Münchner Palästinacamp steht: Bewegung jetzt ausweiten!
Gegen den Willen der Unileitung, der Polizei und der Stadtverwaltung ist es gelungen, vor der LMU München ein Protestcamp in Solidarität mit Gaza zu errichten. Jetzt gilt es, alles dafür zu tun, die Bewegung auszuweiten.
Gegen 20 Uhr war es so weit: Die rund einhundert protestierenden Studierenden strömten auf den Professor-Huber-Platz vor dem Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität. Zuvor hatten sie sich zwei Stunden lang geweigert, der Forderung der Polizei nachzukommen und sich zu zerstreuen. Der Platz wurde stattdessen von einem massiven Aufgebot der Polizei besetzt, auf allen Seiten säumten Dutzende Fahrzeuge den historischen Platz. Denn der eigentlich angemeldete Protest war vom Kreisverwaltungsreferat der Stadt München vor der Universität nicht zugelassen worden. Der fadenscheinige Grund: „Nachhaltige und massive Störungen des wissenschaftlichen Betriebs, insbesondere der Studierenden“ seien zu befürchten gewesen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete. Eine Eilklage der Studierenden kippte schließlich das Verbot.
Statt den palästinasolidarischen Studierenden wurde die Fläche vor dem Haupteingang der Universität auf dem Geschwister-Scholl-Platz einem kleinen Häuflein Älterer gewährt. Die sozialdemokratisch angeführte Kampagne „München ist bunt“ hatte zum Protest gegen Antisemitismus aufgerufen. Statt sich aber gegen Unterdrückung einzusetzen, verbreitet „München ist bunt“ seit Monaten Hetze gegen die Palästinasolidarität in München. Mit Antisemitismus hat das palästinasolidarische Camp vor der Universität ohnehin nichts zu tun. Auch jüdische Kommiliton:innen beteiligen sich daran. Zu den Gegendemonstrant:innen gesellte sich auch der sogenannte Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle (CSU). Vergessen wir nicht, dass erst vergangenes Jahr Spaenles Vorgesetzter Markus Söder seinen Vize Hubert Aiwanger ohne jeden glaubwürdigen Beleg von dem Vorwurf freisprach, ein wüst antisemitisches Flugblatt verbreitet zu haben. Laut BR24 habe Spaenle erklärt, man müsse gegen Menschen, „die Intifada brüllen“, die Juden „unreflektiert beschuldigen“ und Israels Vorgehen in Gaza mit dem Holocaust vergleichen, „mit aller Macht entgegentreten, auch mit der Macht des Rechtsstaates“.
Nichts davon war bei dem Palästinaprotest vor der Universität geschehen. Vielmehr richtet es sich gegen den mörderischen Einmarsch der israelischen Armee in Rafah. Kritisiert wird außerdem das Schweigen der deutschen Universitäten, während in Gaza sämtliche Hochschulen zerstört und Studierende und Lehrende ermordet wurden.
Außerdem nimmt das Camp eine Maßnahme der bayerischen Staatsregierung ins Visier. Mit dem sogenannten Kooperationsgebot sollen bayerische Universitäten gezwungen werden, für die Bundeswehr tätig zu werden. Dagegen wird die Einführung einer Zivilklausel gefordert, mit der sich die LMU verpflichten soll, ausschließlich für friedliche Zwecke zu forschen. Schließlich wird auch an der LMU Rüstungsforschung betrieben, während die deutsche Regierung unentwegt Waffen in die ganze Welt, unter anderem an die genozidale israelische Armee sendet.
Wie geht es jetzt weiter?
Neben einigen politischen Reden, unter anderem von der marxistischen Hochschulgruppe Waffen der Kritik, die sich mit voller Kraft an dem Protestcamp beteiligt, fand auch eine erste Versammlung statt. So wird das Camp auch weiterhin demokratisch über das weitere Vorgehen entscheiden. Für den morgigen Tag sind weitere Versammlungen geplant.
