Miete deckeln, Müller rauswerfen, Konzerne enteignen!

02.10.2019, Lesezeit 6 Min.
1
Demonstrators walk through the Karl-Marx-Allee street as they protest against gentrification and rising rents on April 6, 2019 in Berlin. - Tens of thousands of people were poised to join marches against "rental insanity" (Mietwahnsinn) in cities like Berlin, Munich, Cologne and Frankfurt am Main. A wave of gentrification and rising rents is provoking rising anger and leading some to even ponder radical solutions like expropriating housing from institutional landlords. (Photo by Odd ANDERSEN / AFP)

Der Kampf um die Miete geht in Berlin in die heiße Phase: SPD, Grüne und Immobilienwirtschaft wollen den Mietendeckel durchlöchern – auf der Straße muss verhindert werden, dass die Linkspartei dem Druck noch weiter nachgibt als ohnehin schon. Am Donnerstag findet eine Großdemonstration unter dem Motto "Richtig deckeln, dann enteignen. Rote Karte für Spekulation!" statt.

Am Donnerstag rufen über 50 Organisationen zu einer erneuten Großdemonstration zur Mietenfrage auf: Unter dem Motto „Richtig deckeln, dann enteignen. Rote Karte für Spekulation!“ wird am 3. Oktober ab 13 Uhr (Startpunkt am Haus des Lehrers, Alexanderplatz) demonstriert.

Die Demo kommt zur richtigen Zeit: Unter dem Druck der wachsenden Mieter*innenbewegung in Berlin, die im April 40.000 Menschen auf die Straße brachte und im Juni 77.000 Unterschriften für die Enteignung von Immobilienkonzernen einreichte, musste der Berliner Senat am 18. Juni ein Eckpunktepapier vorstellen, das u.a. einen Mietenstopp für die nächsten fünf Jahre und Mietobergrenzen vorsieht. Am 15. Oktober soll nun aller Voraussicht nach ein konkreter Gesetzentwurf im Senat beschlossen werden. Doch der relativ weitreichende erste Referent*innenentwurf, der im August zwischenzeitlich geleakt wurde, wurde sehr schnell Opfer des Klassenkampfes von oben.

Innerhalb kürzester Zeit wurde der Entwurf aus dem Hause von Kathrin Lompscher (Linkspartei) nach heftigstem Beschuss von Immobilienlobby, bürgerlicher Presse, aber vor allem auch den Koalitionsparteien SPD und Grüne um wesentliche Punkte abgeschwächt.

Am Montag verschärfte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) – der beste Freund der Berliner Immobilienlobby – erneut den Ton: Bei einem Treffen mit dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), dem Spitzenverband der deutschen Immobilienkonzerne, sagte er, er gehe davon aus, dass „die gesamten Vorhaben zur Absenkung der Mieten aus dem Gesetz herausgenommen werden“.

Im Klartext: Müller trifft sich mit seinen Miethaien-Freunden und versichert ihnen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen. Warum? Weil die SPD auf ihrer Seite steht – und weil Müller davon ausgeht, dass die Linkspartei unter dem Druck der Senatskanzlei zusammenbrechen wird.

Dagegen müssen Mieter*innen-Verbände und -Initiativen, soziale und linke Organisationen, aber vor allem auch die Gewerkschaften aufstehen und sagen: Wenn Müller die Miete nicht senken will, dann versenken wir eben ihn! Ein ums andere Mal hat Müller bewiesen, auf wessen Seite er steht. Am 3. Oktober muss es durch Berlin schallen: Müller muss zurücktreten!

Doch die Demo muss auch Druck gegenüber der Linkspartei machen. Lompschers Senatsverwaltung hat die urspünglichen Vorschläge nach dem öffentlichen Druck selbst schon massiv abgeschwächt: Der öffentlich präsentierte Entwurf sah unter anderem höhere Mietobergrenzen, die Möglichkeit von weiteren Mietsteigerungen (statt eines generellen Verbots von Mietsteigerungen für fünf Jahre), eine für Mieter*innen ungünstigere Berechnungsgrundlage und höhere Modernisierungsvorschläge vor. Vor allem aber weichte Lompscher den Vorschlag für einen allgemeinen Anspruch auf Mietsenkung, der bis zu 80 Prozent der Berliner Bevölkerung genützt hätte, zu einem individuellen Anspruch für diejenigen auf, die drei Kriterien gleichzeitig erfüllen: Die Nettokaltmiete muss die Obergrenze überschreiten, sie müssen mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens dafür aufwenden, und die Wohnung muss eine „angemessene“ Größe haben. Wenn nur eins der Merkmale nicht zutrifft – zum Beispiel, wenn Menschen schon heute 40 oder 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben, aber die Miete die Obergrenze nicht überschreitet –, haben sie keinen Anspruch auf Mietsenkung. Damit würde laut Expert*innen die Zahl der Berechtigten auf gerade einmal 10 Prozent der Bevölkerung sinken.

