Schiffe, die 10.000 Tonnen humanitärer Güter (inklusive Nahrung, Medikamenten und Baumaterialien) und 663 AktivistInnen aus 37 Ländern an Bord hatten, wurden in internationalen Gewässern 64 Kilometer vor der Küste Israels geentert.

Der Gazastreifen, mit 1.5 Mio. Menschen eines der dichtbesiedeltsten Gebiete der Welt, wird seit Juni 2007 von Israel blockiert. Nach dem israelischen Krieg gegen Gaza, der etwa 1400 palästinensische Todesopfer forderte, hat die Blockade den Wiederaufbau von Häusern und sogar medizinische Hilfe für Verletzte und Kranke fast unmöglich gemacht. SolidaritätsaktivistInnen haben mehrfach versucht, die Blockade auf dem Seeweg zu brechen.

Dieser Vorfall war keineswegs ein Einzelfall: Am selben Tag wurde eine amerikanische Aktivistin auf einer Demonstration in Qalandiya im Westjordanland von einem israelischen Soldaten mit einem Tränengaskanister ins Gesicht geschossen, wobei ihr linkes Auge zerstört wurde. Attacken auf AusländerInnen bekommen sehr viel größere mediale Aufmerksamkeit als Morde an PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten – aber PalästinenserInnen werden jeden Tag erschossen.

Proteste

Der UN-Weltsicherheitsrat, in dem die USA ein Vetorecht besitzen, „bedauert den Verlust von Menschenleben“ ohne zu sagen, wer verantwortlich ist. Die meisten westlichen Medien behaupten, dass die AktivistInnen auf den Schiffen selbst für die Morde verantwortlich wären, weil sie sich mit improvisierten Mitteln wie Stöckern und Stangen gegen die Attacke gewehrt haben.

Nichtsdestotrotz hat der militärische Angriff zu Protesten auf der ganzen Welt geführt, sowohl in imperialistischen Ländern und muslimischen Halbkolonien. In Griechenland, mit einer Bevölkerung, die gegen das Sparprogramm der Regierung mobilisiert ist, gab es besonders militante Demonstrationen. Aber die dramatischsten Proteste gab es in der Türkei, da die meisten der getöteten AktivistInnen türkischer Herkunft waren. Tausende wütende DemonstrantInnen versammelten sich vor israelischen Botschaften in Istanbul und Ankara.

Der Vorfall hat die Beziehungen zwischen Israel und der Türkei schwer beschädigt – die Türkei, ein NATO-Mitglied, war einer der engsten diplomatischen und militärischen Verbündeten Israels in der Region. Aber der andauernde Konflikt innerhalb der türkischen herrschenden Klasse (zwischen dem muslimisch orientierten AKP-Regierung und dem traditionell säkularen türkischen Militär) hat Premierminister Recep Erdogan dazu gebracht, einen eher pro-palästinenserischen Standpunkt einzunehmen, als er zum Beispiel die israelische Attacke auf den Gazastreifen in den letzten Tagen des Jahres 2008 offen veruteilte. Dennoch bleibt die militärische Kooperation zwischen Israel und der Türkei, inklusive Waffengeschäften und gemeinsamen Militäroperationen, bisher intakt.

Die Türkei arbeitet daran, eine dominante Kraft im östlichen Mittelmehrgebiet und im Nahen Osten zu werden und entwickelt eine Außenpolitik, die nicht vollständig dem US-Imperialismus untergeordnet ist (inklusive der Unterstützung Israels), sondern stattdessen in Richtung muslimischer Staaten und anderer mächtiger Halbkolonien auf der Welt orientiert ist. Ein aktueller Beweis dafür waren die Nuklearverträge mit dem Iran, die von der Türkei und Brasilien unterschrieben wurden, um dem Iran bei der Vermeidung weiterer US-amerikanischer Sanktionen zu helfen.

Trotzdem ist Erdogans Verteidigung der Rechte der palästinensischen Bevölkerung heuchlerisch, da der türkische Staat seit seiner Gründung die kurdische Bevölkerung und andere Minderheiten unterdrückt. Den etwa 14 Millionen KurdInnen in der Türkei (fast 20% der Bevölkerung) werden elementare Rechte vorenthalten und ihre politischen Parteien leiden unter konstanter Verfolgung. Kurdische Dörfer und Städte in Ostanatolien leiden unter einer militärischen Besatzung, die keineswegs besser ist als die der palästinensischen Gebiete im Westjordanland.

Die VerteidigerInnen der israelischen Regierung behaupten, dass jegliche Kritik an diesen Morden ein Ausdruck von Antisemitismus seien. Es stimmt, dass dass israelische koloniale Projekt und alle Gewalt, die damit einhergeht, eine Atmosphäre schaffen, in denen Antisemitismus sich ausbreiten kann. Insbesondere rechte Führungen in der muslimischen Welt sind nur allzu froh, israelische Gewalt und „jüdische Verschwörungen“ zu denunzieren, um ihre Bevölkerungen von den repressiven und korrupten Regimes abzulenken.

