München: Sozialistisches Lokal Leviné eröffnet
Ein selbstverwalteter sozialistischer Raum von und für Arbeiter:innen, Jugendliche, Migrant:innen und Queers öffnete am Samstag seine Türen mit mehr als 50 Teilnehmenden. Leviné, das neue Lokal von Klasse Gegen Klasse im Münchner Westend, ist ein selbstverwalteter Raum der Organisierung, der sozialistischen Ideen und des revolutionären Optimismus.
Leviné: Infokanal auf Telegram
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Leviné, ein Name, der nun Schwarz auf weiß an der Guldeinstraße in München zu sehen ist. Ein Name, den nun das neue sozialistische Lokal von Klasse Gegen Klasse trägt und auf die revolutionärste Tradition der Münchner Arbeiter:innenbewegung hinweist. Über 50 Personen nahmen am Samstag an der Eröffnung teil.
Mit Musik, einem bunten Buffet und einem Kleidertausch fing der gesellige Austausch von Arbeiter:innen, Familien, Studierenden und linke Aktivist:innen an. Eine kurze Führung durch den Veranstaltungsraum und die Leseecke, mit den Klassikern von Marx und Engels, Lenin, Leviné, Luxemburg und Trotzki im Bücherregal. Ebenso mit einer Spielecke für Kinder mit Malsachen und Spielzeugen, die zeigen soll, wie dieses Lokal von Arbeiter:innen auch ihren Familien zur Verfügung steht.
Der Name unseres Lokals sowie das innere Wandbild sorgte bereits bei einigen Nachbar:innen für Fragen und interessierte Gespräche. Was ist das „Leviné“? Wer ist der junge Mann mit der Schiebermütze und dem Bart?
Diese Fragen wurden zum Beginn der Eröffnung beantwortet, mit einem Vortrag von Marco Helmbrecht, Geschichtsdoktorand und Autor für Klasse Gegen Klasse: 1883 in St. Petersburg geboren, studierte Eugen Leviné zunächst Jura in Heidelberg, um 1905, als in Russland die erste Revolution ausbrach, in das Land seiner Geburt zurückzukehren, an den Ereignissen teilzuhaben und wiederholt inhaftiert zu werden. Nach geglückter Flucht promovierte er in Nationalökonomie wiederum in Heidelberg und schloss sich zunächst der SPD an, wobei er nach deren Spaltung Teil der USPD und des Spartakusbundes wurde. Auch am Gründungsparteitag der KPD nahm er teil. Anfang 1919 galt er in der Partei als verlässlicher Anführer, dem die wichtige Aufgabe zufiel, die KPD in München zu organisieren. Nachdem im gleichen Jahr die Münchner Räterepublik ausgerufen wurde, war es wiederum Leviné, den man an die Spitze der neuen revolutionären Organe wählte. Die Konterrevolution zwang ihn schließlich, unterzutauchen, was eine erneute Verhaftung nicht verhindern konnte. Am 4. Juni wurde Leviné wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und einen Tag später hingerichtet. Seine letzten Worte lauteten: „Es lebe die Weltrevolution!“
Mit unserem Lokal wollen wir den kommunistischen Revolutionär Leviné würdigen, an das Kapitel der Stadtgeschichte anschließen und ein Angebot für sozialistische Organisierung, Bildung und kulturelle Aktivitäten schaffen.
In einer Führung entlang des Viertels zeigte Marco die Geschichte dieses historischen Arbeiter:innenviertels, welches ebenso von den Gräueltaten der Nazis geprägt wurde, wie vom Widerstand gegen diesen.
