München Klinik in die Hände von Beschäftigten statt Managern!
An der München Klinik gibt es ein neues Management, die „Umstrukturierung“ ist im Gange. Zeit, dass es auch neue Kämpfe gibt. Was wir dabei vom Kampf um den Kreißsaal lernen können – und welche Schritte jetzt in Betrieb, Gewerkschaft und Bündnissen nötig sind.
Wie geht es mit der München Klinik (MüK) weiter? Diese Frage stellen sich immer mehr Klinikbeschäftigte und Einwohner:innen Münchens. Die München Klinik ist die größte Gesundheitsversorgerin unter Führung der Landeshauptstadt. Seit vielen Jahren ist sie in den „roten Zahlen“ – das heißt, sie braucht Bezuschussung von ihrer alleinigen Gesellschafterin, der Stadt München. zu der sie vor ihrer Umwandlung in eine gGmbH auch gehörte. So weit, so normal, denn Gesundheitsversorgung gibt es nicht umsonst. Eine reiche Stadt wie München sollte damit kein Problem haben, möchte man meinen. Problemlos können Sonderabgaben der großen Unternehmen wie Siemens, Allianz, BMW oder Münchener Rück die Kosten für eine gute Gesundheitsversorgung für alle decken. Für Stadtrat und Management ist der Kostendruck aber Grund für eine „Umstrukturierung“, die vor allem Kürzungsmaßnahmen bedeutet. Schon jahrelang ist offensichtlich, dass Gesundheitsversorgung mehr Geld braucht. Warum also der Vorschlag zu sparen?
Die Drohung von einer „Pleite“, das heißt eines Finanzierungsstopps durch die Stadt, dient ständig als Rechtfertigung für Einsparungen. Erst im Dezember stand die Zahlungsunfähigkeit im Raum, der Stadtrat genehmigte 400 Millionen Euro, damit die fünf Kliniken weiter behandeln können. Vor dem Rathaus, der dazu geschlossen tagte, standen Beschäftigte der MüK und Unterstützer:innen, die auf einer Kundgebung vom Stadtrat eine dauerhafte Finanzierungszusage forderten. Die wirtschaftliche Logik dahinter führt in einen Teufelskreis: Es gibt Personalmangel und wenn weiter gespart wird, gibt es noch mehr Personalmangel.
Hier wird schon deutlich, in welche Probleme ein Gesundheitssystem kommt, das statt auf Gesundheit auf Wirtschaftlichkeit ausgelegt werden soll. Das funktioniert weder im Großen noch im Kleinen: Viel hin und her gab es an der MüK auch deshalb, da die Ampel-Regierung mit Lauterbach eine Gesundheitsreform angekündigt hat, deren Ergebnis für die Krankenhausfinanzierung noch
unklar ist. Klar ist aber: Ein bedarfsfinanziertes Gesundheitswesen wird es auch nach der Reform nicht geben, die 2002 von der SPD eingeführten Fallpauschalen werden nicht durch die nötige Finanzierung ersetzt werden, der Zwang zu Wirtschaftlichkeit – und damit Kürzungen im Rahmen von Zusammenlegungen – bleibt. Entsprechend gibt es um die MüK immer mal wieder Spekulationen um einen Verkauf, zuletzt 2022, der ein Desaster für Beschäftigte und Patient:innen wäre.
Eine neue Führung der Kürzungen
Das Management hat sich nach langem Personalkarussell nun vollständig neu formiert: Götz Brodermann ist die Spitze des neuen Geschäftsführungs-Teams der MüK. Er hat zuvor in Cottbus als Klinikleiter daran teilgenommen, das kommunale Carl-Thiem-Klinikum in ein Universitätsklinikum zu überführen. Das heißt für die Beschäftigten eine Verschlechterung im Tarifvetrag, von TVÖD zu TVL und ist deswegen ein Rückschritt. Dass ausgerechnet jetzt, da mit der wenig verdeckten Drohung von Privatisierung Kürzungen an der München Klinik durchgesetzt werden sollen, jemand an der Spitze stehen soll, der gerade eben erst eine Entkommunalisierung durchgeführt hat, ist doch zumindest verdächtig. Unnötig zu sagen, dass Brodermann die kapitalistische „Entschlackung“ weniger gewinnbringender Teile der Kliniken voranbringen soll, die bereits in vollem Gange ist.
