Metallrunde: 24-Stunden Streiks jetzt! Erzwingungs­streik vorbereiten!

08.11.2022, Lesezeit 10 Min.
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Foto: Maxi Schulz

Die Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie ist in vollem Gange. Doch für erfolgreiche Abschlüsse müssen bereits jetzt Erzwingungsstreiks vorbereitet werden.

IG Metall will keine weitere Nullrunde

Die Tarifrunde in der Metall- und Elektro-Industrie ist in vollem Gange. Seit knapp zwei Wochen finden täglich an unterschiedlichen Orten in der Bundesrepublik Warnstreiks der IG Metall statt. Dabei treten je nach Betrieb einige hundert Beschäftigte für ein bis zwei Stunden in den Ausstand und bekräftigen so ihre Forderungen. Laut IG Metall beteiligten sich über 300.000 Beschäftigte an den Streiks. Anlass gab das miserable Angebot der Gegenseite: Eine Einmalzahlung von 3000 Euro bei einer Laufzeit von 30 Monaten, ohne Zusage irgendeiner dauerhaften Erhöhung des Tariflohns.

Die IG Metall bezeichnet dieses unverschämte Angebot als „nicht nachhaltig“. Angesichts der Inflation von aktuell rund 10 Prozent wären die 100 Euro pro Monat, auf die eine Einmalzahlung von 3000 € auf 30 Monate hinausläuft, für die meisten Kolleg:innen weniger als ein Inflationsausgleich. Vor allem wären sie aber am Ende der Laufzeit aufgebraucht und der Lohn befände sich wieder auf dem Niveau vor der Tarifrunde – während die Inflation weiter voranschreitet.

Die im Juni aufgestellte Forderung der IG Metall, auf die die Arbeitgeber:innen antworteten, liegt bei 8 Prozent Lohnerhöhung bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Das ist im Vergleich zu früheren Metallrunden hoch, entsprach aber selbst zum Zeitpunkt der Forderungsübergabe nur knapp einem Inflationsausgleich und keiner Reallohnerhöhung. Dass nun Monate später und nach zahlreichen Verhandlungen am 28. Oktober ein „Angebot“ ohne prozentuale Erhöhung vorgelegt wurde, empört berechtigterweise viele Kolleg:innen.

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Die letzten Wochen waren wir bereits mit kleineren Solidaritätsdelegationen auf IGM Warnstreiks in Berlin und München. Marcos Rede in München habt ihr grade gesehen, mehr Eindrücke davon gibt es unter dem Artikel.

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Was erwarten wir für die aktuelle Verhandlungsrunde? 24-Stunden-Streiks jetzt!

Am Dienstag, den 8. November, begann die vierte Verhandlungsrunde mit Sitzungen in Baden-Württemberg und Bayern. Es sind die ersten offiziellen Verhandlungen seit Beginn der Warnstreiks am 28. Oktober. Mit einer Einigung ist angesichts der weit auseinander klaffenden Vorschläge nicht zu rechnen. Weitere Warnstreikaktionen sind bereits für die laufende Woche und teils darüber hinaus angekündigt. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung finden bereits Vorbereitungen für 24-stündige Streiks statt. Wenn tatsächlich hunderttausende Arbeiter:innen für 24 Stunden die Arbeit in einer der wichtigsten Industrien des Landes niederlegen, entstehen für die Bosse Milliardenschäden. Es wäre ein starkes Signal der Arbeiter:innen im Kampf gegen die Krise und die Inflation.

Denn aktuell wäre eine Einigung mit dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall wohl nur auf geringem Niveau denkbar. Die bisherigen Warnstreiks zeigen zwar das Potenzial der Gewerkschaft, echter wirtschaftlicher Druck wird aber erst mit ganz- und mehrtägigen Streiks aufgebaut. Und ein Abschluss ohne deutliche prozentuale Lohnerhöhung wäre angesichts der Sorge über die allgemeine Teuerung und die Energiepreise im Besonderen ein Schlag ins Gesicht der vier Millionen Beschäftigten der Branche. Deshalb dürfen 24-Stunden-Warnstreiks auch nicht das Ende der Fahnenstange sein, sondern müssen der Auftakt zu unbefristeten Erzwingungsstreiks sein, bis alle Forderungen erkämpft wurden.

