Mehr Mitsprache für Beschäftigte in Kitas – für einen wirksamen und praxisnahen Gesundheitsschutz!

27.02.2021, Lesezeit 6 Min.
Gastbeitrag

Nach monatelangem Ringen werden nun, nach einem Jahr Pandemie, auch Kitas und Tagespflegestellen bei finanziell aufwendigeren Schutzmaßnahmen von der Regierung mitgedacht. FFP2-Masken und bald auch flächendeckende Schnelltests sollen zur Verfügung gestellt werden. Doch reichen diese Maßnahmen alleine aus und wie praxistauglich sind sie?

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Foto: Trendsetter Images /Shutterstock.com

Seit Beginn der Pandemie besteht Einigkeit darüber, dass das Tragen einer Maske in der Betreuung und Bildung von jungen Kindern nicht realisierbar ist. Besonders der sensible Beziehungsaufbau und die nonverbale Kommunikation mit den Kleinsten erfordert die Sichtbarkeit der Mimik. Die Masken sind für Gespräche zwischen Erwachsenen oder mit älteren Kindern vorgesehen, welche aber nur einen Bruchteil der eigentlichen Arbeit von pädagogischen Fachkräften im Regelbereich, besonders in Kinderkrippen, ausmachen. Also besteht weiterhin kein Schutz zum größten Teil ihrer Arbeitszeit – Kinder werden in den Arm genommen, wenn sie weinen und schreien, ihre Huster und Nieser landen ungefiltert in den Gesichtern der Pädagog:innen.

Doch mit diesem Risiko haben sich die meisten abgefunden, es als Berufsrisiko akzeptiert. Erleichterung könnte es vielleicht geben, wenn sie wüssten, dass die umherschwirrenden Keime frei von Corona-Viren wären. Durch eine regelmäßige Testung aller Anwesenden, wie es in Pflegeheimen teilweise seit Monaten Gang und Gebe ist, wäre dies ansatzweise realisierbar. Die bisherige, empfohlene Strategie der Regierung sieht jedoch nur eine freiwillige Selbsttestung des Personals vor, Kinder hingegen sollen nicht getestet werden. Pädagogische Fachkräfte erfahren nun also vielleicht schneller davon, wenn sie selbst infiziert sind – geschützt werden sie aber durch diese Teststrategie nicht.

Durch das Infektionsgeschehen ist allerdings nicht mehr von der Hand zu weisen, dass sich auch Kinder mit dem Corona-Virus infizieren und die Viren weitergeben. Diese Tatsache muss klar und deutlich von der Politik verstanden und in ihren Maßnahmen mitgedacht werden! Nur weil bei einem Ausbruch in einer Kita die Todeszahlen nicht so drastisch in die Höhe schnellen, wie bei einem Infektionsausbruch in einem Pflegeheim, heißt das nicht, dass es einer weniger lückenlosen Testung bedarf. Viele pädagogische Fachkräfte haben Menschen aus Risikogruppen in ihrem eigenen Haushalt, welche sie derzeit mit ihrer Tätigkeit einer erhöhten Gefahr aussetzen oder gehören selbst einer Risikogruppe an.

Das gleiche gilt für die Kinder, welche stetigen Kontakt im eigenen Haushalt zu Menschen der Risikogruppen haben. Zu bedenken sind auch die Neben- und Nachwirkungen einer Erkrankung, welche Kinder ebenso betreffen können, wie Erwachsene. Besonders Tagespflegepersonen, die in ihrem eigenen Haushalt tätig sind und zusätzlich noch eigene Kinder im Homeschooling zu betreuen haben, erhöhen ihren Kontaktkreis um ein Vielfaches und gelangen immer mehr an ihre Grenzen. Da sie (schein-)selbstständig tätig sind, ist der Druck in ihrer Situation sogar noch größer.

