Münster: 1000 Menschen für ein Ende des Krieges gegen Gaza

31.10.2023, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Niklas K.

Am 21. Oktober versammelten sich in Münster über 1000 Menschen, um gegen den andauernden Krieg in Gaza zu demonstrieren. Die Polizei beschränkte im Vorfeld der Demonstration die Meinungsfreiheit, was zu Festnahmen führte.

Ein Bündnis aus verschiedenen linken und kommunistischen Gruppen rief für den 21. Oktober in Münster zu einer Demonstration mit dem Motto „End the Siege on Gaza, Freiheit für Palästina“ auf. Angemeldet waren zunächst 50 Personen. Es kamen über 1000.

Der Demonstrationszug sammelte sich am Hauptbahnhof und bewegte sich von dort Richtung Ludgerikreisel. Ursprünglich wollten die Veranstalter:innen am Prinzipalmarkt vor dem Rathaus ihre Abschlusskundgebung abhalten, wie es in Münster Tradition ist. Doch die Polizei verweigerte dies, sie wollte keine direkte Konfrontation mit dem Rathaus, an dem seit dem 7. Oktober eine übergroße Israelflagge hängt. Der Demo wurde offenbar bereits im Vorhinein Gewaltbereitschaft unterstellt. Daher endete der Zug schließlich an der Ecke Königstraße.

Das Polizeiaufgebot war erheblich; mehrere Hundertschaften waren im Einsatz und überall filmten Polizeibeamt:innen die Demonstration. Zu Beginn wurden von den Veranstalter:innen die restriktiven Auflagen der Polizei verlesen, wobei der Slogan „From the River to the Sea, Palestine will be free!“ als antisemitisch eingestuft und verboten wurde. Es waren auch andere Slogans verboten, obwohl dies im Vorfeld nicht mitgeteilt wurde. Die Demonstration wurde mehrmals gestoppt und die Veranstalter wurden aufgefordert, bestimmte Slogans zu unterlassen, wie zum Beispiel „Deutschland finanziert, Israel bombardiert“. Es kam deshalb sogar zur Festnahme des Versammlungsleiters. Im wurde das Rufen dieses Slogans vorgeworfen und er erhielt eine Anzeige wegen Volksverhetzung. Ein haltloser Vorwurf, der sich vor Gericht höchstwahrscheinlich nicht erhärten wird. Den Behörden ging es aber wohl eher darum, die Teilnehmer:innen der Demonstration einzuschüchtern und ihnen zu verdeutlichen, dass staatliche Repression jede:n treffen kann, die:der sich gegen die Interessen des deutschen Imperialismus im Nahen Osten stellt.

Trotz der Einschüchterungsversuche war die Demonstration dynamisch und machte unmissverständlich klar, dass in Münster ein bedeutender und stetig wachsender Teil der Bevölkerung nicht der Propaganda des Staatsapparats und der bürgerlichen Zeitungen glaubt und sich nicht dem Ruf nach nationaler Einheit von AfD bis LINKE beugt.

Niederlage für das „demokratische Münster“

Gleichzeitig fand eine Kundgebung aller etablierten Parteien in Solidarität mit Israel statt. Diese blieb im Vergleich zur „End the Siege“-Demonstration klein und die Polizei sprach von lediglich 400 Teilnehmenden, was vermutlich übertrieben ist. Aus dem legitimen Anliegen jüdischer Menschen, auch in Münster um die von der Hamas ermordeten Zivilist:innen zu trauern, wurde in zynischer Weise eine Propagandaveranstaltung, die als einzige Botschaft verkündete, dass alle „demokratischen Kräfte“ bedingungslos auf der Seite der rechten Regierung Israels stehen müssten. Dabei wurde nicht erwähnt, dass diese Regierung in mehreren Statements ihre Absicht erklärt hat, Gaza zu vernichten und bereits jetzt mehrere eindeutig dokumentierte Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung begangen hat.

