München: Kundgebung gegen Union Busting – viel Solidarität für Leonie

12.09.2023, Lesezeit 7 Min.
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Bild: Çağla Şahin

In München protestieren vor dem Arbeitsgericht über 60 Gewerkschafter:innen und Unterstützer:innen in Solidarität mit der kämpferischen Hebamme Leonie, die juristisch gegen ihre Abmahnung vorgeht.

Nachdem die Hebamme Leonie Lieb der Tageszeitung Junge Welt ein Interview zur geplanten Schließung ihres Kreißsaals im Münchner Stadtteil Neuperlach gegeben hatte, wurde sie von ihrem Arbeitgeber, der München Klinik, abgemahnt. Gegen diese Abmahnung geht Leonie nun gerichtlich vor, heute fand der erste Termin vor Gericht statt, die Güteverhandlung. Sie und über 60 Unterstützer:innen waren sich einig: Dieser Angriff auf die Organisierung der Kolleg:innen in der Klinik darf nicht unbeantwortet bleiben!

Leonies Abmahnung steht in direktem Zusammenhang zu ihrem Kampf gegen die permanente Verschlechterung unseres Gesundheitssystems. Die Schließung des Kreißsaals in Neuperlach konnte Leonie gemeinsam mit ihren Kolleginnen vorerst verhindern. Doch bundesweit drängt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) darauf, im Interesse einer „Zentralisierung“ immer mehr Krankenhäuser und Stationen zu schließen.

In der Rede, die Leonie vor dem Gerichtstermin hielt, machte sie auf den gewerkschaftsfeindlichen Charakter ihrer Abmahnung aufmerksam: „Die Abmahnung wegen der Arbeit im Betrieb ist Union Busting – und das lasse ich mir nicht gefallen!“ Von der Kürzungspolitik der Bundesregierung, die auch das Gesundheitswesen betrifft, schlug sie einen Bogen zu weiteren politischen Fragen. „Während im Gesundheitswesen gekürzt wird, sieht man die Prioritäten der Regierung. Wofür ist Geld da? Für 100 Milliarden Euro Aufrüstung, für Tausende Polizist:innen in München für die IAA und für Steuererleichterungen für Konzerne“, so Leonie. Deshalb drückte Leonie auch ihre Solidarität mit den in Präventivhaft genommenen Klimaaktivist:innen der Letzten Generation aus und forderte eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt. Leonie ist jedoch nicht nur kämpferische Hebamme und Gewerkschafterin, sondern ist auch bei der RIO organisiert, die Klasse Gegen Klasse herausgibt. Sie sagte: „Als Sozialistin will ich für eine andere Welt kämpfen!“

Zur Kundgebung hatten die ver.di-Vertrauensleute der München Klinik (MüK) eingeladen. Dem Ruf folgten gut 60 Personen, Gewerkschafter:innen, Mütter, Kolleg:innen, Studierende, aber auch Menschen aus Leonies persönlichem Umfeld. Die Kundgebung fand vor dem eigentlichen Termin direkt vor dem Arbeitsgericht statt. Neben Leonie sprachen auch viele ihrer Unterstützer:innen.

Für die Münchner Gewerkschaftslinke/Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) sprach Helga Schmid, langjährige Betriebsrätin und Aktivistin in der Münchner Gewerkschaftslinken. Sie verwies auf den engen Zusammenhang zwischen der vorerst verhinderten Schließung des Kreißsaals mit dem Kampf gegen die geplante Umstrukturierung der München Klinik: „Der unbefristete Erhalt des Kreißsaals kann nur erreicht werden, wenn wir zusammen mit allen Kolleg:innen aus der München Klinik und den Kolleg:innen, die auf eine gute Gesundheitsversorgung in München angewiesen sind, gemeinsam gegen das kommende Sparprogramm handeln.“ Sie forderte: „Ver.di und alle DGB-Gewerkschaften müssen sich für den unbefristeten Erhalt des Kreißsaales aussprechen und in einer machtvollen Kundgebung vor der entscheidenden Stadtratssitzung mobilisieren.“

