München: No Pride in Genocide, Pride in Class Struggle

29.08.2024, Lesezeit 6 Min.
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Auf dem “großen” Münchner CSD hatten linke und pro-palästinensische Stimmen keinen Platz. Als Reaktion darauf findet unter dem Motto “No Pride in Genocide” erstmalig die “People’s Pride” in München statt. Die richtige Kritik an der Kommerzialisierung und Entpolitisierung des CSDs kann der Startschuss des Kampfes um eine neue revolutionäre Orientierung in der queeren Community werden. 

Die „People’s Pride“ am 31. August ist der erste Protestausdruck der Kritik des Pinkwashings des diesjerigen CSDs in München. Die Ausrichtung des CSDs soll hierbei anhand zwei zentraler Punkte kritisiert werden. Einerseits die Unternehmensfreundlichkeit, die mit den „Partner:innen“ wie Siemens, REWE, BMW oder der Allianz deutlich sichtbar wurde. Diese Großkonzerne missbrauchen nicht nur die Queere Identität, um neue Kund:innen anzulocken, sondern nutzen dies um ihre ausbeuterische Praxis, wie Kinderarbeit, umweltschädliche Investitionen oder die Entwicklung migrationsfeindlicher Überwachungstechnologien zu verdecken. Andererseits wird der politischen Ausrichtung des CSDs vorgeworfen, internationale Verbrechen unter Komplizenschaft der Regierung zu verbergen, wie dem brutalen Abbau von Kobalt im Kongo und insbesondere der Verdeckung des laufenden israelischen Genozids gegen die palästinensische Bevölkerung in Gaza. 

Kurzgefasst war der diesjährige CSD ein beispielhafter Fall von Pinkwashing, also dem Missbrauch der queeren Identität und Kämpfe für kapitalistische und unterdrückerische Zwecke. Ebenso zeigte sich eine tiefergehende Normalisierung der gesamtgesellschaftlichen Kriegsertüchtigung durch die Teilnahme und das Werben von Bundeswehr und Polizei auf der Pride. Die neue selbsternannte „intersektionale, antikapitalistische und antikoloniale Queer Pride“ soll all diesen kritischen Teilen der Queeren Community unserer Stadt einen Ausdruck geben. 

Dieser erste Schritt folgt den Beispielen an anderen Städten, wie der Internationalist Queer Pride in Berlin oder zuletzt in Bremen. Er ist ebenso die Antwort auf den Ausschluss mehrerer internationalistischer und revolutionärer Organisationen vom diesjährigen CSD. Diese Entwicklung innerhalb der Queeren Community hat sich vor allem durch den Genozid in Gaza verstärkt und hängt damit zusammen, dass der Geist der Revolte an der Cristopher Street im neoliberalen Zeitalter instrumentalisert wurde. Von Jahr zu Jahr wird immer offensichtlicher, dass die großen Paraden trotz aller kurzfristigen Freude über das Ausleben der eigenen Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung weder Garantien noch Ausdruck einer freien Gesellschaft sind. 

Diese Entwicklung wird umso wichtiger, da der Rechtsruck auf internationaler Ebene immer stärker seine reaktionäre Agenda durchsetzt und seine radikalsten Teile offen den physischen Angriff suchen. Dagegen wird die aktuelle Führung des CSDs, darunter besonders SPD und die Grünen, keine Kampfperspektive aufmachen, da sie lieber Konzernen die Bühne bietet, die Großspenden an die CSU abgeben, die die reaktionärsten Maßnahmen gegen Queers durchsetzen, wie zum Beispiel das Genderverbot. Gleichzeitig wäre es verkehrt den Hunderttausenden, die am 22. Juni auf die Straße gingen, den Rücken zu kehren und sich abzukapseln. Es ist Zeit für eine neue Orientierung, die diese Masse im Klassenkampf vereint, um dem Rechtsruck und dem Imperialismus ein Ende zu setzen und für eine internationale queere Befreiung eintritt.