Am Abend gab es bereits einen ersten kurzen Vortrag. Die Politikwissenschaftlerin Helga Baumgarten richtete sich an die Anwesenden. Sie erinnerte daran, dass die Proteste heute an die Bewegung gegen den Krieg in Vietnam und in Solidarität mit Kuba anschließe. „Damals gab es die Behauptung: ‚Venceremos! Wir werden gewinnen!‘ Palästina wird gewinnen!“ Die heute 77-Jährige lehrte von 1993 bis zu ihrem Ruhestand 2019 als Professorin an der Universität Birzeit bei Ramallah im Westjordanland.
Waffen der Kritik schlägt dafür vor, alles zu unternehmen, um die Bewegung auszuweiten. Das ist der einzige Schutz gegen die Verleumdung von Seiten der Regierungsparteien und die auch weiterhin mögliche Repression. Dafür gilt es Öffentlichkeit herzustellen. Der erste Schritt sollte sein, ein Positionspapier zu diskutieren und zu verabschieden. Auf dieser Grundlage kann das Camp eine Pressekonferenz einberufen und ausführlich über seine Forderungen Auskunft geben. Der heutige Tag hat bereits gezeigt, dass das mediale Interesse vorhanden ist.
Besonders wichtig ist es, die Verbindung zu den Beschäftigten der Universität herzustellen. Bei Protesten in den USA haben wir inspirierende Beispiele hierfür gesehen. An der City University in New York (CUNY) haben Lehrende eine Kette vor den Studierenden gebildet, um sie gegen die Repression der Polizei zu schützen. Sie riefen: „If you want to get our students, you have to get through us.“ An der University of California in Los Angeles (UCLA) findet eine Abstimmung der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten statt, ob sie in einen Streik treten werden, um gegen die Repression gegen ihre Studierenden zu protestieren. Nach der brutalen Räumung des Protestcamps an der Freien Universität Berlin haben sich 300 Lehrende an Berliner Hochschulen in einem Statement gegen den Polizeieinsatz ausgesprochen. Hinzu kamen weitere rund 700 Akademiker:innen, von ihnen sind auch 14 an Münchner Hochschulen beschäftigt. Daran müssen wir anschließen. An die Camps, die derzeit international an zahlreichen Universitäten existieren, sollten wir Solidaritätsbotschaften senden. Unsere internationale Solidarität gibt uns Kraft.
Die Abgeordneten der Partei DIE LINKE im Stadtrat sowie die Münchner Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund sollten sich gegen die Verleumdungen der Palästinasolidarität aussprechen und das Recht auf Demonstrationsfreiheit für Studierende verteidigen. Um sie dazu herauszufordern, sollte das Camp Delegationen zu den Sitzen dieser Organisationen schicken, um Stellungnahmen zu fordern.
Morgen findet an der LMU außerdem eine universitätsweite Vollversammlung statt, für die wir als WdK bereits Vorschläge präsentiert haben. Dort werden wir diskutieren, wie wir Kräfte gegen den Rechtsruck aufbauen können, zu dem die Repression der Palästinabewegung, das Genderverbot an öffentlichen Einrichtungen und das bereits erwähnte Kooperationsgebot gehört. Vom Camp sollte es eine starke Mobilisierung zur Versammlung geben, um dort weitere Studierende und Beschäftigte für eine Beteiligung zu gewinnen. Die Fachschaften und Referate des Konvents der Fachschaften müssen wir herausfordern, sich zu den Forderungen des Camps zu positionieren und mit aller Kraft zur Vollversammlung zu mobilisieren, um eine demokratische Diskussion zu ermöglichen.
An solidarische Arbeiter:innen geht die Aufforderung, sich morgen an einem Kampagnentreffen der Gewerkschaft ver.di zu beteiligen, wo über eine geplante Demonstration gegen Sozialkürzung und Aufrüstung diskutiert werden soll. Eine solche Initiative darf nicht stattfinden, ohne dass dort der laufende Genozid in Gaza und die Beteiligung der deutschen Regierung daran thematisiert wird. Solidarische Arbeiter:innen aus allen Sektoren sollten auf dem Camp willkommen sein und die Gelegenheit zum Austausch nutzen.
Am Samstag findet dann eine Demonstration statt, die an die Nakba erinnert, die Vertreibung der Palästinenser:innen 1948. Dort sollte es aus der ganzen Kraft des Camps einen großen studentischen Block geben.