München: Polizeigewalt zum Auftakt der G7-Proteste
Am Samstag demonstrierten 6.000 Menschen in München gegen den G7-Gipfel, gegen Krieg, Aufrüstung, Armut und Umweltzerstörung. Die Polizei griff die Demonstration mehrmals an.
Die sieben mächtigsten Regierungschefs des Westens treffen sich als G7 ab Sonntag auf dem bayerischen Schloss Elmau nahe Garmisch-Partenkirchen, um sich über geopolitische und wirtschaftliche Fragen auszutauschen. Thema wird vor allem der Ukraine-Krieg sein, zudem auch die Energie- und Umweltpolitik sowie die drohende Hungerkrise. Seit langem ist das Format in der Kritik als Treffen der einflussreichsten imperialistischen Staaten, die weltweit für Krieg, Armut und Umweltzerstörung verantwortlich sind.
Daher gibt es auch dieses Wochenende wieder große Proteste, am Samstag in München sowie Sonntag und Montag in Garmisch. Der Tagungsort Elmau ist weiträumig von der Polizei und von Sperrzäunen abgeriegelt. Zur Demo in München hatte ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen (NGOs) aufgerufen, darunter Umweltschutzverbände wie Greenpeace und der WWF sowie humanitäre und kirchliche Hilfsorganisationen. Angemeldet war die Demo für 20.000 Teilnehmer:innen, 6.000 kamen letztlich, vor allem aus der radikalen Linken. Die antikapitalistischen Gruppen waren aus ganz Deutschland zur Demo angereist und hatten dort ihre Gegnerschaft zu Krieg und Aufrüstung sowie die sozialen Fragen in den Mittelpunkt gestellt.
NGOs fordern nur Reformen der G7
Die NGOs hatten zwar den Großteil der Redezeit auf der Bühne beansprucht, dann aber kaum mobilisiert. Der Grund zeigte sich sogleich in den Inhalten ihrer Reden: Greenpeace etwa forderte, sich von Energie aus Russland unabhängig zu machen, “um Putins Krieg nicht zu finanzieren”, womit sie auf der Linie der Ampel-Koalition liegen. Sie kritisierten zwar, dass die Regierung das Gas jetzt aus anderen Ländern wie Katar oder den USA importieren will. Doch grundlegend stimmen sie mit dem Ukraine-Kurs von Scholz und Baerbock überein. Über die Frage von Waffenlieferungen oder von Sanktionen, die wesentlich zur Inflation beitragen, sagten sie hingegen nichts.
Ander NGOs setzen ihre Hoffnung darin, dass die G7 einfach besser Politik machen solle, statt eine grundlegende Kritik zu formulieren. Der Vertreter von Campact sagte etwa: “Wir rufen den G7 zu: Macht nicht länger neoliberale Politik für Banken und Konzerne, sondern trefft Entscheidungen für unser aller Zukunft.” Dies entbehrt nicht einer gewisse Ironie in einer Zeit, in die Ampel-Regierung mit einem Tankrabatt die Ölkonzerne subventioniert, in der Christian Lindner Steuererleichterungen für Konzerne fordert und gleichzeitig vor fünf mageren Jahren warnt, oder Robert Habeck Gas zu einem knappen Gut erklärt. Die G7 machen Politik für die Konzerne, eben weil sie ihre Stellung in der globalen kapitalistischen Konkurrenz halten und verbessern wollen. Der Slogan der NGOs nach einer Reform der G7 ist etwa, als ob man einen Hai zum Vegetarismus erziehen wollte. Sie bieten keine Lösungen, wie von Campact gefordert, sie sind das Problem. Zugleich gab es auch linkere Reden, wie von einem argentinischen Aktivisten von Debt for Climate, der eine Streichung der Auslandsschulden forderte und betonte, dass nur die Zusammenarbeit der internationalen Arbeiter:innenklasse eine bessere Gesellschaft aufbauen könne.
Kaum Mobilisierungen von Gewerkschaften und Linkspartei
Die Gewerkschaften hatten mit Ausnahme von einzelnen Basismitgliedern gar nicht zu den Protesten mobilisiert. Die Gewerkschaftsspitzen stellen sich hinter den Kurs der Regierung und verweigern – mit Ausnahme der derzeitigen Streiks in den Seehäfen – für eine Anhebung der Löhne über das Inflationsniveau von acht Prozent zu kämpfen. Damit nehmen sie eine Absenkung der Lebensstandards der Arbeiter:innen hin, im Interesse des deutschen Imperialismus, der für seine kommenden geopolitischen Herausforderungen aufrüstet.
