Mit dem Teufel unter einem Dach – Ausbeutung bei Galeria Kaufhof Karstadt

14.07.2020, Lesezeit 8 Min.
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Am 19.Juni 2020 wurde bekannt gegeben, welche Filialen der Kaufhauskette Galeria Kaufhof Karstadt geschlossen werden sollen. Die öffentlichen Manöver des Chefs und die schäbige Abspeisung der Beschäftigten ist aber nur die Spitze des Eisbergs, die Mitarbeiter werden bis zum Ende ausgebeutet. Der Kollege Daniel Umbscheiden aus Nordrhein-Westfalen berichtet.

Bild: „Kaufhof an der Kö“ by ds1987 is licensed under CC BY-SA 2.

Seit längerem brodelt es um die Kaufhauskette Galeria Kaufhof Karstadt. Von Schließungen war die Rede, und von Personalabbau. Am 19.Juni 2020 war es nun soweit: Es wurde bekannt gegeben, welche Filialen schließen. 62 Häuser sollen per Entscheidung aus Österreich dem Erdboden gleich gemacht werden. Häuser, die zum größten Teil durchgehend schwarze Zahlen schrieben und auch heute noch schreiben würden, wenn man sie nicht bewusst heruntergewirtschaftet hätte.

Es fing damit an, dass nicht die Waren geliefert wurden, die nötig gewesen wären, um Umsätze zu erzielen. Es ging weiter damit, Personalkosten einzusparen, also das Personal zu reduzieren, womit teilweise nur noch ein einziger Verkäufer für eine Fläche von 1200 qm verantwortlich war. Wenn also eine Person krank wurde und eine weitere Freizeit oder Urlaub hatte, stand dort auf 3600 qm ein Verkäufer. War dieser – wenn er es mal konnte – in der Pause, war auf der ganzen Fläche niemand, der den Kunden bei seinem Shoppingerlebnis hätte unterstützen können. Gerade im Haushaltswaren-Bereich war der Personalmangel gravierend. Hier kaufen hauptsächlich Kunden über 60 Jahren ein, die gerne auch mal Bettzeug für 600 Euro, Besteck für 400 oder Töpfe für 800 Euro kaufen. Diese Kunden hatten nun niemanden mehr, der sie bedient und auch niemanden, der ihnen die schweren Sachen hoch an die Kasse bringt – die Kasse im Untergeschoss wurde geschlossen, man hatte sogar am Kassenpersonal gespart .

Das restliche Personal muss also nun Aufgaben übernehmen, die sie vorher nie gemacht haben, und das ohne irgendwelche Einführung oder Unterstützung. Sie werden einfach in fremde Abteilungen versetzt und müssen schauen, wie sie klar kommen. Wenn man alleine auf 3600 qm Fläche ist und mehrere Kunden gleichzeitig hat, haben diese kein Verständnis für das lange Warten und darüber, nichts über die Produkte zu erfahren. Und so ist es keine Seltenheit, dass sie verärgert sind und ihren Frust am Mitarbeiter auslassen.

Aber zurück zu den Schließungen: Nun steht also fest, welche Filialen zu machen und auch das Datum: Frühestens 31.Oktober 2020. Frühstens? Ja richtig frühestens aber wohl nicht letztendlich. Es kann also noch sein, dass Filialen erst am 31. Dezember oder 1. Februar 2021 schließen oder vielleicht noch später? Schließen wirklich alle Häuser? Sehr wahrscheinlich schon, aber erst einmal sind nur die 62 Häuser auf der Liste und die kann sich noch ändern.

Es wird klar mit der Angst der Mitarbeiter hantiert, um sie unter Druck zu setzen. Und auch die Vermieter der Häuser stehen unter Druck, die Mieten zu senken, in der Hoffnung, das würde Geld einsparen, um dann eventuell doch das Haus offen lassen zu können. Das wird aber niemanden retten, denn diese Gelder fließen in die eigenen Taschen der hohen Herren.
Während Réne Benko, der Gründer der Holding-Gesellschaft, der Galeria Kaufhof Karstadt gehört, von anderen Unterstützung verlangt, ist er nicht bereit, den Häusern, die ihm gehören, die Mieten zu erlassen oder zu mindern, wenn sie in Misswirtschaft geraten sind. Statt sie wieder in schwarze Zahlen zu bekommen, lässt er sich weiter Millionenbeträge an Miete zahlen. Er bezieht Miete, will sie aber selbst nicht zahlen .

Es ist auch möglich, dass manche Häuser, die gar nicht geschlossen werden sollen auf die Liste gesetzt wurden, um dort Angst zu schüren. Dann steht Herr Benko wieder gut da, wenn er mitteilen kann, dass das Haus doch nicht zumacht, welches er insgeheim eh auflassen wollte.