Leviné steht somit für eine revolutionäre Tradition der Selbstorganisierung der arbeitenden Bevölkerung sowie ihres Kampfes gegen die Ausbeutung, Unterdrückung und kapitalistische Kriegstreiberei. Diese Tradition soll im neuen Lokal fortgeführt werden. Dazu hielt Leonie Lieb, Hebamme, die über zwei Jahre gegen die Schließung ihrer Gebursthilflichen Station im Neuperlacher Klinikum kämpfte, und Aktivistin von RIO und Klasse Gegen Klasse, eine Ansprache:
„Wir haben in unserem Kampf um den Kreißsaal gesehen, wie wichtig Selbstorganisierung von Beschäftigten ist, weil die Parteien wie SPD, Grüne, Linkspartei viel versprochen, aber nichts gehalten haben. Am Ende haben sie alle ihr Versprechen gebrochen, dass sie sich für den Erhalt des Kreißsaals einsetzen werden. Wir haben auch die Rolle der Bürokratie in der Gewerkschaft erlebt, die unsere Selbstorganisierung blockierte und keine Betriebsversammlungen und Mobilisierungen durchführen wollte. Deshalb kämpfen wir darum, dass die Arbeiter:innen direkt über ihre Gewerkschaften bestimmen können.“ (mehr dazu hier)
Über die Bedeutung des Lokals sagte sie:
„Dieses Lokal zu eröffnen bedeutet Hoffnung. Wir bauen hier einen Ort auf, der nicht nur gegen den Kapitalismus und seine Verheerungen kämpft. Wir bauen auch einen Ort auf, der für eine lebenswerte Zukunft kämpft, in die in meiner Arbeit täglich neue Kinder auf die Welt kommen. Diese Zukunft ist eine sozialistische Zukunft, für die Eugen Leviné lebte und starb, nach dem wir das Lokal benannt haben. Eine sozialistische Zukunft wird von der Arbeiter:innenklasse als Anführerin aller Unterdrückten erkämpft, die alle Arbeit macht, alles organisiert, herstellt, hilft Kinder auf die Welt zu bringen, sie erzieht, unterrichtet und im Alter pflegt. Eine Zukunft, in der kein Mensch auf der Welt hungern muss, die Arbeit auf alle aufgeteilt ist, in der die Kinder eine ökologisch lebenswerte Zukunft haben, es keinen Krieg gibt und kein Mensch sich über einen anderen Menschen stellt.“
Daraufhin erklärte Liam Ottone, Soziologiestudent und Mitglied der marxistischen Hochschulgruppe „Waffen der Kritik“, die Bedeutung dieses Lokals in Zeiten des Rechtsrucks:
„Der offensichtliche Verrat an Wahlversprechen in Sachen Klima, Frieden und solidarische Migrationspolitiken hat einen Teil der Jugend in die Hände der extremen Rechten geschoben, die sich als kritische Stimme inszeniert. Ein anderer Teil verliert in solchen Zeiten die Hoffnung auf irgendeine Verbesserung und sieht keinen Sinn darin, politisch aktiv zu werden.
Wir sind Teil einer Generation, die damit groß wird, von einer Krise in die nächste zu springen. Teil einer Generation, die parallel zur Klimakrise vom Erlebnis einer Pandemie in eine militaristische Zeitenwende der Kriegstreiberei übergegangen ist. Dieses Lokal soll dazu dienen, uns angesichts all dessen zu organisieren, uns weiterzubilden, Diskussionen zu eröffnen und unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.“
Ebenso erklärte er die anführende Rolle der Jugend im Kampf gegen den Genozid in Gaza:
„Millionen von Menschen gingen auf die Straße und erklärten ihre internationale Solidarität. Zehntausende Studierende in den unterschiedlichsten Ländern dieser Welt stellen sich seit Monaten gegen diesen andauernden Genozid. Verbunden durch Solidarität und Entschlossenheit, fand eine ganze Welle an Hörsaalbesetzungen und Protestcamps statt, an denen wir hier in München genauso wie unsere Genoss:innen in Berlin, aber auch in Paris, in Madrid und u.a. in New York proaktiv teilnahmen. Wir taten dies hier als Teil des Unikomitees für Palästina. Als Klasse Gegen Klasse und Waffen der Kritik nehmen wir uns an der strategischen Vision von Leviné ein Beispiel und versuchen aktiv an den Orten zu kämpfen, wo wir sind. Das bedeutet für uns, die Organisierung an der Uni, in der Schule und im Betrieb voranzutreiben. Politik ist nichts, was bloß in den hohen Parlamenten geschieht, sondern besonders da, wo wir uns tagtäglich begegnen und wo wir dafür sorgen, dass diese Gesellschaft funktioniert.“
Alle, die mit für diese Ziele kämpfen wollen, sind herzlich eingeladen, das Lokal und seine Bibliothek mit uns zusammen zu nutzen.
Damit das Leviné seine Rolle als selbstverwalteter Raum erfüllen kann, muss es komplett unabhängig vom Staat, den Parteien und ihren Stiftungen bleiben. Das heißt auch: Es darf nicht auf ihre Gelder angewiesen sein. Deswegen finanzieren wir das Leviné vollständig unabhängig. Angesichts der uns allen bekannten Mietsituation, gegen die wir ebenfalls kämpfen, ist diese Aufgabe nicht ohne, weshalb wir auf Unterstützung angewiesen sind. Wenn du dabei helfen möchtest, Orte wie diesen möglich zu machen, dann unterstütze uns gerne mit einer Spende oder mit einem Dauerauftrag.
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