Die Gefahr, dass die Linkspartei unter dem Druck Müllers und der Immobilienhaie noch weiter zurückrudert und den Mietsenkungsanspruch ganz streicht (und noch weitere Zugeständnisse macht, bei den Obergrenzen oder ähnlichem), ist real. Es ist zu begrüßen, dass Bezirksverbände wie die Neuköllner Linkspartei sich dem entgegenstellen – aber für die Berliner Linkspartei als Ganze steht erneut, wie schon so oft, die Frage im Raum: die Interessen von Arbeiter*innen und verarmenden Massen verteidigen, oder den Koalitionsfrieden bewahren? Wenn ein tatsächlicher Mietendeckel, inklusive realen Möglichkeiten zur weitreichenden Mietsenkung für die große Mehrheit der Bevölkerung, wie ihn der ursprüngliche Entwurf durchaus vorsah, nicht kommt – dann muss die Linkspartei endlich die Konsequenzen ziehen und die Regierung platzen lassen. Tut sie das nicht, hat auch sie erneut bewiesen, auf wessen Seite sie tatsächlich steht.

Politisch streiken, entschädigungslos enteignen!

Aber auch im Falle eines weitreichenden Mietendeckels steht die Mieter*innenbewegung weiterhin vor einer Mammutaufgabe: Um den Boom der Immobilienprofite in Berlin zu stoppen, braucht es eine echte Enteignung der Immobilienkonzerne. Die Demo am 3. Oktober will auch dafür ein Zeichen setzen. Wenn sie massiv wird, gibt sie ein großes Signal, dass wir uns den Klassenkampf von oben nicht gefallen lassen werden.

Damit es jedoch nicht bei Signalen bleibt, müssen wir uns alle Kampfmittel zu eigen machen, die zur Durchsetzung unserer Forderungen notwendig sind. Wir müssen uns in allen Nachbarschaften, in allen Betrieben, Schulen und Unis organisieren, um Mieter*innenkomitees zu bilden und um die Mietenfrage mit anderen sozialen Fragen zu verbinden. Und vor allem müssen die Gewerkschaften sich den Mietenkampf zu eigen machen – der auf das Engste mit der elementarsten Forderung der Arbeiter*innenbewegung nach einem Lohn, der zum Leben reicht, verbunden ist – und Mietendeckel und Enteignung mit politischen Streiks durchsetzen.

Vor kurzem erst wurde beim ver.di-Bundeskongress erneut ein Appell für den politischen Streik laut. Doch der politische Streik wird nicht durch Bitten und Hoffen Realität, sondern nur dadurch, dass die Basis der Gewerkschaften ihn anhand von konkreten Forderungen organisiert und gegen die Gewerkschaftsführung durchsetzt: mit Versammlungen in den Betrieben, mit Protesten vor den Gewerkschaftszentralen und ähnlichem.

Besonders zentral wird diese Perspektive angesichts der großen Aufgaben, die in der Mietenfrage weiterhin ungelöst sind: Die Enteignung der großen Immobilienkonzerne darf kein Rückkauf sein, der erneut Milliarden in die Taschen der Miethaie spülen würde. Sie gehören entschädigungslos enteignet, denn sie haben uns schon viel zu lange bis aufs Mark ausgepresst. Und das kann nur eine wirkliche Massenbewegung mit Basis in den Betrieben erreichen. Gleiches gilt für ein massives Programm des sozialen Wohnungsbaus unter demokratischer Kontrolle und die Verwaltung des gesamten Wohnraums durch Komitees von Mieter*innen, Vertreter*innen von Gewerkschaften und Nachbarschaftsinitiativen und weitere wichtigere Bestandteile eines wirklich radikalen Programs zur Lösung der Wohnungsnot.

Mehr zum Thema