Die Solidarität und das Mitgefühl mit den israelischen Opfern und Geiseln so dreist gegen die Solidarität und das Mitgefühl mit den palästinensischen Opfern und Geiseln auszuspielen, ist charakteristisch für die politische Kaste von CDU, FDP, Grünen, SPD, Volt und anderen, die den Antisemitismus nur als von „außen“ nach Deutschland kommend begreifen und die die Augen vor den Antisemit:innen in ihren eigenen Reihen verschließen. Die SPD und ihr Nachwuchs sollten sich daran erinnern, dass sie über viele Jahre hinweg Thilo Sarrazin in ihrer Partei geduldet haben und nun in der Regierung das Asylrecht faktisch aufheben und Massenabschiebungen vorbereiten. Die CDU sollte sich wieder ins Gedächtnis rufen, dass Hans-Georg Maaßen trotz seiner antisemitischen Äußerungen keine Sanktionen seitens der Partei zu befürchten hat. Zudem scheint die Union keine Einwände dagegen zu haben, dass in Bayern Hubert Aiwanger, ein rechtsgerichteter Antisemit, Teil ihrer Regierung ist. Im Gegenteil, die CDU hat seine umstrittenen Holocaustvergleiche als „Jugendsünden“ abgetan.

Hingegen haben wir in unserer Rede auf der Palästinademonstration darauf hingewiesen, dass der Kampf gegen Antisemitismus natürlicherweise mit dem Kampf um die Befreiung Palästinas verbunden werden muss und dass dabei eine Identifikation von Jüd:innen mit dem Staat Israel strikt abgelehnt und immer bekämpft werden muss. Stattdessen forderten wir die Einheit der Arbeiter:innenklasse der gesamten Region im Kampf gegen den Imperialismus und stellten fest, dass die israelische Arbeiter:innenklasse mehr Gemeinsamkeiten mit ihren arabischen Geschwistern hat als mit ihrer rechten chauvinistischen Regierung. Dabei ist der ideologische Kampf gegen den Zionismus von zentraler Bedeutung, da dieser versucht, den Klassencharakter Israels zu verschleiern. Die Demonstration hat gezeigt, dass linke Kräfte die Palästinasolidarität von konservativen und religiösen Kräften zurückerobern können, vorausgesetzt sie stehen bedingungslos an der Seite der Unterdrückten und Ausgebeuteten und unterstützen deren Kampf um Befreiung.

Nicht die letzte Demonstration

Im Angesicht der sich rapide ausweitenden Gewalt gegen die Zivilbevölkerung Gazas wird die Bewegung in Münster nicht nachlassen. Am Samstagabend, nachdem Israel in Gaza das Internet und Telefon abgeschaltet hatte und die Bombardements intensiviert wurden, versammelten sich spontan dutzende Menschen am Hauptbahnhof, um den bereits über 7000 getöteten Menschen in Gaza zu gedenken. Weitere Demonstrationen werden sicherlich folgen und der Druck auf die Ampel-Regierung, die militärische und diplomatische Unterstützung für Israels genozidalen Krieg gegen die Bevölkerung Gazas einzustellen, wird weiter wachsen.

Nicht nur in Münster erleben wir derzeit ein massives Wachstum der Bewegung. In ganz Deutschland und noch deutlicher international weitet sich der Protest gegen das tödliche Schweigen der meisten imperialistischen Regierungen aus. In München gingen 7000 Demonstrant:innen auf die Straßen, in Berlin waren es laut Polizeiangaben etwa 11.000 Menschen. London erlebte die größte Palästinademo seit Jahrzehnten mit bis zu 500.000 Menschen. In Washington blockierten hunderte antizionistische Jüd:innen das Capitol und forderten eine sofortige Waffenruhe. In New York besetzten tausende Demonstrant:innen die Grand-Central-Station und wurden zu Hunderten festgenommen. Auch in Spanien, Frankreich, Argentinien, Chile, Südkorea und anderen Ländern gingen Hunderttausende auf die Straßen. Selbst in Tel Aviv blockierten trotz des chauvinistischen Taumels, in den das Land versetzt ist, hunderte mutige Aktivist:innen eine Straße und bekamen dafür die ganze Macht des israelischen Polizeistaates zu spüren. Der Krieg gegen Gaza wird nur enden, wenn die Massen seine Fortsetzung in Israel selbst und international durch Streiks und Massendemonstrationen unmöglich machen.

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