Mit der Bundeswehr an den Strand oder nach Mali

21.10.2017, Lesezeit 6 Min.
Gastbeitrag

Nach der Web-Serie der Bundeswehr „Die Rekruten“ gibt es nun endlich die lang erwartete Fortsetzung. Sie heißt „Mali“ und zeigt das Land aus der Sicht der Bundeswehr. Der Kriegsschauplatz wirkt wie Strandurlaub ohne Meer.

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Bundeswehrler beim Grillen. Bundeswehrler beim Kofferpacken. Es wirkt wie der letzte Abend vor einer ganz gewöhnlichen Reise. Die interviewten Soldaten erzählen davon, dass sie nicht wissen, was sie in Mali erwartet. Ein klein bisschen aufgeregt sind sie.

So beginnt die neue, 6,6 Millionen Euro teure Web-Serie der Bundeswehr. Als Teil einer groß angelegten Imagekampagne, die bereits den Vorgängerproduktion „Die Rekruten“ hervorgebracht hat, soll sie der Öffentlichkeit den Einsatz der deutschen Armee in Mali näherbringen. Seit vergangenem Montag sind die ersten fünf Folgen erschienen. Um zu verstehen, wie sich die Bundeswehr inszenieren will, habe ich mir diese Episoden angesehen. Insgesamt werden es 40 sein.

Dabei gibt sich die Bundeswehr ganz nahbar. Die Kameraführung ist Handyaufnahmen nachgeahmt. Alles ein bisschen wacklig, die Kamera etwas zu tief gehalten. Es sieht ein wenig so aus, wie wenn normale Leute filmen. Alles einfach ganz normal.

Die Serie besteht aus vielen kleinen Interviewschnipseln. Die Soldaten sagen Dinge wie „Mali ist nicht ganz einfach“, „Es ist warm“, „Ich mach‘ jetzt noch ein paar Vorbereitungen für die Reise“, „Wir fliegen dann nach Bamako,“ „Es werden viele Eindrücke sein“ oder „Lust hab ich so oder so auf den Einsatz.“

Später geht es für die Soldaten zum Flughafen. Die Bilder der Fahrt sind Instagram-tauglich. Tatsächlich wirbt die Bundeswehr auch auf Instagram. Dort postet sie nette Bilder mit Kamelen aus Mali.

Im Krieg mit Wetter und Skorpionen

Folge 2: Nach einem Umstieg in Bamako geht es nach Gao. Hier steht das Camp. Es sieht aus wie am Strand. Und es ist heiß. Wie im Urlaub. Nur ist dieser Strand die Sahara und das Meer liegt weit entfernt. Die Szenen sind mit Ethno-Klängen unterlegt.

Bei den Übergängen von Szene zu Szene fliegt Sand von links nach rechts durch das Bild. Das Werbebild zeigt ebenso drei Soldat*innen, die durch Sandkörner dargestellt werden. All das bringt eine exotische Note in die Serie, wirkt zusätzlich auch beklemmend normal.

Aus dem Camp werden nun ein paar wacklige Handyvideos gezeigt. Die Klos sind sauber. Aber wir hören, es ist kein Urlaub und bei der Bundeswehr muss man sich auch mal 30 Stunden die „Kackerei“ verkneifen.

Ich schaue weiter. Folge 3. Der Krieg in Mali wird gegen das heiße Wetter und giftige Skorpione geführt – so zeigt es bisher die Serie. Aber Menschenrechte sind auch irgendwie Teil der Mission. Das wird wenigstens an verschiedenen Stellen der Serie gesagt. Ich überspringe mehrere Szenen – Spannungsbögen sind nicht vorhanden.

Die Bundeswehr erklärt uns den Krieg

Ich muss noch eine halbe Stunde auf die nächste Folge warten. Veröffentlicht wird immer erst um 17 Uhr. Zum Glück gibt es noch ein weiteres Special-Video, begleitend zur Serie. Hier erklärt uns die Bundeswehr, warum es einen Einsatz in Mali gibt. Er ist sehr wichtig. Er ist sehr gefährlich. Die Bilder dazu sehen nicht gefährlich aus, sondern wie eine Spendenkampagne. Dazu laufen schon wieder Ethno-Klänge.