Herr Benko hat als Dank an seine langjährigen Mitarbeiter auch eine Transfergesellschaft gegründete, wo er 12 Millionen für seine Mitarbeiter investiert. Danke Herr Benko dafür, aber wo ist der Haken? Denn bei Herrn Benko gibt es immer einen Haken. 12 Millionen aus eigener Tasche für die Gesellschaft, in der die Mitarbeiter 6 Monate lang begleitet werden und unterstützt werden bei Bewerbungsschreiben und Lebenslauf, und die über 45 Jährigen bekommen sogar noch 300 Euro für Umschulungen dazu. Schade für die 43 Jährigen, die leer ausgehen. Man bekommt 6 Monate Unterstützung von einer Gesellschaft, die einem erklärt, wie man eine richtige Bewegung und Lebenslauf schreibt und dann?
Nichts… Man sitzt also die 6 Monate ab und wenn man in den 6 Monaten selbst einen neuen Job gefunden hat, profitiert die Transfergesellschaft sogar noch davon. Wer in diese Transfergesellschaft möchte, muss sich allerdings zwischen dem 10. Juli und dem 17. Juli dafür entscheiden und einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, sonst darf man nicht dort eintreten.
Wieso so früh dafür entscheiden, wenn man noch nicht mal wirklich weiß, was genau passieren wird? Darauf gibt es keine Antwort! Was, wenn man sich dafür entscheidet und das Haus dann doch geöffnet bleibt, aber man ja schon den Aufhebungsvertrag unterschrieben hat? Darauf gibt es keine Antwort. Was, wenn ein anderes Haus bleibt und es eine Umverteilung geben wird? Darf man dann zurück? Darauf gibt es keine Antwort. Es gibt also so viele Unklarheiten und nur mündliche Zusagen und man hat rein gar nichts in der Hand, auch den Sozialplan nicht. Er wurde immer noch nicht unterschrieben, ist also damit auch nicht rechtskräftig.

Die 12 Millionen die Herr Benko gespendet hat, um „Mitarbeiter zu unterstützen“ sind also nichts anderes, als eine Masche, um langjährige Mitarbeiter schnell und ohne Probleme aus den Betrieben zu bekommen. Womit wir den Haken dann auch finden: Die 12 Millionen werden finanziert von den 7.000 Mitarbeitern, die arbeitslos werden. Jeder der nicht in die Gesellschaft geht, investiert automatisch ein Monatsgehalt Abfindung und jeder, der rein geht, die kompletten 2,5 Monate Abfindung. Also muss jeder Mitarbeiter, der arbeitslos wird, ob er will oder nicht, die Transfergesellschaft selbst finanzieren.
Die Transfergesellschaft wird mit ungefähr 24 Millionen gespeist von den eigenen Mitarbeitern und könnte damit ein Jahr finanziert werden, ist aber nur für 6 Monate vorgesehen. Danach fließen die restlichen Gelder zurück an die Galerie Karstadt Kaufhof. Also werden 24 Millionen oder sogar noch viel mehr von den Mitarbeitern selbst mitgebracht und ungefähr 2 Millionen nur in die Mitarbeiter investiert, da jeder Mitarbeiter über 45 Jahre mit 300 Euro für eine Umschulung abgespeist wird.
300 Euro für eine Umschulung? Welche könnte das sein, die nur 300 Euro kostet? Das Arbeitsamt gibt im Schnitt zwischen 3000 und 8000 Euro für eine Umschulung aus, also frage ich mich, was man mit den 300 Euro soll? Die Fahrkarte kaufen? Hinzu kommt, dass die unter 45-Jährigen keine 300 Euro Hilfe bekommen. So spart man nochmal um die 500.000 Euro ein.
Es werden also 12 Millionen gespendet, wovon danach über 12 Millionen wieder heraus genommen werden, durch Eigeninvestition der Mitarbeiter und Herr Benko hat somit noch Gewinn damit gemacht, nicht nur im eigenen Portemonnaie, sondern auch an den Mitarbeitern, die 40 Jahre angestellt waren und selbst einen Aufhebungsvertrag unterschreiben müssen.

Die Mitarbeiter, denen schon im März 15 Prozent Gehalt unterschlagen wurde, ohne etwas darüber zu sagen, zahlen weiter fleißig für die Machenschaften des milliardenschweren Herrn Benko.
Die Transfergesellschaft wurde nur durch Druck der Gewerkschaft, der Bundestarifkommission und des Gesamtbetriebsrates gegründet. Freiwillig hat Herr Benko das nicht gemacht. Die Insolvenz wird benutzt, um die Beschäftigten so billig wie möglich loszuwerden, da im Insolvenzrecht der Tarifvertrag, der mit ver.di abgeschlossen wurde, keine Gültigkeit hat.In eben diesem Tarifvertrag haben die Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof sich eine Standort- und Beschäftigungs-Garantie mit dem Verzicht auf das Urlaubsgeld und Anteilen des Lohns erst 2019 erkauft.
Dieser wird nun durch die Insolvenz ausgehebelt, da das Insolvenzrecht das vorrangige Recht ist, und die Mitarbeiter nun eine verkürzte Kündigungsfrist von maximal 3 Monaten haben, und Galeria Karstadt Kaufhof den Mitarbeitern maximal 2,5 Monatsgehälter (gedeckelt auf 7.500€) zahlen muss.

Die restlichen Mitarbeiter kämpfen nun Tag für Tag mit der Ungewissheit, wie es weiter geht und wann es darüber endlich mal Klarheit geben wird, und haben jeden Tag Angst vor den nächsten schlechten Neuigkeiten. Trotzdem stehen sie weiterhin Tag für Tag wieder auf der Fläche und sind für Ihre Kunden da. Sie kämpfen bis zum Schluss und werden nie aufgeben.

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