München: 400 Jugendliche streiken gegen Rassismus

28.04.2016, Lesezeit 6 Min.
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Im Zuge des Aufrufs des bundesweiten Aktionsbündnisses „Jugend gegen Rassismus“ haben am gestrigen Mittwoch über 7000 Jugendliche gegen den rechte Welle in Deutschland protestiert. Auch die Münchner Jugend beteiligte sich mit einem Schul-, Azubi- und Unistreik an den Protestaktionen.

Es war ein besonderer Tag für München. Nach einer intensiven zweimonatigen Arbeitsphase brachte das Bündnis Jugend gegen Rassismus München rund 400 Schüler*innen, Azubis, Studierende und Refugees auf die Straße. Sie wollten einerseits gegen die Abschottungs- Kriegspolitik der deutschen Bundesregierung protestieren und anderseits der rassistischen Hetze der AfD und Pegida die Stirn bieten. Während der Demonstration wurden mehrfach Grußbotschaften an die streikenden Jugendlichen bundesweit und in Frankreich geschickt.

Bereits früh morgens gingen Aktivist*innen mit Zubringerdemonstrationen an Schulen, um die Schüler*innen zum Streiken zu bewegen. Gegen 8 Uhr versammelten sich Aktivist*innen dann mit einigen dutzend Schüler*innen vor der Ludwig-Maximilians-Universität am Geschwister-Scholl-Platz, dem Auftaktort des Streiktages. Währenddessen baute das Bündnis vor Ort die Pavillons auf, organisierte Frühstück und heiße Getränke und flyerte vor dem Hauptgebäude der Universität.

Trotz des nasskalten Wetters konnte vor dem Demonstrationsbeginn eine produktive Workshopphase stattfinden: Waffen der Kritik München organisierte einen Workshop über den Rechtsruck und AfD. Die Gruppe Arbeiter*innenmacht hielt einen Workshop über die Perspektiven einer Jugendorganisation, und einige unabhängigen Aktivist*innen versammelten sich unter dem Pavillon, um für die Demonstration Schilder zu basteln. Besonders das Interesse an den Diskussionen und die Suche nach einer konsequenten Perspektive zur Bekämpfung der rassistischen Offensive waren gute Zeichen, dass die Streikaktion nicht nur ein einmaliges Event bleibt.

Nach der Workshopphase begann die Auftaktkundgebung um 10:15 Uhr mit einer Rede von Baran Serhad, die im Namen vom Bündnis gehalten wurde. Wir sind heute auf der Straße“, sagte er, „um zu zeigen, dass die Jugend sich für eine Gesellschaft ohne Krieg, Rassismus, Sexismus und Ausbeutung einsetzt.“ Gegen jegliche Versuche der deutschen Bundesregierung sei es eine Pflicht, dass „die Jugendlichen und Arbeiter*innen sich nicht in „legale“ und „illegale“, „einheimische oder „ausländische“ aufteilen lassen dürfen.“ Abgeschlossen wurde die Bündnisrede mit der Notwendigkeit der Organisierung nach dem Streiktag und der Nutzung der bundesweiten Vernetzung für die Schaffung einer wirklichen Bewegung: „Wenn wir Refugees willkommen heißen, die Militäreinsatze des deutschen Staates rauswerfen, deutsche Waffenexporte stoppen und keine Anschläge in Deutschland erleben wollen, müssen wir heute gemeinsam mit allen Unterdrückten und Ausgebeuteten eine klassenkämpferische, internationalistische, basisdemokratische und solidarische Bewegung aufbauen.“

Als nächster Redner nahm ein Vertreter von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) das Mikrofon, um einerseits den streikenden Jugendlichen eine Grußbotschaft zu übermitteln und andererseits über den skandalösen Inhalt des von der Bundesregierung geplanten Integrationsgesetzes zu sprechen.