Queere Befreiung heißt Klassenkampf

Am selben Tag wie die People’s Pride findet die Demonstration “25+1 Bundesstaaten” statt. Dabei handelt es sich um eine von Reichsbürger:innen organisierte Demonstration, wie sie bereits in Magdeburg, Dresden und Gera stattfand. Diese Veranstaltung unterscheidet sich von den Naziaufmärschen in Leipzig und Bautzen, da diese als Gegenproteste zu den jeweiligen CSD-Paraden geplant waren und diese aktiv stören und angreifen sollte. Jedoch ist auch die Reichsbürger:innendemo ein Zeichen für das Erstarken rechter Kräfte auf den Straßen. Angesichtsdessen muss eine Antwort von unten kommen! Anders als bei den CSD-Paraden in Leipzig und Münster, bei denen sich die Demo-Leitungen für die Unterstützung der Polizei bedankten, dürfen wir uns keine falschen Hoffnungen in den Schutz durch die Polizei hegen. Diese hat schon tausendmal bewiesen, wie sie Queers und Migrant:innen angreift, von extrem rechten Netzwerken durchseucht ist und in ihrem Kern eine Säule des Patriarchats darstellt. Deren Aufgabe ist es nämlich, das Eigentum und die Interessen des Kapitals zu schützen. Für uns steht klar, dass wir uns auf diese Institution nicht verlassen dürfen, sondern unseren Schutz durch Organisierung selbst in die Hand nehmen müssen. 

Antifaschistischer Selbstschutz lautet die existenzielle politische Aufgabe der Stunde. Hierfür müssen wir über Strategie diskutieren. Wenn nicht der Staat oder die Polizei unsere Verbündete sind, wer dann? Ein Teil der Antwort findet sich auf der Seite des Protests: „Vereint in Vielfalt- United in Diversity: implies the unity and the solidarity with the oppressed, with the workers, the colonized, women, people with disabilities, queers and trans* people.“

Es ist richtig, dass im Kampf um Befreiung ein Bündnis aller Ausgebeuteten und Unterdrückten notwendig ist. Strategisch machen wir jedoch einen Fehler, wenn wir uns bloß als Masse sehen, da die herrschende Klasse sich sehr bewusst organisiert in Form von Regierung, Justiz, Armee, Polizei, bis hin zu politischen Vermittlungen, die unsere Bewegungen lähmen und integrieren sollen. Als KGK/WDK sind wir der Auffassung, dass wir neben unserer Identität gesellschaftliche Positionen innehaben, die in diesem Kampf dienlich sein können. Schüler:innen, Studierende, Azubis, Lehrende, Pfleger:innen, Techniker:innen und anderen Sektoren.

Diese gesellschaftlichen Positionen, die sich die Kapitalist:innen tagtäglich zu eigen machen, um uns für ihren Profit und ihre Gesellschaft funktionstüchtig zu machen, müssen wir als politische Waffen nutzen. Hier muss unser Ziel ein Bündnis mit den Arbeiter:innen in den strategischen Sektoren des Kapitals sein, ganz nach dem Vorbild von Mark Ashton und der Lesbians and Gays Support the Miners. Hierfür brauchen wir Debatten, wie wir die Hamburger Hafenarbeiter:innen in ihrem Kampf gegen Privatisierung unterstützen können, gegen den Stellenabbau von 10.000 Arbeitsplätze bei ThyssenKrupp bei gleichzeitiger Forderung einer Produktionsumstellung weg von Kriegsgeräten hin zur ökologischen Transformation. 

Wenn wir queerer Unterdrückung, Rechtsruck und Genozid einen Ende setzen wollen, können wir uns nicht abschotten und damit zufriedengeben, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Im Kampf gegen alle Formen der Unterdrückung und Ausbeutung dürfen wir uns nicht mit kleinen Zugeständnissen vom bürgerlichen Staat zufriedengeben. Ebenso wenig können wir ihm oder den reformistischen Führungen, die zum Staat eine vermittelnde Rolle einnehmen, den Kampf überlassen. Die Nazi-Demonstrationen der letzten Wochen zeigen, wie wichtig es ist, eine gemeinsame Antwort auf den Faschismus zu haben. Nur die wechselseitige Zusammenarbeit der queeren, antikolonialen, und pro-palästinensischen Bewegung mit der Arbeiter:innenklasse auf der Basis eines gemeinsamen Programms kann dazu führen, dass wir Unterdrückung und Ausbeutung unter dem Kapitalismus ein Ende setzen können.

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