München: „Wir haben ebenso ein Existenzrecht! Und wir werden existieren!“

31.10.2023, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Klasse Gegen Klasse

Wir veröffentlichen die Rede von einer Genossin, die am 25. Oktober auf der „Kundgebung gegen den Krieg in Israel und Palästina“ in München gehalten wurde.

Wir sprechen uns ganz klar für ein Palästina für alle Palästinenser:innen weltweit aus.

Freunde des Friedens,
Freunde der Freiheit,
Freunde Palästinas,
Palästina brennt!

„Wieder einmal brennt es in Palästina. Und wieder einmal schaut die Welt zu, wie der Staat Israel, die stärkste Militärmacht in der Region, mit brutalster Gewalt, mit Kampfflugzeugen, Panzern, Kampfhubschraubern und Raketen gegen die palästinensische Zivilbevölkerung vorgeht. Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon möchte das palästinensische Volk total unterjochen.“

Das waren die ersten Sätze einer Rede meines Vaters vor circa 20 Jahren. Wie kann es sein, dass die Rede von damals heute immer noch so aktuell ist? Wie kann es sein, dass wir keinen Schritt vorangekommen sind? Im Gegenteil, es waren Rückschritte. Die Lage hat sich über die Jahre dramatisch verschlechtert. Nun befinden wir uns in einer Katastrophe!

Heute möchte ich nicht viel über die Vergangenheit sprechen. Dennoch sollte uns allen bewusst sein, warum und vor allem wie lange schon Krieg gegen das palästinensische Volk geführt wird. Vor 75 Jahren, bei der Staatsgründung Israels im historischen Palästina, wurden rund 700.000 Palästinenser:innen vertrieben. Sie flüchteten in den Gazastreifen, in das Westjordanland und in das weltweite Exil. Die sogenannte Nakba – zu Deutsch, die Katastrophe. Den Palästinenser:innen wurde ein eigener souveräner Staat versprochen. Stattdessen bekamen wir: Unzählige Tote, Besatzung, Blockaden, eine Mauer, die bis zu acht Meter hoch ist und ein Leben im Gefängnis. Schikane und Repressionen gehören zum Alltag. Apartheidähnliche Strukturen, die von den zwei größten Menschenrechtsorganisationen der Welt – Humans Rights Watch und Amnesty International – kritisiert wurden. Auch die israelische Menschenrechtsorganisation B‘Tselem meldete reichlich Menschenrechtsverletzungen. Diese Umstände waren uns allen, auch den Regierungen, bekannt. Hat sich seitdem etwas geändert? Nein! Ist dieser Krieg überraschend? Leider auch nein!

Und die Fehler werden immer und immer wieder wiederholt.

Keine Kritik an der Politik des Staates Israel, absolute Solidarität und Unterstützung. Staatsräson! So benannte es die Bundesregierung. Für mich klingt das eher nach Narrenfreiheit.

Wobei unterstützt die deutsche Regierung gerade eigentlich?

Bei der Tötung von über 5.791 Palästinenser:innen. 68 Prozent von ihnen sind Kinder und Frauen. 1.500 Menschen sind als vermisst gemeldet. Alle diese ermordeten Opfer tragen einen Namen und eine Identität!

Zwölf Krankenhäuser und viele weitere medizinische Einrichtungen sind inzwischen außer Betrieb! Zerbombt oder aufgrund fehlender Grundversorgung geschlossen!

Um die 1,4 Millionen Menschen haben ihr Zuhause aufgrund der israelischen Luftangriffe verloren. Das entspricht fast der Gesamtanzahl aller Münchner:innen. Stellt euch vor, wie fast die gesamten Einwohner:innen unserer Stadt auf der Straße oder in provisorischen Unterkünften, wie zum Beispiel Zelten, ohne jegliche notwendige Versorgung und Infrastruktur leben müssen. Meine Fantasie reicht nicht aus, um mir dieses Bild vorzustellen.

Und jetzt nochmal die Frage: Wobei hat denn die deutsche Regierung Israel unterstützt?

Bei der erneuten Vertreibung der Palästinenser:innen vom Norden in den Süden des Gazastreifens über eine angeblich sichere Route, die währenddessen ebenfalls bombardiert wurde.

Das ist Unterstützung bei einem Genozid! Bei Kriegsverbrechen und Völkerrechtsverletzungen!

An dieser Stelle will ich euch noch ein Zitat von Ariel Kallner, Kabinettsmitglied der Likud-Partei, vorlesen. Hört gut zu: „Jetzt gibt es nur ein Ziel: Nakba. Eine Nakba in Gaza, die die Nakba von 48 in den Schatten stellen wird.“ Das ist ein Terroraufruf! Das ist ein Aufruf zum Genozid!

Erst vor fünf Tagen, am 20. Oktober, wurde der Grenzübergang Rafah zu Ägypten das erste Mal seit dem Kriegsbeginn geöffnet. 20 Lastwägen konnten mit Lebensmitteln, Wasser und medizinischen Hilfsgütern einfahren. Dies entspricht gerade einmal vier Prozent der benötigten Hilfsgüter pro Tag. Bis heute wird keine Lieferung des dringend benötigten Treibstoffs genehmigt. Dieser wird dringendst für die Versorgung von Krankenhäusern, Wasserversorgungsanlagen und vor allem auch für Bagger benötigt, um die Menschen im besten Fall aus den Trümmern zu retten beziehungsweise die Toten zu bergen. Das Hilfswerk der Vereinten Nationen warnt nun, dass es ab heute alle Tätigkeiten einstellen müsse, sollte nicht unverzüglich Treibstoff geliefert werden. Auch das ist ein Kriegsverbrechen!

Und jetzt noch einen kurzen Blick ins Westjordanland. Zur Information: hier regiert die Fatah und nicht die Hamas. Seit dem 07. Oktober 2023 sind laut UN-Bericht 95 Palästinenser:innen getötet worden – davon 28 Kinder. Ermordet von Siedlern oder israelischen Soldaten! Wie ist dieses Verbrechen ohne die Hamas zu rechtfertigen? Ich habe keine Antwort!

Drei letzte Fragen hätte ich noch:

Kriegt ihr von diesen Verbrechen etwas mit, die bereits seit 75 Jahren stattfinden?

Berichten die Medien hierzulande über diese ständigen Ermordungen und die illegale Besatzung?

Ist palästinensisches Leben für den Westen gar nichts wert?

Wenn man nach den Medien geht: Nein, die Palästinenser:innen sind eher eine Belastung – ein Störfaktor der innigen Freundschaft mit Israel!

Nun komme ich zu unseren Forderungen, basierend auf internationalem Völkerrecht:

  • Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand!
  • Wir fordern einen sofortigen Schutz für medizinische Einrichtungen und Aufhebung der unwürdigen illegalen Evakuierungsbefehle der Krankenhäuser!
  • Wir fordern die sofortige ausreichende Lieferung von Wasser, Lebensmitteln, Treibstoff, medizinischer Versorgung und humanitärer Hilfe!
  • Wir fordern das Recht, unsere Toten angemessen zu bestatten!
  • Wir fordern das Ende der Besatzung Palästinas!
  • Und vor allem fordern wir eine sofortige Anerkennung des Existenzrechts für palästinensisches Leben weltweit und vor allem in Palästina unter würdigen Umständen!

Wir Palästinenser:innen werden uns nicht in Luft auflösen und werden nicht von der Karte verschwinden. Wir haben ebenso ein Existenzrecht! Und wir werden existieren!

Hoch die internationale Solidarität!

 

 

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