Mutmaßlicher Polizeimord in Mannheim: Für eine unabhängige Untersuchungs­kommission jetzt!

03.05.2022, Lesezeit 4 Min.
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eignatik17 / pixabay.com

Gestern Abend wurde ein 47-Jähriger psychisch erkrankter Mann mit Migrationshintergrund in Mannheim augenscheinlich von der Polizei ermordet. Wieder einmal sagen wir: Es ist kein Einzelfall! Lückenlose Aufklärung und Gerechtigkeit sind nur durch eine unabhängige Kommission möglich.

Die Polizei kontrollierte am Nachmittag des 2. Mai einen psychisch erkrankten Mann in Mannheim. Was passierte, nachdem dieser in die Klinik gebracht werden musste? Seit heute morgen ist in der Presse die nüchterne Rede von einem Toten, von einer Leiche. Wieder einmal wird ein Mensch mit Migrationshintergrund und/oder psychischer Erkrankung augenscheinlich durch die Polizei umgebracht.

Dem mutmaßlichen Mord geht die Kontaktsuche eines Arztes des Zentralinstituts für seelische Gesundheit Mannheim voraus, der sich bei der Polizei meldete. Er informierte sie, dass ein Patient Hilfe bräuchte. Als sich die uniformierten und bewaffneten Einsatzkräfte dem Mann näherten, wehrte sich dieser gegen den Versuch der Kontrolle und davor, körperlich bedrängt zu werden. Auf einem Video ist klar zu sehen, welche Herangehensweise die Polizei erneut an den Tag legte: Bauch und Kopf auf dem Boden, Knie auf dem Rücken und bei jeder unerwünschten Bewegung eine oder mehrere Fäuste, bis sich keine Regung mehr zeigt.

Diese Mutation vom „Freund und Helfer“ zum repressiven, rassistischen und mörderischen Staatswächter ist tief in der Geschichte Deutschlands verankert. Aus den letzten Jahren kennen wir den Fall von Oury Jalloh, ein Geflüchteter aus Sierra Leone, der im Gefängnis lebend verbrannt wurde. Wir kennen die Fälle von Qosay K.. Giorgios Zantiotis, Dominique Koumadio und mindestens 182 Todesfälle von Menschen, die von Rassismus betroffenen sind, in deutschem Polizeigewahrsam seit 1990. Wir kennen die Morde überall in der EU, wie im Fall von Adama Traoré in Paris oder bei Sammy Baker, der in Amsterdam erschossen wurde. Dies sind keine Einzelfälle, nicht nur wegen ihrere schieren Zahl. Es ist vielmehr die Verschwiegenheit, die intensive Bemühung der Polizei und der Justiz, das Täter-Opfer-Verhältnis zu verdrehen, Fakten zu verschleiern und bei jedem Fall, in aller Scheinheiligkeit, immer einen Grund aufzustellen, weshalb es so sein musste. Diesmal hieß es „unmittelbarer Zwang“.

Das Landeskriminalamt wies gleich darauf hin, dass der mutmaßlich Ermordete kein türkischer Staatsbürger sei, um sich von einem möglichen Vorwurf des Rassismus reinzuwaschen. Doch wir kennen ihre rassistische Praxis und haben kein Vertrauen in die Polizei.

Die gewerkschaftsnahe Organisation DIDF-Jugend forderte in einem Instagram-Post eine unabhängige Beschwerdestelle. Wir müssen uns fragen, von wem und was unabhängig? Gerechtigkeit – wenn nach solchen Fällen überhaupt davon die Rede sein kann – kann nicht durch die Polizei und die bürgerliche Justiz erreicht werden. Sie hat oft genug bewiesen, dass sie Vorwürfe nicht ernst nimmt oder gar vertuscht. Einer Beschwerdestelle innerhalb der Reihen der Polizei – auch wenn sie sich unabhängig nennen mag – könnten wir kein Vertrauen schenken.

Wir schlagen daher eine unabhängige Untersuchungskommission vor, die sich aus Betroffenen von Polizeigewalt und deren Angehörigen, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften zusammensetzt. Während das Landeskriminalamt in seinen eigenen Ermittlungen nur Halbwahrheiten oder gar Lügen präsentieren wird, soll eine unabhängige Kommission zeigen, was wirklich passiert ist. Eine solche Kommission, bei der die mächtigen deutschen Gewerkschaften mitmachen, kann ihre Kraft in Form von Demonstrationen oder Streiks einsetzen und die Veröffentlichung von verschlossenen Akten oder ein Ende der Straffreiheit für Gewalttäter:innen in Uniform fordern, wenn die Justiz wieder einmal beweist, auf wessen Seite sie steht. Eine Kommission wäre eine Form der Selbstorganisierung, die einen Schritt darstellen könnte, das zu erkämpfen, was eine junge Frau bei der gestrigen Kundgebung am Mannheimer Marktplatz forderte: „NIEDER MIT DER RASSISTISCHEN POLIZEIGEWALT!“

Aufruf zu einer Kundgebung in Berlin gegen den mutmaßlichen Polizeimord:

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