Mit „Jugend gegen Rassismus“ gegen den Rechtsruck
Der bundesweite Schul- und Unistreik gegen Rassismus mobilisierte 8.000 Jugendliche im ganzen Land. Allen ist klar, dass es nicht bei einem vereinzelten Aktionstag bleiben kann, um die Asylgesetzverschärfungen zurückzunehmen und die rassistische Staatsgewalt und den rechten Terror auf der Straße zu stoppen. Doch was sind die nächsten Schritte bis zur bundesweiten Aktionskonferenz am 21./22. Mai?
Der 27. April war ein bedeutender Kampftag gegen den Rassismus von Merkel und Petry, gegen imperialistische Kriege und für offene Grenzen. Das ergibt sich nicht nur aus der Zahl der Teilnehmer*innen, sondern aus der bundesweiten Ausdehnung und der Verankerung an Schulen und Universitäten.
Im Vergleich zu den wichtigsten antirassistischen Mobilisierungen in den vergangenen Jahren beschränkte sich der 27. April in den Städten auf die fortgeschrittensten Sektoren der Jugend. Darunter stachen besonders die Schüler*innen hervor. In Berlin und Bremen gelangen vierstellige Mobilisierungen, während es in anderen, darunter auch vielen kleineren, einige Hunderte waren.
Das ist ein bemerkenswerter Erfolg angesichts eines immer stärker werdenden reaktionären Klimas, dass sich auch bis in die Jugend ausdehnt. Dem entgegen geht ein bewusster Teil der Jugend im demokratischen Kampf gegen Abschiebungen und Krieg auf die Straße und weitere Tausende begegnen den Aktionen mit Wohlwollen, auch wenn sie sich noch nicht selbst daran beteiligen.
Doch viel wichtiger ist der Impuls zur Ausweitung und Verankerung, der von der Gründungskonferenz von Jugend gegen Rassismus Anfang des Jahres ausging. Immer mehr Städte wollten sich am bundesweiten Schul- und Unistreik beteiligen und am Ende waren es mehr als 14 Städte, in denen Aktionen stattfanden.
In vielen Bündnissen kamen zahlreiche linke Gruppen zusammen, um den 27.04. zu organisieren. Getragen wurde die Mobilisierung jedoch von hunderten unorganisierten Schüler*innen, die sich in Gesamtschüler*innenvertretungen, Basiskomitees an Schulen oder im Kiez oder den lokalen Strukturen von Jugend gegen Rassismus beteiligen.
Es wurde deutlich, dass in der Hitze des Rechtsrucks eine kämpferische Jugend politisch zum Leben erweckt wurde, die nicht zwischen der rassistischen „Alternativlosigkeit“ der Merkel-Regierung und der fremdenfeindlichen „Alternative“ wählen wollen. Was bedeutet das für die nächsten Schritte im antirassistischen Kampf? Wie können wir die Verankerung an Schulen, Unis und Betrieben vorantreiben und noch größere Demonstrationen organisieren?
Wie bekämpfen wir den Rechtsruck?
All diese Fragen sind eng mit der linken Debatte verbunden, wie man effektiv gegen den Rechtsruck kämpfen kann. Grob gesagt gibt es drei Positionen zu dieser Frage. Die erste Position ist die des „klassischen“ Antifa-Aktivismus. Sie sieht sich durch den Aufstieg rassistischer Gewalt und Demonstrationen in ihrer Strategie bestätigt, Nazi-Demos zu blockieren und organisiert militante Aktionen gegen Pegida und Co. Dabei beschränken sich diese Aktionen auf einen kleinen Kreis von Aktivist*innen und versuchen nicht, sich durch einen offensiven Diskurs innerhalb der Jugend und der Arbeiter*innenklasse zu verankern. Dabei führen sie ihre schon in „ruhigeren“ Zeiten unzureichende Politik in einer Situation fort, die sich nicht durch die einfache Blockade von bestimmten Demonstrationen verhindern lässt.
Die zweite Position sieht den rasenden Aufstieg der AfD bei Landtagswahlen und Umfragen als größte Gefahr für die demokratischen und sozialen Rechte der Ausgebeuteten und Unterdrückten. Für sie ist der Kampf gegen Rechtsruck ein Kampf gegen die AfD, wie man gut bei der Kampagne „Reclaim Alternatives“ von Linksjugend solid Berlin sehen kann. Gruppen wie marx21 gehen in dieser Politik soweit, dass sie sogar auf jegliche Kritik an der Regierung und ihrer rassistischen Politik verzichten, um eine „breite Öffentlichkeit“ zu erreichen, wie man im Falle des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ sieht. In letzter Konsequenz bedeutet dies die Einheit aller „demokratischer Parteien“ im Kampf gegen die AfD.