Dass die Betreuung der Kinder zu ihrem Wohle gewährleistet werden soll, sie Struktur und Verlässlichkeit, gesunde Ernährung und fördernde Interaktionen brauchen, steht außer Frage. Aber dafür braucht es gut durchdachte, von der Praxis entwickelte Konzepte und keine sturen und unreflektierten Öffnungsvorgaben von oben. Wenn einer Berufsgruppe, die schon vor der Pandemie extrem vernachlässigt wurde, nun durch die Forderung einer Öffnung erneut gezeigt wird, dass sie eigentlich nur als Gewährleisterin einer funktionierenden Wirtschaft zu fungieren hat, ist die Wut groß.

Verfolgt man die politischen Debatten und Maßnahmen, lässt sich erkennen, dass im Hauptfokus die uneingeschränkte Erwerbstätigkeit der Eltern steht und sich von Seiten der Regierung um jeden Preis versucht wird davor zu drücken, Arbeitsausfälle auszugleichen und Eltern angemessen finanziell zu entlasten, wenn sie ihre Kinder zuhause betreuen. Um derzeit eine Betreuung für möglichst viele Kinder in kleinen, stabilen Gruppen umzusetzen, wäre es nötig, dass die Betreuungszeit der Kinder reduziert wird, da viele pädagogischen Fachkräfte keine 100%-Stellen haben und der extreme Personalmangel nach wie vor viele Einrichtungen vor große Herausforderungen stellt. Im Regelbetrieb werden Gruppen am Morgen und Nachmittag zusammengelegt und Fachkräfte sind in unterschiedlichen Gruppen tätig, beziehungsweise übernehmen abwechselnd die Abdeckung der Randzeiten mit den gemischten Gruppen, weil manche Kinder teilweise bis zu 9 Stunden am Tag betreut werden. Nun fordern Arbeitgeber:innen auch während der Pandemie oft die volle Ausübung eines 8-Stunden-Tages von den Eltern, was die Umsetzung der einfachsten Schutzmaßnahme – kleine, feste Gruppen, ins Wanken bringt. Doch wie notwendig sind die jeweiligen Tätigkeiten der Eltern in Zeiten einer Pandemie und in welchem Verhältnis stehen diese zu einer guten Betreuung und Bildung von Kindern?

Viele Kinder und Jugendliche leiden unter der Isolation und den geschlossenen Betreuungs- und Bildungseinrichtungen, was derzeit von vielen Seiten betont wird. Schrittweise Lockerungen werden damit gerechtfertigt. Die Infektionswerte sind aber noch längst nicht an dem Punkt, an dem von einer sicheren Öffnung die Rede sein kann. Läge der Regierung tatsächlich das Wohl der Kinder und Jugendlichen und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten am Herzen, wären schon längst Überlegungen getroffen worden, durch welche anderen Methoden sich die Infektionswerte senken ließen. Eine konsequente und effektive Maßnahme wäre hier, alle nicht notwendigen Wirtschaftszweige bei vollem Lohnausgleich und Kündigungsschutz für die Beschäftigen herunter zu fahren.

Mit einem Wirtschaftslockdown ließen sich viele unnötige Infektionsausbrüche verhindern und im Zuge dessen wäre es möglich Kindern und Schüler:innen mehr Unterstützungs- bzw. Betreuungsangebote zu bieten – unter den höchsten Gesundheitsschutzmaßnahmen, wie kleinen, stabilen Gruppen, Luftfilteranlagen und regelmäßigen Tests und unter Einbeziehung der Expertise der Beschäftigen. Denn sie sorgen seit fast einem Jahr für eine realisierbare Praxis unter Pandemiebedingungen. Ihre Erfahrungen aus der Praxis müssen endlich beachtet werden.

Die Mitbestimmung der pädagogischen Fachkräfte in Bezug auf praxistaugliche Konzepte und ihre Forderungen für effektiven Gesundheitsschutz dürfen nicht länger ignoriert werden, sondern müssen ernst genommen und umgesetzt werden. Es ist längst überfällig, dass sich für diese Forderung auch die Gewerkschaften stark machen und sich der Forderung eines Wirtschaftslockdowns anschließen und die Mitbestimmung der Beschäftigten organisieren. Durch breit angelegte, mobilisierende Aktionen könnten sie hier ihren Beitrag dazu leisten eine Pandemiebekämpfung voran zu bringen, welche sich am Menschen und nicht am Profit orientiert.

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