Brodermann sollte außerdem für das Unternehmen und die Stadt keine Überraschungen bringen, war er doch schon 2013 bis 2015 ärztlicher Klinikleiter der München Klinik Schwabing. Auch Petra Geistberger, die zweite von drei neuen Geschäftsführer:innen, ist eine „alte Bekannte“ des Münchner Stadtrats: 2015 bis 2019 leitete sie den Geschäftsbereich Personal und das Justiziariat Arbeits- und Tarifrecht in den damals noch Städtischen Kliniken, die inzwischen eine gGmbH in Vollbesitz der Stadt sind. Im Mai übernahm sie bereits den Geschäftsbereich Personal der MüK.
Geistberger war zuvor am Universitätsklinikum Frankfurt (am Main) tätig. Dort wurde mit ihr als Personalleiterin ein Entlastungs-Tarifvertrag vereinbart, der nach Warnstreiks und Aktionen in Verhandlung von ver.di mit der Klinikleitung entstanden war. Er sieht verbindliche Personalbesetzungen in jeder Schicht vor sowie den Anspruch auf zusätzliche freie Tage für Beschäftigte in unterbesetzten Schichten.
Um Entlastung durchzusetzen, ist allerdings enormer Druck von unten notwendig, durch massive gewerkschaftliche Organisierung, aktive Betriebsgruppen, Streiks und Aktionen. Auch Geistberger wird keine Geschenke an die Beschäftigten verteilen. Um erfolgreich zu sein, können Gewerkschafter:innen und Betriebsaktive sich an Beispielen wie Notruf NRW orientieren, ein wochenlanger Arbeitskampf, in dem eine aktive Basisorganisierung im Vordergrund stand und so Entlastung erkämpft wurde – und gewerkschaftliche Organisierung in den Betrieben, um Entlastung auch durchzusetzen.
Aktuell sieht es so aus, als würde die München Klinik vor allem kürzen, unter dem Deckmantel der Umstrukturierung. Darauf können ver.di und Betriebsrat mit eigenen Versammlungen reagieren, auf denen Beschäftigte der Basis sich ohne ihre Chefs beraten können.
Ein Blick darauf, was der alte erste Geschäftsführer Dr. Axel Fischer jetzt macht, ist übrigens interessant: Nachdem er 2014 von Boston Consulting als Berater der MüK zu deren Geschäftsführung wechselte, ist er wieder zurück in seiner „Heimat“ Unternehmensberatung, jetzt beim internationalen Berater-Riesen Deloitte. Beratung sei seine „Unvollendete“, verkündet Fischer bescheiden. Der ganze Vorgang ist bezeichnend: Die MüK gibt Unsummen für Beratungen aus, die dann den Laden übernehmen, an die Wand fahren und das gleiche Spiel wo anders fortsetzen. Die eigenen Leute werden bisher nicht einmal informiert, was genau eigentlich passieren soll.
Wir sind der Ansicht: Die Beschäftigten der MüK sollten über die Zukunft ihrer Kliniken bestimmen können. Das würde nicht nur Millionen für sogenannte Beraterfirmen sparen – die Beschäftigten wüssten auch besser, was zu tun ist.
Was „Umstrukturierung“ für Beschäftigte und Patient:innen bedeutet
Für die Manager und den Stadtrat bedeutet Umstrukturierung vor allem „wirtschaftlicher werden“, das allgegenwärtige Spardiktat des Kapitalismus. Aber was bedeutet Umstrukturierung für alle anderen?