Nach dieser Rede bewegten sich die Anwesenden mit einem Demonstrationszug in Richtung verschiedener Schulen. Dabei riefen sie Parolen wie „Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht überall!“ oder „say it loud, say it clear, refugees are welcome here!“. Besonders am Gisela-Gymnasium redeten streikende Schüler*innen und Studierende etwa 30 Minuten lang persönlich oder vom Lautiwagen mit den Schüler*innen der Schule, um sie zu überzeugen, die Klassenzimmer zu verlassen und sich in die Demonstration einzureihen. Dutzende Schüler*innen schauten von den Fenstern der Klassenzimmer. Ein streikender Schüler aus Pullach betonte in seiner Rede, dass „die Bildung eine demokratische Errungenschaft der Bevölkerung ist und deshalb frei zugänglich für alle hier lebenden Menschen sein soll – egal aus welcher Herkunft oder dem Status-“.

Der Erfolg an dem Tag bestand besonders in der Präsenz von Refugees auf der Demonstration. So sagte ein Geflüchteter aus Syrien vor dem Gisela-Gymnasium, „dass die Jugendlichen heute entgegen der Isolation und rassistischen Angriffe eine menschenwürdige Alternative zeigen.“

Während der Demonstration gab es viele Interaktionen. Ein spektakuläres Beispiel dafür war, dass die Aktivist*innen an der Technischen Universität München ein 10-Meter-Banner „Jugend streikt gegen Rassismus“ entrollt haben.

Die Demonstration war von Anfang an bis zum Ende geprägt von lauten, kämpferischen und enthusiastischen Stimmungen.

Bei der Abschlusskundgebung nach der Rückkehr zum Geschwister-Scholl-Platz sprach zunächst Désirée Kirsch im Namen der Studierenden: „Unser Kampf ist ein Kampf um unsere eigene Zukunft. Unsere Forderungen sind nicht utopisch, die einzige Utopie ist, dass alles so bleibt, wie es ist.“ Sie skandalisierte erneut die Rüstungsforschung der LMU, bekannt unter dem Label: Grüne Bombe von Klapötke. Darüber hinaus richtete sie einen wichtigen Appell an die Studierenden: „Organisiert euch! Helft uns, Jugend gegen Rassismus mit Basiskomitees an der Uni aufzubauen.“

Die Abschlussrede kam von Waffen der Kritik München, vorgetragen von Marco Blechschmidt: „Man hält uns vor, dass wir keine Chance haben, uns Gehör zu verschaffen. Dass es keine Jugendbewegung in Deutschland geben kann. So ein Unsinn! In Deutschland sind wir am heutigen Tag tausende junge Menschen.“ Über die Perspektiven von Jugend gegen Rassismus zeigte Marco auf die Proteste der Jugendlichen gemeinsam mit den Arbeiter*innen in Frankreich: „Wenn wir uns fragen, wie wir hier weiter machen sollen mit unserem Kampf gegen Rassismus, dann lohnt es sich dorthin zu schauen. In Le Havre blockieren Streikende gemeinsam mit protestierenden Jugendlichen immer wieder den zweitgrößten Hafen des Landes. Das richtet für die Bosse Schaden in Millionenhöhe an.“ Gegen die Spaltungen und Illusionen in die bürgerlichen Parteien sei die Selbstorganisierung zentral: „Wenn wir also die Kriege und Abschiebungen aufhalten wollen, müssen wir auf unsere eigene Kraft vertrauen.“

Am Abend trafen sich über 150 Jugendliche bei dem Solidaritätskonzert, das im Rahmen des Streiktag von Jugend gegen Rassismus organisiert wurde. Eine Feier, die sie nach intensiver Arbeit verdient haben.

Die zentrale Frage von heute, die sich stellt, ist: Was passiert nun nach dem Streik? Das nächste Treffen von Jugend gegen Rassismus München widmet sich dieser Frage. Es findet am 4. Mai um 18 Uhr in der Ligsalzstr. 8 statt.

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