Wie kann ein schlechter Abschluss verhindert werden?

Viele Beschäftigte sind sich der üblichen Routinen der Tarifrunden bewusst. Sie wissen, dass die initiale Forderung selten voll durchgesetzt wird. Doch angesichts der veränderten Lage wäre es fahrlässig, sich auf bekannte Muster zu beschränken. Die Forderung nach 8 Prozent auf 12 Monate ist eigentlich noch zu wenig – also ist es umso wichtiger, sie konsequent durchzusetzen.

Die Laufzeit ist dabei eine der wichtigsten Stellschrauben, die häufig zur Verschlechterung der Ergebnisse beiträgt. Arbeitgeberverbände wünschen sich eine lange Laufzeit, um über mehrere Jahre Ruhe zu haben, um jedwede finanziellen Zugeständnisse möglichst lang hinauszuzögern. Dagegen sollten sich die Beschäftigten nicht auf eine Laufzeit von mehr als 12 Monaten einlassen. Es ist schließlich kaum absehbar, wie sich die wirtschaftliche Lage und die Inflation noch entwickeln werden.

Eine längere Laufzeit wäre, wenn überhaupt, nur akzeptabel, wenn es im Gegenzug einen automatischen Inflationsausgleich ab dem 13. Monat gäbe. Oder eine Regelung, wie sie diesen Sommer mit den Streiks an den Nordsee-Häfen erkämpft wurde: Sobald die Inflation über ein gewisses Maß steigt, gibt es ein Sonderkündigungsrecht und es kann erneut verhandelt und gestreikt werden.

Leider wurden in den vergangenen Wochen bereits negative Präzedenzfälle für Tarifabschlüsse in vergleichbaren Bereichen geschaffen: Die IGBCE verhandelte für Chemiebetriebe, unter anderem im Bayer Konzern, welcher im Q2 2022 eine Gewinnsteigerung von 2,5 Mrd. Euro erzielte, ein Ergebnis, das durch das Zusammenzählen von Einmalzahlung und einer geringen prozentualen Erhöhung schöngerechnet wurde, um „im Schnitt 12,94 Prozent mehr“ verkünden zu können. Auch dort wurden 3000 Euro angeboten und letztlich auf fast zwei Jahre gestreckt. Die tabellenwirksame Lohnerhöhung beträgt bei genauerem Hinsehen nur 3,25 Prozent pro Jahr.

In Österreich wurde vergangene Woche sogar ein Ergebnis ohne einen einzigen Warnstreik durchgedrückt – obwohl die Kolleg:innen dort starke Kampfbereitschaft gezeigt hatten. Während eine Erhöhung „von bis zu 8,9 Prozent“ verkündet wurde, trifft das nur auf die untersten Gehaltsgruppen zu. Tatsächlich liegt die prozentuale Erhöhung im Schnitt eher bei 7,5 Prozent und damit deutlich unter der aktuellen Inflationsrate.

Es ist klar, dass für ein gutes Ergebnis in der deutschen Metallbranche Warnstreiks nicht ausreichen werden. Dementsprechend sollte die IG-Metall-Führung die nächsten Schritte nicht verzögern: Es braucht zügig ganztägige Streiks, über Betriebsgrenzen hinweg. Um das zu garantieren, müssen sich die Arbeiter:innen an der Basis in den Betriebs- und Gewerkschaftsgruppen organisieren und durchsetzen, dass kein Abschluss ohne ihre Zustimmung verhandelt wird.

Außerdem müssen Vorbereitungen für die Urabstimmung und einen Vollstreik getroffen werden. Der Schwung der ersten Streikwochen sollte nicht durch ein Abwarten auf weitere schlechte Angebote aufs Spiel gesetzt werden.