Besonders schädlich war das Verhalten der Linkspartei, die – obwohl sie für sich in Anspruch nimmt, Teil von sozialen Bewegungen zu sein – am Protestwochenende lieber ihren Parteitag abhielt. Zwar beteiligten sich einige Ortsverbände, doch das Fehlen der Parteispitze zeigte, dass sie keine Priorität darauf setzt, eine der wichtigsten Mobilisierungen des Jahres gegen die Politik der mächtigsten imperialistischen Staaten zu unterstützen.
Polizei greift Demo an
Gegen Ende des Demonstrationszug griff die Polizei den antikapitalistischen Block an, nachdem zwei Zivilipolizist:innen grundlos einen Demonstranten aus dem Block zerrten. Es kam zu neun Festnahmen, sechs von ihnen befinden sich einen Tag später immer noch in polizeilichem Gewahrsam. Nun soll der Haftrichter über sie entscheiden.
Selbst auf dem Heimweg wurden Teilnehmer:innen von der Polizei schikaniert. In der prallen Sonne wurden sie eingekesselt, Personalien aufgenommen und einzeln polizeilich erfasst. Dieses Vorgehen war zeitweise bis tief in die Nacht gängige Praxis der Polizei. Es kam dabei auch zu transfeindlichen Kommentaren und Kontrollen.
Mit einem Aufgebot von 18.000 Einsatzkräften versucht die Polizei Demosntrant:innen einzuschüchtern. 3.000 wurden für die Demo in München abgestellt. Wir verurteilen die polizeiliche Repression und solidarisieren uns mit den Festgenommenen und Betroffenen von Polizeigewalt. Wir dürfen uns von diesem Vorgehen nicht davon abschrecken lassen, künftig für eine gerechte Welt auf die Straße zu gehen. Am Sonntag gehen die Proteste weiter in Garmisch (hier bei uns im Live-Ticker). Auch hier hat die Polizei mit einem massiven Aufgebot begonnen, die Demonstrant:innen zu schikanieren und anzugreifen.
Veranstaltung von Klasse Gegen Klasse in München
Schon am Freitag organisierten wir als RIO (Revolutionäre Internationalistische Organisation) mit unserer Zeitung Klasse gegen Klasse eine Veranstaltung zum G7-Gipfel. Es nahmen 65 Menschen verschiedener linker Organisationen und Einzelpersonen teil. Gemeinsam diskutierten wir über die derzeitige Militarisierung, hohe Inflation sowie die drohende Klimakatastrophe.
Verschiedene Genoss:innen unserer Strömung FT-CI (Trotzkistische Fraktion – Vierte Internationale) schickten uns internationale Grußbotschaften und Erzählungen. Aus dem Spanischen Staat erhielten wir einen Einblick zum bevorstehenden NATO Gipfel in Madrid, welche unmittelbar nach dem G7-Gipfel in Elmau mit den gleichen Führungskräften stattfindet. Ein Genosse aus Argentinien berichtet über den Streik im Dezember, bei dem sich Arbeiter:innen verschiedenster Sektoren aus Logistik und Lebensmittel zusammen mit Klimaaktivist:innen solidarisierten. Gemeinsam kämpften sie gegen ein von der Regierung geplantes, klimaschädliches Bergbaugesetz und blockierten die Verschiffung der Kohle. Das Gesetz wurde aufgrund der mächtigen Protestbewegung gekippt. Diese Erfahrung zeigt uns wie die Klimabewegung solidarisch mit der Arbeiter:innenklasse für ein gemeinsames Interesse kämpfen muss und welch politischen Druck sie zusammen abseits der Ampel-Koalition in Krisenzeiten ausüben können.
Ein Genosse aus Frankreich war angereist und hielt einen Vortrag zur Situation der dortigen Linken und über die schädliche Unterstützung der NPA für den linksnationalistischen Kandidaten Jean-Luc Mélenchon. Er sprach über die Präsidentschaftskandidatur von Anasse Kazib, einem migrantischen Eisenbahnarbeiter und Mitglied von Révolution Permanente, unserer Schwesterorganisation in Frankreich. Dieses Vorbild ermöglichte uns, nicht nur über die Auswirkungen der Politik der G7 zu debattieren, sondern auch über die notwendige revolutionäre Strategie. Es ist kein Verlass auf die reformistischen Parteien, die trotz mancher Versprechungen in Regierungsbeteiligung selbst arbeiter:innenfeindliche Politik durchführen, sondern wir müssen selbst eine revolutionäre Alternative aufbauen.
Noch mehr Bilder des Protestes findet ihr hier.