Doch die Bundesregierung hat sich in der Zeit des Aufstiegs des rechten Terrors nicht gerade zurückgehalten. Im Gegenteil hat sie die Asylgesetzverschärfungen durchgeführt, Grenzkontrollen eingeführt, massive Abschiebungen organisiert, Afghanistan, Marroko, Tunesien und Algerien zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt und ein Integrationsgesetz beschlossen, dass Geflüchtete schikanieren und als unterste Schicht der Arbeiter*innenklasse etablieren soll. Die Forderung nach dem „Schießbefehl“ und nach Obergrenzen hat die Bundesregierung mit dem blutigen EU-Türkei-Deal durchgesetzt. Und während die AfD die Islamophobie öffentlich anheizt, ist es die Bundesregierung, die durch die Überwachung von Moscheen durch den Verfassungsschutz die Religionsfreiheit untergräbt. Nur durch den konsequenten Rechtsruck der Regierung konnte die AfD zu solcher Stärke gelangen.
Deshalb muss der Kampf gegen den rechten Terror und die AfD ein Kampf gegen die rassistische Politik der Bundesregierung sein. Die Mobilisierungen von Jugend gegen Rassismus waren von einem tiefen Hass gegen die Merkel-Regierung und den rassistischen Staatsapparat auf der einen Seite und den AfD- und Pegida-Reaktionär*innen auf der anderen Seite geprägt. Die täglichen Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte wurden genauso thematisiert wie der Bundeswehreinsatz in Syrien. Damit beweist der 27. April, dass man nicht an Kampfkraft verliert oder die Gefahr des Rechtspopulismus unterbewertet, wenn man die Große Koalition und ihre heuchlerische „Willkommenskultur“ verurteilt.
Es ist von zentraler Bedeutung diese Ausrichtung auf jeder Blockade, auf jeder Demonstration und in der Schule und den Betrieben zu verteidigen. Denn nur durch die Konfrontation mit der Regierung können die brutalen Einschnitte in die Rechte der Geflüchteten zurückgenommen werden. Würde eine massive Jugendbewegung auf der Straße mit Rückhalt in der Bevölkerung den Stopp der Abschiebungen, das bedingungslose Bleiberecht und das Ende der Bundeswehrinterventionen im Nahen Osten und Afrika erkämpfen, hätte es die AfD tausendmal schwerer mit ihrer reaktionären Hetze.
Jetzt erst recht: Gemeinsam sind wir stark
Der Erfolg von Jugend gegen Rassismus muss als Aufruf an die gesamte radikale Linke, Gewerkschaftsjugenden und Jugendverbände wie Linksjugend solid oder die Jusos sein, sich direkt am Bündnis zu beteiligen und so die Vernetzung zu stärken. Die Linksjugend solid und die SAV beteiligten sich in Städten wie Bremen, Kassel oder Dresden an der Vorbereitung und brachten so hunderte auf die Straße. Auch die SDAJ war in München und Kiel bei den Bündnistreffen dabei. Doch als bundesweite Organisationen weigerten sie sich, ihre ganze Kraft in den Schul- und Unistreik zu stecken, um aus ihm ein noch kräftigeres Signal zu machen.
Die SAV beispielsweise hatte in den vergangenen Jahren beeindruckende Mobilisierungen von Schüler*innen und Geflüchteten in Hamburg organisiert – am 27. April, dem ersten bundesweiten Schul- und Unistreik gab es in der Hansestadt jedoch keine Aktion.
In ihrer Bilanz vom 27. April zieht die SAV Schlussfolgerungen, die im Nachhinein ihre passive Haltung rechtfertigen sollen. So schreibt Michael Koschitzki: „SAV-Mitglieder argumentierten gegenüber Jugend gegen Rassismus, dass ein Aktionstag nicht von einem kleinen Kreis von politisch Aktiven einfach ausgerufen werden, sondern durch Schülerinnen und Schüler von unten aufgebaut werden sollte. Sie warnten, dass ein erfolgreicher Streik eine breite Beteiligung voraussetzt, die über die SchülerInnen, die sich links verorten oder ohnehin aktiv sind, hinausgeht. Die Einschätzung der jungen SAV-Mitglieder war, dass eine solche Stimmung für einen bundesweiten Streik in der Masse der Schülerinnen und Schüler zum jetzigen Zeitpunkt nicht existiert. Das hat sich in der begrenzten Beteiligung bestätigt.“
Und weiter unten: „Streiks die nur eine kleine Minderheit der SchülerInnen umfassen, laufen Gefahr, dass sich AktivistInnen von den restlichen SchülerInnen isolieren statt sie mit linken Argumenten und sozialen Forderungen zu überzeugen und für den Kampf gegen Rassismus zu gewinnen, was die Hauptaufgabe derzeit ist.“
Unweigerlich befinden wir uns nicht in der beneidenswerten Situation wie unsere französischen Nachbarn, wo seit mehr als einem Monat Hunderttausende Jugendliche gegen die neoliberale Arbeitsmarktreform auf die Straßen gehen. Doch müssen wir uns fragen: Hat der bundesweite Schulstreik uns näher hin zu einer „breiten Beteiligung“ gebracht, „die über die Schüler*innen, die sich links verorten oder ohnehin aktiv sind, hinausgeht“? Oder hat er die „Aktivist*innen von den restlichen Schüler*innen isoliert, statt sie mit linken Argumenten und sozialen Forderungen zu überzeugen und für den Kampf gegen Rassismus zu gewinnen“?