Kilian und Liam drückten für die marxistische Hochschulgruppe Waffen der Kritik ihre Solidarität mit Leonie aus. Mit ihrer Gruppe waren sie von Beginn an aktiver Teil des Solidaritätskomitee für den Erhalt des Kreißsaals. Wie Leonie schlugen auch sie die Brücke von den kürzlichen Protesten gegen die IAA zur Krise im Gesundheitswesen. „Deshalb ist für uns der Kampf um das Klima und der Kampf um die Gesundheitsversorgung aufs Engste miteinander verbunden: Er ist ein Kampf gegen die Profitinteressen des Kapitals“, so Liam. Als Studierende und Aktive in der Kampagne für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte schlugen sie außerdem die Verbindung der kommenden Tarifkämpfe vor. Kilian sagte: „Für uns heißt die Einheit von Studierenden und Beschäftigten, dass wir nicht an den Spaltungen und Grenzen, die uns die wenigen Besitzenden aufzwingen, stehen bleiben.

Leonies Anwalt Timo Winter äußerte sich vor dem Termin optimistisch: „Wir sind der Auffassung, die Abmahnung ist offensichtlich rechtswidrig.“ Die Abmahnung sei eine Verletzung von Leonies Recht auf freie Meinungsäußerung. Auch das Recht auf gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit sei angegriffen worden. Er betonte aber auch die Wichtigkeit, sichtbar aufzutreten und zu zeigen, wie die gesellschaftliche Stimmung zu dem Fall ist, denn: „Es ist hier sehr wichtig zu sagen, dass diese Auseinandersetzung gegen die Abmahnung nicht nur im Gerichtssaal gewonnen wird, sondern auch hier, in der gewerkschaftlichen Betätigung, aber auch darüber hinaus.“ In diesem Zusammenhang betonte er die Bedeutung des Solidaritätskomitees, das den Kampf für den Erhalt der Neuperlacher Geburtshilfe seit vielen Monaten unterstützt und auch zur Kundgebung mobilisiert hatte. Als positives Beispiel verwies er zudem auf die Unterstützung für Inés Heider, einer weiteren seiner Mandant:innen. Auch sie wurde kürzlich bei dem Gerichtstermin gegen ihre Entlassung an einer Schule in Berlin-Neukölln von zahlreichen Unterstützer:innen begleitet.


Leonie war nicht die einzige Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen, die zu Wort kam. Ihre Kollegin aus dem Neuperlacher Kreißsaal Sisko Stenzel erklärte sehr eindrucksvoll ihre Solidarität: „Die Abmahnung gegen Leonie hätte auch mich treffen können. Liebe Leonie, deine Abmahnung ist auch meine. Ich bin Leonie!“

Matthias Gramlich, Betriebsrat im Helios Amper-Klinikum Dachau, berichtete von ähnlichen Angriffen durch Geschäftsführungen. Durch sein Engagement für bessere Arbeitsbedingungen und nicht zuletzt wegen eines vor Kurzem erfolgreich durchgeführten Warnstreik geriet er in den Fokus. Er berichtet von inzwischen monatlichen Vorladungen der Geschäftsführung, Drohungen und Schikanen. Er sprach auch über die kürzlich stattgefundene Schließung von zwei Stationen, die die ohnehin schon überlastete Pflege weiter an ihre Grenzen bringt.

Nach einer guten Stunde war die Kundgebung beendet und Leonie wurde unter Jubel und weiteren Solidaritätsbekundungen zu ihrem Termin begleitet. Kurz zuvor war die Gegenseite im Prozess um die Abmahnung eingetroffen – und wurde gebührend begrüßt. Lautstark schallte ihr Parole „Weg mit der Abmahnung!“ entgegen.

Der Gerichtstermin selbst brachte dann noch keine Klarheit. Die Gegenseite war nicht dazu bereit, die Abmahnung gegen Leonie fallen zu lassen. Auf das Angebot, die Abmahnung erst zum 31. Dezember zurückzunehmen, wollten sich Leonie und ihr Anwalt nicht einlassen. Auf dem Tisch liegt jetzt der Vorschlag der Richterin für einen Vergleich, die Abmahnung Ende November zurückzunehmen. Sollten sich die Gegner:innen auch darauf nicht einigen, wird ein Kammertermin entscheiden.

Klar ist jedoch schon jetzt: Der Kampf gegen Kürzungen, gegen Schließungen und gegen Angriffe durch die Bosse geht weiter. Weg mit der Abmahnung – Solidarität mit Leonie!

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