Mieser Bürgergeld-Deal: Ist nur die Union schuld?
Das Bürgergeld kommt, aber Hartz IV bleibt – Sanktionen inklusive. Von der großspurig verkündeten Sozialreform der Ampel ist nichts mehr übrig.
„Wir wollen ja jetzt eine ganz große Sozialreform beschließen, die dann jahrzehntelang in Deutschland die Art und Weise der Förderung von Arbeitssuchenden beschreibt“. So sprach Ampelkanzler Olaf Scholz (SPD) noch am Dienstag auf einem Wirtschaftsgipfel über die Hartz-IV-Reform. Inzwischen wurde der Kompromiss bekannt, den die Regierungsparteien mit der Union ausgehandelt haben. Die hatte die Einführung des Bürgergelds im Bundesrat bisher blockiert. Eine „ganz große Sozialreform“ war das Bürgergeld auch vor dem Kompromiss nie gewesen. Nun ist klar: Auch die letzten Reste des Reförmchens sind verschwunden.
So hatte die Ampel ursprünglich geplant, wenigstens in den ersten sechs Monaten des Leistungsbezugs weitgehend auf Sanktionen zu verzichten. Diese kleine Erleichterung ist dem Kompromiss ebenso zum Opfer gefallen wie das Schonvermögen von 60.000 Euro. Dieses soll nun nur noch bei 40.000 Euro liegen. Auch die Karenzzeit, in der dieses Vermögen nicht angetastet wird, schmilzt von zwei auf nur noch ein Jahr zusammen. Nur der Regelsatz wird um rund 50 Euro auf 502 Euro steigen. Angesichts noch immer immenser Preissteigerungen, die Menschen mit geringen Einkommen überproportional betreffen, ist auch diese Erhöhung ein Hohn. Dafür hätte es ohnehin keine Umbenennung gebraucht, genauso gut hätte man den Hartz-IV-Satz anheben können.
Damit hat sich die Union um Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) mit ihren Forderungen weitgehend durchgesetzt. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge nannte den Kompromiss treffend „eine Reformruine, die Betroffene ‚Bürgerhartz‘ nennen“. Wochenlang hatte die Union gemeinsam mit der AfD und den Publikationen der Springerpresse eine erbarmungslose Hetzkampagne gegen Erwerbslose betrieben. Dass diese Stimmungsmache heute so effektiv war, dafür sind auch SPD und Grüne selbst verantwortlich. Schon die Einführung von Hartz IV unter Rot-Grün war damals von einer noch schärferen Stimmungsmache gegen Erwerbslose geprägt. „Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft“. So setzte der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder 2001 den Ton in der Debatte.
Sein Nachfolger tönte in der Generaldebatte im Bundestag am heutigen Mittwoch nun: „Ich bin froh, dass wir hierzu eine einvernehmliche Lösung gefunden haben – eine gute übrigens.“ Grund für diese Selbstzufriedenheit gibt es keinen. Ebenso falsch ist aber die Vorstellung, die Unionsparteien seien allein dafür verantwortlich, dass die Reform auch ihre letzten positiven Seiten eingebüßt hat. Auch der FDP kam die Kritik der Union gelegen und positionierte sich wieder einmal als Opposition in der Regierung. Doch auch der Wille der Kanzlerpartei SPD, eine echte Verbesserung im Leben von Erwerbslosen zu bewirken, war gering. „Die Koalition war sehr schnell und – zu meiner Überraschung – sehr weitgehend bereit, hier Kompromisse zu machen“, sagte Merz zu den Verhandlungen.
Auch die Grünen haben keinen Grund, die Schuld für die misslungene Reform allein der Union in die Schuhe zu schieben. Zwar fand die Abstimmung über die ursprüngliche Fassung des Bürgergeldgesetzes im Bundesrat nicht öffentlich statt. Verschiedenen Medienberichten zufolge unterstützten jedoch unter anderem die Länder Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein die Bürgergeldreform nicht – in allen vier Ländern sind die Grünen an der Regierung beteiligt.
Am heutigen Abend wird sich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat auf den bereits formulierten Kompromiss einigen. Am Freitag soll das Gesetz dann verabschiedet werden, damit es zum 1. Januar kommenden Jahres in Kraft treten kann. Die Ampelparteien werden sich dafür weiterhin auf die Schultern klopfen. Grund dazu haben sie nicht.