Aber diese Beschuldigung ignoriert die Tatsache, dass Tausende Menschen in Israel ebenso protestiert haben. (Die amerikanische Aktivistin, der ins Gesicht geschossen wurde, war übrigens auch jüdisch.)

Perspektiven

Das Massaker zeigt einmal mehr, dass der „Friedensprozess“ – der Versuch, Frieden zwischen den kapitalistischen Klassen im Nahen Osten zu etablieren – eine Sackgasse ist. Nach den Friedensvereinbarungen von Oslo 1993 rutschten die palästinensischen Massen immer mehr ins Elend ab, während sich israelische Siedlungen in den besetzten Gebieten ausbreiteten. In diesem Kontext wurden die ArbeiterInnen in Israel und Palästina mehr und mehr mit Nationalismus vergiftet.

Während des sogenannten „Friedensprozesses“ bereicherte sich die Führung der Fatah-Partei, während die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellte. Sie waren froh, Geschäfte und Vereinbarungen mit Israel zu treffen und gleichzeitig die Israelis für alle Probleme verantwortlich machten, was zu einem massiven Aufstieg der Hamas rechts von der Fatah führte. Zur selben Zeit wurde Israels Politik mehr und mehr von immer rechteren Parteien dominiert.

Die einzige Perspektive, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, ist die Perspektive, die von der revolutionären Linken in Israel und Palästina verteidigt wird – die, zugegeben, in der Vergangenheit sehr viel populärer war. Der zionistische Staat basiert auf der Aufrechterhaltung einer jüdischen Mehrheit durch den Ausschluss der palästinensischen Bevölkerung: Arabische BürgerInnen Israels werden elementare Rechte vorenthalten, während 5 Millionen palästinensische Flüchtlinge nicht auf dem Territorium leben dürfen, aus dem ihre Eltern oder Großeltern vertrieben wurden. Dieser Staat muss durch eine Revolution gestürzt werden, um eine gemeinsame, demokratische, säkulare Gesellschaft zu schaffen, die gleiche Rechte für alle Menschen in der Region garantiert. Dies ist der einzige Weg, die Fragen der israelischen Siedlungen, der palästinensischen Flüchtlinge und vor allem der massiven sozialen Ungleichheit zu lösen.

Nur die ArbeiterInnenklasse in der Region kann solch ein Programm durchsetzen. Die ArbeiterInnen – die verarmten Massen in den palästinensischen Slums, die ArbeiterInnenklasse in Israel und auch die hunderttausenden migrantischen ArbeiterInnen aus allen Teilen der Welt – müssen von ihren reaktionären Führungen losgebrochen und für eine revolutionäre, sozialistische Perspektive gewonnen werden.

Möglichkeiten

Wir müssen den palästinensischen Kampf für Selbstbestimmung bedingungslos unterstützen, aber gleichzeitig einen unerbittlichen Kampf gegen die reaktionären Führungen der PalästinenserInnen führen (sei es nun Fatah oder Hamas). Diese Führungen sind mehr als nur reaktionär – sie haben keine Perspektive, diesen Kampf zu gewinnen, da sie sich entweder auf die „internationale Gemeinschaft“ der ImperialistInnen oder auf die rechten muslimischen Regimes in der Region verlassen, begleitet durch hoffnungslose militärische Konfrontationen mit einer unvergleichbar besser bewaffneten israelischen Armee.

Notwendig ist eine Strategie, die nicht nur die Massen der PalästinenserInnen mobilisieren kann, sondern die internationale ArbeiterInnenklasse. Dies würde es möglich machen, den israelischen Staat durch die Blockade von Waffenlieferungen (wie es griechische HafenarbeiterInnen in der Vergangenheit getan haben) und die Gewinnung von israelischen ArbeiterInnen für einen gemeinsamen Kampf zu schwächen.

Wir sollten weltweit Demonstrationen organisieren, aber gleichzeitig eine klare politische Linie zwischen revolutionär-marxistischen Positionen und kleinbürgerlichen PazifistInnen oder religiösen Strömungen ziehen. Faschistische Kräfte wie die türkische MHP oder die deutsche NPD müssen vollständig von diesen Demonstrationen ausgeschlossen werden.

  • Protestiert gegen die Morde durch den israelischen Staat!
  • Durchbrecht die Blockade des Gaza-Streifens!
  • ArbeiterInnensolidarität für Palästina! Stoppt Waffenlieferungen!
  • Für eine revolutionäre sozialistische Bewegung im Nahen Osten!

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