Die Realität straft die selbstgefällige Analyse der Genoss*innen Lügen: Mehr Städte waren dabei, Tausende Schüler*innen mobilisierten und Hunderte organisierten sich. Die lokalen Bündnisse vollbrachten eine offensive Kampagne, bei der sie die Forderungen auf öffentlichen Plätzen, bei Streiks wie bei den Lehrer*innen und dem Botanischen Garten in Berlin und an zahlreichen Schulen bekannt machten. Offensichtlich hat uns der Aktionstag in eine bessere Situation versetzt, aus der heraus die Basisarbeit vertieft und die bundesweite Vernetzung vorangetrieben werden kann. Die Aktionskonferenz am 21./ 22. Mai ist der perfekte Ort für die Organisationen wie die SAV, Linksjugend solid oder die SDAJ, die bisher noch passiv am Rande stehen, sich den Bündnis Jugend gegen Rassismus anzuschließen.
Soziale Allianz schmieden
Diese Aktionskonferenz muss auch der Ort sein, an dem neue Sektoren für das Bündnis gewonnen werden. Vor dem 27. April solidarisierten sich Arbeiter*innen vom Botanischen Garten und von der Basisgruppe ver.di aktiv von der BVG mit dem Schul- und Unistreik. Dabei verurteilten sie die Spaltungsversuche der herrschenden Klasse zwischen „einheimischen“ und „ausländischen“ Arbeiter*innen und forderten ein Ende prekärer Beschäftigung und „im Schulterschluss alle Beschäftigten, Schüler*innen und Studierenden auf, sich gegen Rassismus jeglicher Form zu positionieren“.
Im Falle der Beschäftigten des Botanischen Gartens trugen zwei Elemente entscheidend zu dieser Stellungnahme bei: Einerseits befinden sie sich gerade in einem Arbeitskampf. Dort erkennen auch die Kolleg*innen mit rassistischen Ressentiments, dass der Unterschied nicht in der unterschiedlichen Hautfarbe liegt, sondern im Besitz von Kapital. Nur wenn alle Arbeiter*innen gemeinsam gegen die Bosse vorgehen, werden sie gewinnen können.
Andererseits bekamen sie seit Beginn ihres Konfliktes die Unterstützung von Aktivist*innen der Revolutionär-kommunistischen Jugend, die Teil von Jugend gegen Rassismus ist. Sie unterstützten nicht nur die Forderungen gegen Lohndumping und Outsourcing der Beschäftigten, sie warben auch für ihre Forderungen gegen den Rassismus von Staat und Nazis. Dies ist ein enorm fortschrittliches, wenn auch isoliertes Beispiel, wie die Einheit von Arbeiter*innen und Jugendlichen im gemeinsamen Kampf hergestellt werden kann.
Eine zentrale Aufgabe von Jugend gegen Rassismus muss es deshalb in nächster Zeit sein, die aktuellen Arbeitskämpfe zu unterstützen und gleichzeitig um Solidarität zu werben. Je mehr Arbeiter*innen im Streik den rassistischen Vorurteilen der Bosse misstrauen, desto leichter können sie für den gemeinsamen Kampf gewonnen werden.
So kann auch der Druck auf die nationalbornierten Gewerkschaftsführungen erhöht werden, die nur halbherzig gegen Pegida und Co. kämpfen und ihre strategische Allianz mit der Großen Koalition aufrecht erhalten. Dabei würde die Mobilisierung der breiten Arbeiter*innenmassen einen wirklichen Sprung im antirassistischen Kampf bedeuten. Die aktuellen Tarifrunden zeigen deutlich, dass die wirtschaftliche Stellung der Arbeiter*innen in der kapitalistischen Gesellschaft dazu führt, dass jede Kraftdemonstration enorme Auswirkungen und eine große Reichweite erlangen. Würde es Streiks im öffentlichen Dienst und in der Metallindustrie geben, begleitet von Demonstrationen mit Zehntausenden auf den Straßen, könnte das Establishment die antirassistischen Forderungen nicht mehr so leicht ignorieren.
Jugend gegen Rassismus kann einen Beitrag dazu leisten, die Einheit von Arbeiter*innen und Jugendlichen von unten aus zu organisieren. Denn nur gemeinsam kann der Zeit der Grenzschließungen und Asylrechtsverschärfungen ein Ende gesetzt und volle demokratische und soziale Rechte für Geflüchtete erkämpft werden.