Münster: Abtreibungsgegner:innen erfolgreich konfrontiert

06.10.2024, Lesezeit 5 Min.
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Endkundgebung des Tausend-Kreuze-Marsches an der Kardinal-von-Galen Statue am Domplatz ; Foto: Oli Medina

Am Samstag fand der alljährliche "Marsch für das Leben" statt, doch in diesem Jahr erhielt er eine besondere Dynamik. Während rund 50 Teilnehmer:innen des antifeministischen Gebetszugs marschierten, stellten sich ihnen bis zu 1000 Gegendemonstranten entschlossen entgegen.

Mit etwa 50 Teilnehmer:innen verzeichnete der diesjährige „Marsch für das Leben“ deutlich weniger Zulauf als in den Vorjahren. Im gesamten Stadtgebiet kam es zu verschiedenen Protestaktionen, Polizeieinsätzen und Blockaden. Wie jedes Jahr rief das „Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung“ zu Gegenprotesten auf. Zusätzlich mobilisierte das Protestbündnis „Marsch für’n Arsch“ für Blockaden entlang der Marschroute.

Bereits am Vormittag war die verstärkte Polizeipräsenz in der Innenstadt deutlich spürbar. Gegen 12:20 Uhr versammelte sich eine Hundertschaft auf dem Aegidiikirchplatz, wo die Kundgebung der Fundamentalisten stattfinden sollte. Zusätzlich wurden in der Umgebung mehrere Hamburger Gitter aufgestellt, um die Marschroute abzusichern. Immer wieder eskalierte die Situation, als sich der „1000-Kreuze-Marsch“ in Bewegung setzte. Die Demonstrierenden formierten an mehreren Stellen Blockaden, um den Marsch zu stören. Dabei kam es zu direkten Konfrontationen mit der Polizei, die versuchte, die Blockaden zu räumen. Teilweise griff die Polizei gewaltsam in die Menschenmenge ein, um die Marschroute freizuhalten. Besonders auf der Ludgeristraße und später in der Klosterstraße kam es zu Auseinandersetzungen, bei denen Demonstrierende von der Polizei gewaltsam entfernt wurden. Trotz der starken Polizeipräsenz und des Einsatzes von Absperrgittern gelang es den Gegendemonstrierenden immer wieder, den Marsch kurzzeitig zu blockieren.

Bündnisdemo mit radikalem Pol

Über 1.000 Menschen folgten dem Aufruf des lokalen „Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung“, das vom Hauptbahnhof über den Ludgerikreisel bis zum Prinzipalmarkt zog und den Verkehrsknotenpunkt mit ihrem Protest füllte. Sichtbar waren bürgerliche Parteien und Jugendorganisationen, die die Spitze der Demonstration bildeten. Auch viele unorganisierte Bürger:innen der Stadt und einige Erstsemester waren anwesend, die von ihren Fachschaften mobilisiert wurden.

Waffen der Kritik beteiligte sich gemeinsam mit der Revolutionären Linken, der Linkspartei, Linksjugend Solid, dem SDS und Aufbruch Münster an einem antikapitalistischen Demoblock. Dieser Block machte zu Beginn der Demonstration mit einer klaren Ansage über ein Megafon auf sich aufmerksam. In einer kämpferischen Ansprache an die Demonstrierenden kritisierten sie die Teilnahme bürgerlicher Parteien der regierenden Ampel-Koalition an der Gegendemo als reine „Marketing-Strategie“. Diese Parteien haben durch Privatisierungen, Kürzungen und militärische Einsätze selbst den Rechtsruck mitverantwortet und dadurch die öffentliche Daseinsvorsorge sowie die Lebensbedingungen vieler Frauen und Queers verschlechtert. Der antikapitalistische Block forderte eine echte, konsequente Politik: ausreichende Finanzierung öffentlicher Dienste, inklusive Abtreibungen, Schwangerschaftsberatungen und sozialer Arbeit. Statt in Kriege müsse in das Leben und die Bedürfnisse der Menschen investiert werden. Der Block lud dazu ein, sich diesen Forderungen anzuschließen und sich nicht von den Versprechen der etablierten Parteien täuschen zu lassen. „Wir denken unsere Forderungen konsequent zu Ende“, hieß es zum Abschluss – ein Appell, der auf breite Zustimmung stieß. Etwa 250 Menschen folgten dieser Ansprache. Mit mehreren Megafonen wurde der Demonstrationszug inhaltlich mit Parolen und Ansprachen begleitet, was für eine kämpferische Stimmung sorgte.

Als der gesamte Demonstrationszug am Prinzipalmarkt ankam und sich auf die Konfrontation mit den Teilnehmer:innen des „1000-Kreuze-Marschs“ vorbereitete, blieb der Antikapitalistische Block entschlossen zusammen. Trotz des Umstands, dass die Abtreibungsgegner:innen noch eine Stunde auf sich warten ließen, blieben der antikapitalistische Block und weitere Demonstrierenden, die sich ihm dort angeschlossen hatten, an der Lambertikirche, um den Fundamentalist:innen lautstark und entschlossen zu zeigen, dass sie in Münster nicht willkommen sind.

Neue Qualität des Protests

Normalerweise endet der Bündnisprotest nach dieser einmaligen Konfrontation. In diesem Jahr konnte der Protestzug jedoch durch koordinierte Megafonansagen des Antikapitalistischen Blocks fortgeführt werden, um zwei unangemeldete Versammlungen auf der Marschroute auf dem Domplatz abzuhalten und es nicht bei dieser einen Konfrontation zu belassen. In den letzten Jahren war dieser Teil des Protests immer ein Sammelpunkt der Autonomen, die sich zuvor an Blockaden beteiligt hatten. Die Polizei ist darüber informiert und nutzt in der Regel die Gelegenheit, um die Blockadeteilnehmer:innen nach und nach herauszuziehen und Repression auszuüben. Diesmal konnte die Beteiligung der Bündnisdemo jedoch verhindern, dass dies geschah. Die Kardinal-von-Galen-Statue, die als Endpunkt des Marsches dient und an der die Abtreibungsgegner:innen zum Abschluss beten, wurde umzingelt. Dort stieß eine Gruppe Musiker:innen zum Gegenprotest hinzu, um die Gebete der Fundamentalist:innen durch Trommeleinlagen zu stören. Nach einiger Zeit forderte die Polizei die Gruppe auf, das Trommeln einzustellen, da sonst eine Ingewahrsamnahme drohe. Der antikapitalistische Block organisierte daraufhin über das Megafon den Schutz der Trommler:innen, indem sich der gesamte Gegenprotest um sie versammelte und sich zwischen die Polizei und die Musiker:innen stellte. Somit wurde sichergestellt, dass bis zum Ende weiter musiziert werden konnte. Dieser Protest hat eine neue Qualität in der Militanz der Demonstrierenden offenbart. Münster hat an diesem Tag demonstriert, dass es zusammensteht gegen Frauen- und queerfeindliche Propaganda.

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