„Mit den Mitteln des Klassenkampfes das Selbstbestimmungsrecht verteidigen“ – Katalonien-Veranstaltung an der FU

21.10.2017, Lesezeit 4 Min.
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Gestern kamen rund 20 Studierende an der FU zusammen, um gemeinsam über die aktuelle Situation in Katalonien, die Ursprünge der nationalen Frage im spanischen Staat und die Perspektiven der Unabhängigkeitsbewegung zu diskutieren. 

Seit Wochen hält die angespannte Situation in Katalonien und das brutale Vorgehen der spanischen Regierung gegen die Unabhängigkeitsbewegung Millionen Menschen weltweit in Atem. Am Freitag nahmen rund 20 Studierende der Freien Universität Berlin im Rahmen der Kritischen Orientierungswochen an einem Workshop über die nationale Frage im spanischen Staat und die Perspektiven der Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien teil. 

Hovhannes Gevorkian, Redakteur von Klasse Gegen Klasse und Student an der FU, begann mit einem Referat, in dem er die historischen Wurzeln der nationalen Unterdrückung Kataloniens hervorhob. 1714 wurde es militärisch von der spanischen Krone unterworfen und seitdem kulturell, politisch und sozial unterdrückt. Dagegen wehrten sich die katalanischen Massen immer wieder, so auch in den 30er-Jahren zu Zeiten der zweiten Republik, des Bürger*innenkriegs und der proletarischen Revolution. „Die nationale Frage war integraler Bestandteil der sozialen Revolution und Barcelona das Epizentrum des antifaschistischen Kampfes“, so Gevorkian. 

Nach der Niederlage gegen Franco begann eine Zeit der kompletten Unterdrückung, bis sich diese mit dem Übergang zur bürgerlichen Demokratie lockerte. Doch während sich die katalanische Bourgeoisie in das neue Regime integrierte, litten die Arbeiter*innen in Katalonien – spanische und katalanische – weiter unter dem engen Korsett der spanischen Verfassung, die unter starkem Einfluss derselben Eliten entstand, die schon unter Franco oben standen. 

Mit der Finanzkrise 2007 und der Weigerung aller Madrider Regierungen, auf die Veränderungswünsche der verschiedene katalanischen Regierungen einzugehen, entstand ab 2010 eine Massenbewegung, die das Recht auf Selbstbestimmung forderte. Diese Bewegung ist der bürgerlichen Führung der Regierungskoalition JxSí aus der Hand geglitten, die nur deshalb den Konflikt mit Madrid so weit trieb. 

So kam es dann zu den Ereignissen der vergangenen Wochen und dem Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober, an dem sich mehr als 2,3 Millionen Menschen beteiligten, von denen 90 Prozent für die Unabhängigkeit stimmten. Marta, eine Studentin aus Barcelona, war an diesem Tag in ihrer Heimatstadt und berichtete von ihren Erlebnissen. „Ich habe ab früh morgens mit 200 anderen Menschen vor einem Wahllokal gestanden, um das Recht zu entscheiden zu verteidigen.“ Der Moment, als die spanische Polizei mit Gewalt in das Wahllokal eindrang und die Wahlurnen konfiszierte, füllte sie mit Trauer und Wut. Später am Tag konnte sie jedoch wählen und war voller Stolz, als sie gesehen hat, wie viele Menschen friedlich zusammenkamen und sich organisierten, um das Referendum zu verteidigen.

Im Anschluss folgte eine kontroverse Debatte über die Perspektiven der Unabhängigkeitsbewegung und die Frage, welche Haltung wir in Deutschland einnehmen sollten. Alle Teilnehmer*innen waren sich darin einig, die brutale Polizeigewalt und Aggression der spanischen Regierung zu verurteilen. „Der Weg liegt nicht darin, neue Staaten und neue Grenzen zu errichten, sondern sie abzubauen“, so oder ähnlich klangen die Bedenken einiger. Andere fragten sich, welche Rolle die EU spielen könnte. Die Europäische Union und ihre führenden Köpfe Angela Merkel und Emmanuel Macron stellten sich in den letzten Tagen erneut deutlich hinter den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und die reaktionäre Einheit Spaniens.

„Die katalanische Regierung ist genauso korrupt wie die spanische und will eine weitere bürgerliche Republik als Teil der reaktionären EU. Doch viele Arbeiter*innen und Jugendliche, die sich für die Unabhängigkeit mobilisieren, haben die Hoffnung, dass sich damit auch ihre sozialen Forderungen erfüllen. Es kommt darauf an, das Recht auf Selbstbestimmung mit den Mitteln des Klassenkampfes zu verteidigen und für die politische Unabhängigkeit von der katalanischen Regierung für ein sozialistisches Katalonien zu kämpfen.“

„Wir können nichts von der EU des Kapitals erwarten, die Griechenland ins Elend gestürzt hat. Wir müssen die Unabhängigkeitsbewegung internationalistisch unterstützen, gemeinsam mit den Arbeiter*innen des gesamten spanischen Staats und ganz Europas, um für ein sozialistisches Katalonien in einer freien Föderation sozialistischer iberischer Republiken zu kämpfen“, sagte Gevorkian in einem Diskussionsbeitrag.

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