München: SPD, Grüne und Linkspartei stimmen für Schließung des Kreißsaals Neuperlach
Ausgerechnet die Mitte-links Fraktionen im Stadtrat stimmten für die Schließung des Kreißsaal München-Neuperlach. Ein fatales Signal, das den Rechten helfen wird. Es braucht umso mehr eine Antwort der Arbeiter:innenbewegung.
Besondere Aufmerksamkeit zog am Mittwoch die Entscheidung über den Kreißsaal Neuperlach im Münchner Stadtrat auf sich. Unter den Augen von Hebammen und Pressevertreter:innen stimmten die Fraktionen von SPD/Volt, Grüne/Rosa Liste und Die Linke/DIE PARTEI für die Schließung. Vorausgegangen waren anderthalb Jahre Tauziehen um die Zukunft der Station mit zahlreichen Versprechungen, unter anderem der SPD und Grünen, den Kreißsaal mindestens bis 2028 zu erhalten. Nun soll also doch schon nächstes Jahr Schluss sein.
Ausgerechnet Anne Hübner (SPD), die noch vor wenigen Wochen nur von einem „möglichen“ Umzug sprach und die Kolleginnen über Monate hinhielt, verkündete nun für ihre Fraktionen, es habe einen „außerordentlich guten Beteiligungsprozess“ gegeben. Ein Prozess, in dem die Stimmen der Neuperlacher Hebammen trotz langem Engagement letztlich keinerlei Gewicht fanden. Ein Prozess, in dem es keinerlei betriebliche Entscheidungsmöglichkeit gab. Es zeigt ihr Demokratieverständnis, dass sie dies als außerordentlich gut bewertet. Mit der SPD stimmten auch die Grünen, die ebenso falsche Versprechungen gemacht hatten. Zuletzt hatte sich die Grüne Jugend für den Kreißsaal-Erhalt ausgesprochen, aber sehr spät und ohne jede öffentliche Konfrontation ihrer Mutterpartei.
SPD lobt Linkspartei für „Verantwortung“ beim Sparen
Darüber hinaus stimmte auch Stefan Jagel (DIE LINKE) mit seiner Fraktion für die Schließung. Er verwies in seiner Rede darauf, dass bei einem Erhalt nach gesetzlicher Grundlage in Zukunft nur noch Privatpatient:innen im Kreißsaal Neuperlach betreut werden könnten – als ob sich eine solche Verwaltungsangelegenheit nicht ändern ließe. Darüber hinaus argumentierte er explizit mit dem Stadthaushalt, dessen Eckpunkte direkt zuvor in der Sitzung besprochen wurden: Die Verwaltung müsse sich an die finanziellen Beschlüsse halten, entsprechend könne es keine Ausnahme für den Kreißsaal geben. Für diese unterwürfige Haltung erntete er wiederum Lob von Anne Hübner, dafür dass er sich für „Verantwortung und gegen den Populismus“ entschieden hatte.
Gegen die Schließung des Kreißsaals stimmten die Fraktionen von CSU/Freien Wählern, FDP/Bayernpartei, ÖDP/Münchner Liste und die AfD. Sie inszenieren sich als Unterstützer:innen von Frauen und Familien. Doch ihre Anträge waren auch gar nicht gegen die Schließung an sich gerichtet, sondern lediglich darauf, die gesetzlichen Grundlagen für das Angestelltensystem fertig auszuarbeiten, bevor man schließen solle. Die Landesregierung von CSU und Freien Wählern hat selbst die Schließung einer Vielzahl von bayerischen Kliniken hingenommen, erst im März hatten Landräte die Regierung zum Handeln aufgefordert, weil sie die Versorgung besonders im ländlichen Raum gefährdet sehen. Aktuell soll in Schweinfurt ein Krankenhaus mit 800 Beschäftigten schließen. Aber auch darüber hinaus ist es ein Hohn, dass ausgerechnet die rechten Parteien sich als Retterinnen der Hebammen und der Frauengesundheit aufspielen. Ihre frauenfeindliche Politik will das Recht auf Abtreibungen einschränken. Der Kreißsaal Neuperlach liegt zudem in einem besonders migrantischen Stadtviertel – besonders von der AfD ist es demagogisch, sich hier angeblich für den Standorterhalt auszusprechen.
Kampf gegen Rechts bedeutet Kampf gegen Sparpolitik
Trotzdem ist es ein erschreckendes Signal, dass sich alle Parteien „links“ der Mitte für die Schließung ausgesprochen haben. Sie überlassen den Rechten das Feld, sich als Kümmerer zu inszenieren, während sie „verantwortungsvoll“ Sparpolitik betreiben. Zur Haushaltsdebatte sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) : „Wir werden auch für 2025 einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen. Das gelingt aber nur, weil wir bereit sind, auch schmerzhafte Einschnitte vorzunehmen.“ Zum Tageordnungspunkt der Kreißsaalschließung war Reiter nicht am Platz. Nach der letzten Begegnung mit den Hebammen war er womöglich zu genervt, um nochmal respektvoll zu ihnen zu diskutieren.
An Kürzungen steht zum Beispiel die Schließung der Stadtbibliothek München-Harras. Nach Protesten haben Grüne/Rosa Liste und SPD/Volt einen Antrag im Stadtrat eingebracht, nach dem die Stadtverwaltung Möglichkeiten suchen soll, die Bücherei zu erhalten. Wenden sie nun den gleichen Trick an wie beim Kreißsaal? Versprechungen machen und Beschäftigte und Bevölkerung zum Narren halten?
Es ist gefährlich, dass die angeblich fortschrittlichen Parteien die Sparpolitik auf kommunaler Ebene umsetzen, die auch die Bundespolitik dominiert: DIE LINKE München setzt Lauterbachs Zentralisierungspolitik praktisch um. Während Milliarden in die Waffenindustrie fließen, soll es nicht möglich sein, Gelder für Gesundheit, Bildung und Soziales locker zu machen. SPD, Grüne und Linkspartei beweisen in München, dass sie die Interessen der Arbeiter:innen hintanstellen. Damit dies nicht von den Rechten aufgefangen wird, braucht es eine unabhängige politische Antwort von links, die mit der Logik von Sachzwängen und Ausreden auf bürokratische Regelungen bricht.
Es gilt, mit der Kraft der Arbeiter:innenbewegung und der Jugend gegen die Sparpolitik vorzugehen. Das Medizinkonzept wird auf Jahre hinweg Umstrukturierungen vorsehen. Es bleibt also weiter notwendig, dass die Gewerkschaften eine Antwort entwickeln, indem sie Betriebsversammlungen einberufen und die Stadtbevölkerung adressieren und sie für den Erhalt des Gesundheitssystems und der öffentlichen Versorgung mobilisieren. Bisher ist dies kaum geschehen. Weder gab es größere Aktionen der Gewerkschaft noch außerordentliche Betriebsversammlungen zur Frage der Umstrukturierung. Mit einer Mobilisierung, die alle Kolleg:innen der München Klinik anspricht und hunderte Beschäftigte in Protest auf die Straße bringt, wäre es möglich gewesen, ein anderes Abstimmungsergebnis zu erzwingen. Dies bleibt aber weiter die Aufgabe, um für eine gute Gesundheitsversorgung und gegen Sparpolitik zu kämpfen. Die Studierendenbewegung, die sich in den letzten Monaten für Palästina einsetzte, sollte eine Rolle in einer solchen Bewegung an der Seite der Arbeiter:innen haben, die sich auch gegen die Aufrüstung stellen und die Rechten zurückschlagen muss.