Im Untertitel steht etwas zu Al-Qaida und Mali. Dann zählt der Sprecher soziale und wirtschaftliche Probleme auf. Die Menschen brauchen Perspektiven, so sagt er. Und Sicherheit und Schutz und Menschenrechte und so weiter. Und genau diese deutschen Exportschlager soll die Bundeswehr nun ausliefern. Dazu gibt es Aufnahmen, wie Hubschrauber Sand aufwirbeln. Es wird kurz gesagt, dass jeden Tag Menschen bei Anschlägen sterben. Die Aussage wird danach gleich durch den Begriff „kriminalitätslastig“ abgeschwächt.

Warum führt Deutschland Krieg?

Nach dem Erklär-Video stellt sich die Situation so dar: Deutschland hilft einem armen Land und armen Menschen, ihr Land aufzubauen. Und es ist wichtig, dass Deutschland viel fürs Militär ausgibt, denn diese Hilfe kann nur durch einen starken, militärischen Arm gewährleistet werden.

Dass Kriege nicht für Menschenrechte geführt werden, ist ja nun vielen bekannt. Dass die Serie gerade Mali behandelt, zeigt, welches strategische Interesse der deutsche Imperialismus an der Region hat. Mit ihrem beim G20-Treffen proklamierten „Marshall-Plan für Afrika“ und den zahlreichen Abkommen zur Beschränkung der Migration hat die Bundesregierung klargemacht, was sie möchte: die Verteidigung der Festung Europa nach vorn verlegen und gleichzeitig die wirtschaftlichen Abhängigkeitsbeziehungen vertiefen.

Der Trailer der Serie versprach nicht nur viel Action. Er versprach auch, dass dieser Bundeswehreinsatz mein Leben sicherer macht. Die Werbung der Bundeswehr versichert mir, dass die Nachtwache in Mali auch mich gut schlafen lässt. Ich konnte vorher schon gut schlafen.

Auch wenn die Bundeswehrkampagne uns das Gegenteil beweisen soll, sicherer leben wir nicht mit der deutschen Außenpolitik. Kriegseinsätze und Waffenexporte führen ja vielmehr zu destabilisierten Regionen und spielen reaktionären Kräften vor Ort in die Hände.

Kolonial-Trip durch Mali

Die halbe Stunde ist vorbei. Folge 4 ist da. Zuerst wird uns ein bisschen Zeltlager-Romantik geboten, nur eben mit Waffen. Stolz wird die Munition für die Granat-Maschinen-Waffe präsentiert. Das Publikum darf Kisten voller Munition bestaunen. Die Regie hat wohl erkannt, dass an dieser Stelle romantische Ethno-Klänge unpassend sind. Jetzt ist Wild-West angesagt.

Und es gibt die erste Erkundungstour durch Gao. Ein Soldat sagt: „Es ist faszinierend, wie Menschen in so ’ner Umgebung überleben können.“ Die Bilder aus Mali zeigen nicht viel. Es sind vor allem Menschen, die am Straßenrand stehen. Vermittelt wird der Eindruck eines Abenteuerurlaubs. Den Versuch einer Analyse des Konflikts gab es immer noch nicht. Aber das ist hier egal – Deutschland engagiere sich doch sowieso nur für Menschenrechte.

Werben fürs Sterben

Die ersten fünf Folgen der Bundeswehrserie stellen den Krieg als großes Abenteuer da. Da, wo die Inszenierung nicht passt, soll es entsprechende Musik richten. Das Ausladen des Flugzeugs mit Nachschub wirkt mit der richtigen Musik wie ein aufopferungsvoller Akt tapferer Krieger. Der Krieg, den Deutschland führt, wird als heldenhaftes Abenteuer dargestellt. Immer wieder wird die Temperatur betont, die Hitze wirkt wie die größte Bedrohung.

Deutschland wird in den kommenden Jahren weiter aufrüsten. Serien wie diese, die Auslandseinsätze nett als Engagement bezeichnen, sollen diese Politik normalisieren. Während der letzten Bundeswehrserie, „Die Rekruten“, stieg die Zahl der Bewerbungen bei der Bundeswehr an. Es steht zu befürchten, dass viele Menschen auch diese Fortsetzung sehen werden. Mir jedenfalls haben die ersten fünf Folgen völlig gereicht.

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