Die Umstrukturierung, bei der die Kliniken zentralisiert werden sollen, bedeutet viel Ungewissheit bei den Klinik-Beschäftigten. Viele der Menschen, die in den fünf Kliniken arbeiten, tun dies schon seit vielen Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten. Und das auch in gut funktionierenden Teams verbunden mit den Ärzt:innen, den Physiotherapeut:innen, den Reinigungskräften und allen weiteren Teilen des interdisziplinären Teams.
Eingespielte Teams, die Arbeitsumgebung, die Ausstattung – das alles ändert sich für viele durch die Umstrukturierung. Teams werden zusammengelegt und auch Fachrichtungen der Stationen können sich ändern.
Menschen, die sich ihre alltäglichen Strukturen um den Arbeitsort aufgebaut haben, wie zum Beispiel Wohnungen oder auch Kinderbetreuung, müssen sich damit neu organisieren. Das bedeutet gerade für Familien, besonders Frauen mit Kindern, eine immense zusätzliche Belastung.
Das alles sorgt für Ängste und somit auch teilweise für Ablehnung des Umstrukturierungsprozesses. Berechtigtermaßen, schließlich haben die Manager das Sagen und die Stadt setzt die Schrauben an, droht in ihren Zusagen und Garantien zur Kostenübernahme immer wieder mit (teilweiser) Privatisierung. Privatisierung im Gesundheitssystem löst keines dieser Probleme, sondern bringt schlechtere flächendeckende Versorgung und auch eine Ungleichbehandlung von Patient:innen.
Auch aus Patient:innensicht ist die Umstrukturierung schwierig: Bei Zentralisierung der Fachgebiete bedeutet dies auch, dass aufgenommene Patient:innen an einem Standort, bei fachrichtungsfremden Erkrankungen an den jeweiligen anderen Standort transportiert werden müssen.
Wenn sich etwa im Klinikum Harlaching eine urologische Erkrankung entwickelt und eine Operation notwendig ist, müssen die Patient:innen mit einem Krankentransport beziehungsweise Rettungswagen an den jeweiligen anderen Standort transportiert werden, damit dies behandelt werden kann. Zentralisierung ist nicht gleichzusetzen mit besserer interdisziplinärer Zusammenarbeit, auch wenn es oft so verkauft wird. Wo diese Zusammenarbeit und manchmal vielleicht auch Zusammenlegungen notwendig sind, die auch zur Entlastung vom Rettungsdienst führen, muss unter scharfer Ausicht der Beschäftigten passieren. Sie sind diejenigen die auf den jeweiligen Stationen arbeiten und fachlich beurteilen können, was Umstrukturierung bedeutet – die aber vom Entscheidungsprozess bisher völlig ausgeschlossen und vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Betriebsrat und ver.di müssen sich zuallererst einsetzen, dass die Vorgänge der Geschäftsführung, des Aufsichtsrats und des zur MüK unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Stadtrats öffentlich gemacht werden.
Der Kampf um den Kreißsaal weist den Weg – aber weiter geht der Weg nur zusammen
Den Unmut – und die Kraft – der Beschäftigten zeigt das Beispiel des Kreißsaalkampfes. Die Hebammen und Kinderkrankenschwestern in Neuperlach haben sich Ende 2022 organisiert, um gegen den Umzug ins Klinikum Harlaching zu kämpfen, der für die Frauenversorgung der Region und die Arbeitsbedingungen schädlich gewesen wäre – und konnten Zwischenerfolge feiern. Sie führten eine öffentlichen Kampagne und Petition durch, zeigten Streiksolidarität im Tarifkampf, veranstalteten zahlreiche Kundgebungen und Demonstrationen, unterstützt von einem Solidaritätskomitee aus solidarischen Münchner:innen, zum Beispiel von den Unis und Hochschulen. Mit ihrem Kampf konnten sie die Schließung in Neuperlach im Rahmen der Zusammenlegung mit Harlaching zumindest hinauszögern – wie es weiter geht, wird wohl diesen Sommer entschieden und hängt auch von neuen kommenden Kämpfen ab. Der Kampf um Neuperlachs Kreißsaal bedeutet jetzt schon eine Signalwirkung an alle Beschäftigten der MüK und von Krankenhäusern insgesamt: Kämpfen lohnt sich!
