Meine Arbeit macht mich krank

23.01.2018, Lesezeit 4 Min.
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Arbeit im Kapitalismus macht krank, besonders wenn sie unter prekären Bedingungen stattfindet. In einem Erfahrungsbericht erzählt unsere Autorin darüber, wie sie das an ihrem eigenen Leib erfährt: Sie muss sich vor Stress übergeben, hat Kopfschmerzen, kann nicht mehr ausschalten. Eine Situation, wie sie Unzählige täglich erleben müssen.

“Meine Arbeit macht mich krank” – ich konnte gar nicht aufhören, das zu denken, als ich letztens in meinem Bett lag, neben mir ein Eimer, in den ich mich gerade übergeben hatte. Nicht weil ich einen Virus hatte, oder zu viel getrunken. Sondern weil ich vor Stress bei der Arbeit mein Abendessen nicht bei mir behalten konnte. An Schlafen war eh seit Tagen nicht mehr so richtig zu denken.

Arbeit im Kapitalismus macht krank – eigentlich wusste ich das immer. Der Arbeitsprozess unterwirft den Körper und schert sich nicht darum, wie es den Menschen geht, wenn am Ende Profit für die Kapitalist*innen heraus kommt. Arbeit führt zu Rückenschmerzen, Hüftproblemen und Abnutzung des Körpers. Die kapitalistische Arbeitsorganisation fügt unseren Körpern Gewalt zu. Und auch die Arbeit, die keine körperlichen Belastungen mit sich bringt, macht krank. Sie führt zu Burnout, Depressionen und psychosomatischen Beschwerden. Und so habe ich ständig Bauchschmerzen und Migräne, weil der Stress so hoch ist – es ist noch einmal etwas anderes, das am eigenen Körper zu spüren.

Woher kommt der Stress? Er ist da, weil ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin natürlich nur einen befristeten Vertrag habe. Weil ich für die Projekte, für die ich verantwortlich bin, einfach nicht krank werden darf, denn es gibt niemanden, der oder die mich vertreten könnte – Krankheit ist im Ablauf einfach nicht vorgesehen, weil es die öffentliche Hand zu viel kosten würde.

Ebenso wenig vorgesehen ist es, Fehler zu machen oder etwas nicht zu wissen. Dabei soll ich mich natürlich zu 100 Prozent mit dem Projekt identifizieren und mir diesen Stress machen wollen – weil ich es so verinnerlicht haben muss, alles perfekt zu machen. Was Perfektion ist und was die richtige Entscheidung, die ich eigenverantwortliche zu treffen habe, das bestimme natürlich nicht ich, sondern andere – aber ich muss gut genug ihre Gedanken lesen können, um diesen nicht ausgesprochenen Erwartungen zu entsprechen. Und natürlich auch mit Überstunden sicherstellen, dass das alles richtig läuft.

Und ich bin nicht alleine mit diesem Problem. Eine Studie der GEW hat letztens herausgefunden, dass die zentralen Gesundheitsprobleme für den akademischen Mittelbau die befristeten Arbeitsverhältnisse und die Anforderungen der Arbeit sind, die mit Mehrabeit kompensiert werden. Und wenn ich mir meine Kolleg*innen so anschaue, dann passt das ganz gut.

Teil des Problems ist natürlich, dass ich selber solche Ansprüche an mich stelle. Aber das kommt ja nicht von ungefähr, sondern ist das Ergebnis einer neoliberalen Ideologie der Leistung und Selbstverantwortung, der ich gnadenlos ausgesetzt war und die es schafft, dass die Zwänge des Kapitalismus sich in mir verinnerlicht haben. Es ist ein Lernprozess, sich von diesen Erwartungen und Zwängen zu distanzieren. Und der Druck, sich diese Anforderungen zu eigen zu machen, ist ja ständig da. Individuell kann ihm niemand so richtig entkommen.

Deshalb ist es umso wichtiger, sich darüber auszutauschen, sich zu organisieren, sich die Zwänge und den Druck gemeinsam bewusst zu machen, darüber zu reden und sich dagegen zu organisieren. Erfahrungen, wie sie die studentischen Kolleg*innen, die in Berlin für einen neuen Tarifvertrag streiken, gerade machen, sind dabei zentral. Gegen die Prekarisierung mit ihrem Effekt auf unsere Körper können wir gemeinsam etwas entgegensetzen. Dann ist der Körper nichts mehr, das täglich gezwungen werden muss, zu funktionieren, sondern wird zu einem Mittel in unserem Kampf.

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