80.000 Euro pro Person oder Nullrunde?

Die miserablen Angebote in der Metallrunde stehen den enorm gestiegenen Gewinnen der Unternehmen gegenüber. So verzeichnen die DAX-Konzerne im ersten Quartal dieses Jahres einen Gewinnzuwachs von 21 Prozent und ein Umsatzplus von 14 Prozent auf ein historisches Rekordniveau. Ein besonders drastisches Beispiel: Der VW-Konzern, welcher nach Haustarifvertrag bezahlt, schüttete jüngst 9,5 Milliarden Euro Sonderdividende für den Börsengang der Tochter Porsche aus. Würde das Geld stattdessen an die Mitarbeiter:innen fließen, beliefe sich die Summe rund 80.000 Euro pro Person. In dieser Situation eine Nullrunde hinzunehmen, wäre für die Beschäftigten völlig absurd.

Für die Gewerkschaftsbürokratie wäre dies freilich nichts völlig Überraschendes. Die Erhöhungen des Tarifs für die Metall- und Elektroindustrie lagen bereits in den vergangenen Jahren, welche von niedriger Inflation geprägt waren, leicht unter der Inflationsrate. Gerade seit Beginn der Coronapandemie gab es keine tabellenwirksamen Erhöhungen des Lohns, lediglich eine Erhöhung von „Transformationszahlungen“ und Vereinbarungen zu Einmalzahlungen. Vor der sich zuspitzenden Inflation, der bevorstehenden Rezession und den Rekorden bei den Profiten, müssen weitere Angriffe wie eine Nullrunde unbedingt abgewehrt werden – selbst wenn sie mit einer Einmalzahlung beschönigt werden sollen.

Auch angesichts der massiven Mobilisierungen von Rechts in den neuen Bundesländern muss eine Tarifbewegung die Angleichung der Löhne im Osten mit aufgreifen. Mit sehr gutem Beispiel gehen dabei die Kolleg:innen des Nudelproduzenten Riesa voran. Ihr Kampf, welcher mit dem Protest vor dem Bundestag am 9. November, auch die unsoziale Politik der Regierung herausfordert, zeigt einen Weg, den Frust der Arbeiter:innen im Osten nicht zum Nährboden für rassistische Demagogie werden zu lassen.

Wie können wir als Beschäftigte Einfluss auf die Tarifrunden nehmen?
Für den erfolgreichen Abschluss der Tarifrunden braucht es eine anti-bürokratische Organisierung an der Basis, damit der traditionelle Tarifkampf nicht nur ein wenig radikaler als sonst aussieht, dann aber doch ein unbefriedigendes Ergebnis erzielt.

Versammlungen in Betriebsgruppen und Streikversammlungen können demokratisch Absprachen über z.B. die Forderungshöhe treffen und diese in die Hände der Beschäftigten und nicht einer demokratisch ungebundenen Tarifkommission legen. Auch kann dort die Weiterführung des Streiks, weg von kurzen Warnstreiks hin zur vollen Entfesselung ihrer Kraft im Vollstreik, koordiniert werden. Genauso kann das Ende der Streiks demokratisch nur als Urabstimmungen in den Streikversammlungen entschieden werden.

Zuletzt ist es notwendig, auch einen Blick über den eigenen Sektor hinaus zu werden. So beginnen die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes im Januar 2023 ihren Tarifkampf. An ihrer Arbeit hängen zwar nicht die Profite Deutschlands wichtigster Großkonzerne, dafür aber unsere Versorgung, beispielsweise in Krankenhäusern oder über Stadtwerke. In gemeinsamen Diskussionen, Veranstaltungen und Versammlungen kann man die Kampfkraft aufbauen, welche es braucht, um die Krise abzuwenden.

Solidarität mit den Streiks der Metall- und Elektroindustrie!

In den vergangenen Tagen und Wochen waren wir mit Klasse Gegen Klasse an Streikstandorten in verschiedenen Städten, um unsere Solidarität mit den Streikenden zu bekunden und darüber zu diskutieren, wie die Streiks gewonnen werden können.

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