Den Wunsch nach einer guten sinnvollen Arbeit im Sinne des Patient:innenwohls und der Gesellschaft und nicht der Wirtschaft haben alle Beschäftigten an der MüK. Einige tun sich inzwischen in dringend nötigen Betriebsgruppen zusammen.
Der Kampf um den Kreißsaal Neuperlach hatte das Management indes derart erschreckt, dass die Hebamme Leonie Lieb abgemahnt wurde, weil sie in einem Zeitungsinterview über gewerkschaftliche Organisierung gesprochen hatte. Sie ließ sich aber nicht einschüchtern und unterstützt von dem Betriebsrat und der Gewerkschaft ver.di drehte sie den Spieß um, reichte Klage beim Arbeitsgericht ein und sammelte noch mehr Solidarität für den Erhalt ihres Kreißsaals, gegen Sparmaßnahmen in den Kliniken insgesamt und für ein an Bedarf statt Profiten ausgerichtetes Gesundheitswesen. Die München Klinik musste inzwischen die Abmahnung gegen Lieb fallen lassen, ein klarer Gewinn für alle Beschäftigten und die große Unterstützung, die Lieb von gewerkschaftlicher Seite und dem Solidaritätskomitee bekommen hat.
Den Weg, dass Beschäftigte sich gegen Kürzungen selbst organisieren, haben in Neuperlach die Hebammen begonnen. Erfolgreich wird er sein, wenn er gemeinsam mit anderen Beschäftigten der MüK und darüber hinaus gegangen wird. Es ist zu begrüßen, dass es inzwischen mit „Daseinsvorsorge am Limit“ ein Bündnis gibt, das von betrieblichen und gewerkschaftlichen Strukturen unterstützt wird und gegen die Profitorientierung und Personalmangel im Gesundheitswesen und auch dem Sozial- und Erziehungsdienst angehen möchte. Das Thema geht darüber hinaus alle Arbeiter:innen und Linken etwas an, denn wir müssen eine eigene Perspektive für ein besseres Leben aufwerfen, um dem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen und andere Unzufriedene wie die Landwirt:innen auch davon überzeugen, anstatt sich von Rechten vereinnahmen zu lassen. Dazu gehören als Forderungen neben der Abwendung von Schließungen und Kürzungen auch das Ende von Outsourcing und die gleichwertige Anerkennung im Ausland gemachter Abschlüsse migrantischer Beschäftigter, kostenlose Sprachkurse für alle sowie die volle Bezahlung im Anerkennungsjahr beziehungsweise der Eingewöhnungszeit.
Es muss Gremien von Beschäftigten geben, die über die Struktur der Klinik entscheiden können – für eine Kontrolle der Beschäftigten anstatt der Manager. Dafür ist es notwendig, mit Betriebsgruppen, Gewerkschaft und Bündnissen dafür einzutreten, dass geplante Maßnahmen durch die MüK und den Stadtrat gegenüber den Beschäftigten offen gelegt werden und es unabhängige Versammlungen der Beschäftigten gibt, in denen Delegierte der Basis ohne Chefs und Leitungen über das weitere Vorgehen beraten können. Sie – und nicht Beraterfirmen oder Stadtratsausschüsse hinter verschlossenen Türen – sollten über eine Globalfinanzierung der Stadt letztlich entscheiden können, denn sie wissen am besten, was gute Daseinsfürsorge braucht. Nur unter Kontrolle der Beschäftigten selbst, zusammen mit Verbündeten aus anderen Betrieben, Schulen und Unis, können Kürzungen zurückgeschlagen werden – und kann die Perspektive eines Gesundheitssystems im Interesse der Beschäftigten und Patient:innen entstehen.