Merkelismus 2.0? Annegret Kramp-Karrenbauer wird neue CDU-Vorsitzende
Die Favoritin Merkels, CDU-Generalsekretärin „AKK“ setzt sich in der Stichwahl gegen den Ex-Investmentbanker Friedrich Merz mit 517 zu 482 Stimmen durch. In der ersten Runde hatte Gesundheitsminister Jens Spahn 157 Stimmen erhalten. Die Mehrheit seiner Unterstützer*innen stimmten nach seinem Ausscheiden für Merz, konnten sich jedoch nicht durchsetzen.
Nach Merkels Ansage im Oktober, dass sie nicht ein weiteres Mal für den Parteivorsitz kandidieren würde, öffnete sich die Debatte um ihre Nachfolge. Im Moment der Schwäche der Kanzlerin erstand der politisch für tot gehaltene Ex-Fraktionschef Merz aus dem Reich der Politiktoten auf und sorgte für Aufregung.
Alles so weiter wie vorher?
Obwohl AKK die Wunschnachfolgerin Merkels ist, bedeutet dies keineswegs, dass in der CDU alles beim Alten bleiben wird. Die Saarländerin gilt wie ihre Vorgängerin als Teil des gemäßigten Flügels der Partei, im Gegensatz zu Merz und Spahn, die eher den konservativen und wirtschaftliberalen Teil repräsentieren. Jedoch gilt sie selbst auch als etwas rechter als Merkel, wie beispielsweise ihre Aussage für mehr Härte gegen „kriminelle Asylbewerber“ zeigt.
Für die Kanzlerin bedeutet der heutige Tag jedoch eine Verschnaufspause. Eine Kooperation zwischen Kanzleramt und Parteivorsitz ist mit AKK wohl am Besten möglich und kann die Regierungskrise wohl mehr lindern oder aufschieben, als es eine Wahl Merz‘ getan hätte.
Abseits von individuellen Aussagen ist die Frage der Zukunft der CDU jedoch eher, welche Schritte die Partei des Großkapitals unternehmen muss, um den Konzernen weiterhin die großzügigen Gewinne zu ermöglichen, die sie unter Merkel erzielen konnten. Die Krise der Union ist deswegen keineswegs vorbei, sondern höchstens aufgeschoben worden.
Eine klare Grenze, die selbst Merkel zum Rücktritt brachte, war, dass der „Wir-schaffen-das-Kurs“, den die Kanzlerin seit 13 Jahren verfolgt, nun sein Ende findet. Die Weltfinanz- und die Eurokrise konnte Deutschland durch die Plünderung Griechenlands und Südeuropas relativ ruhig überstehen. Große Vorarbeit leistete die Schröder-Regierung, die mit der Agenda 2010 die Grundlage für die Schaffung von Lohndumping und Prekarisierung schaffte.
Doch wie wir bereits vorher behauptet haben, kann das deutsche Kapital diesen Kurs nicht mehr ungehindert fortfahren. Objektive Hindernisse hierfür sind die geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China, sowie die krankhafte und unvollständige Überwindung der Krise von 2008. In den letzten Jahren hat dies zu den Geburten der Phänomene von Trump, Bolsonaro und ähnlichen Gestalten geführt, die zeigen, dass die friedliche Koexistenz der großen Mächte auf Dauer nicht mehr möglich sein wird.
Der deutsche Imperialismus steht somit vor der Frage, wer ihn politisch repräsentieren und einen Ausweg finden soll. Dies wird jedoch nicht nur bedeuten, nach außen eine hegemoniale Politik zu führen, mit der die BRD Europa unter ihren Fittichen wahren kann, wie es die Versuche, eine EU-Armee aufzubauen, zeigen.
Zentral wird auch sein, den deutschen Staat in der Innenpolitik für Momente stärkerer Klassenkampfsituationen aufzurüsten. Wie die Bewegung der Gelben Westen in Frankreich beweist, tragen die Massen die zunehmende Verarmung und Prekarisierung, die das Kapital für die Konkurrenzfähigkeit durchsetzen muss, nur begrenzt mit.
Das gute Wahlergebnis Merz‘, der mit nur 35 Stimmen seiner Konkurrentin unterlag, beweisen, dass ein großer Teil der CDU einen Kurswechsel hin zu offensiverer Politik für notwendig hält. Interessant ist hierbei, dass die erste Kampfabstimmung seit Jahrzehnten die Elemente der Instabilität im deutschen Regime zum Ausdruck bringt. Die Gefahr eines stärkeren Rechtsrucks ist keinesweg durch die Wahl AKKs gebannt, die auch nur eine Politikerin ihrer Klasse ist und das Nötige tun wird, um die Gewinne dieser zu retten. Als Vorsitzende (und vielleicht gewünschte Nachfolgerin zur Kanzlerschaft?) wird Kramp-Karrenbauer sich selbst an die Spitze der vom Kapital gewünschten Kürzungen setzen, wenn sie nicht rechts überholt werden will.