„Mehr Geld“ reicht nicht!
// Warum finden Bildungsproteste ein positives Echo in den bürgerlichen Medien? //
„Deutschlands größte Beschwerdeliste für Studis – Die große Aktion von BILD.de und StudiVZ – Liste wird Bundesbildungsministerin überreicht“ titelt Bild.de.
Was haben wir nur falsch gemacht, dass wir uns mit unserem Protest plötzlich in Aktionseinheit mit der rechten Springer-Presse wiederfinden? Nichts gegen positive Nachrichten in den Mainstream-Medien. Doch stellt sich schon die Frage, warum sich zu der standardmäßigen Hetze gegen sozialen Widerstand im Fall der Bildungsproteste eine große Zahl von FürsprecherInnen gesellt, die die „berechtigen Anliegen“ der Bildungsproteste unterstützen.
Wie alles anfing
Die Bildungsstreik-Bewegung begann mit einer Reihe von Schulstreiks – anfangs waren Studierende auf den Demonstrationen wenig zu sehen. Doch die deutschlandweite Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge führte zu genügend Unzufriedenheit unter den Studis, dass diese sich massenhaft an den Bildungsprotesten beteiligten. Die bundesweite Ausweitung des SchülerInnenprotests und die aufsehenerregende Besetzung der Uni Wien waren die Auslöser dafür, dass aus den Schulstreiks Bildungsstreiks wurden. In Dutzenden Städten kam es Ende 2009 zu Uni-Besetzungen.
Dieser Protest erzeugte einen großen Widerhall in der Medienlandschaft. Die Protestierenden, deren lauteste Stimme nun die Uni-AktivistInnen geworden waren, bezogen sich auf den von der wirtschaftlichen/politischen Elite propagierten Begriff der „Wissensgesellschaft“ und die damit zusammenhängende Ausrufung der „Bildungsrepublik Deutschland“. Die Protestierenden machten aufmerksam auf den Widerspruch zwischen den erklärten Zielen und den tatsächlichen Folgen der Bildungsreformen. So war immer wieder zu hören: Gegen die Ziele der Bologna-Erklärung hätte man ja gar nichts einzuwenden – nur die Umsetzung sei schlecht.
Diese Sprache war verständlich. Mit diesen Tönen konnten die bürgerlichen Eliten etwas anfangen: Immer mehr ihrer VertreterInnen stellten sich auf die Seite vor allem der Studierenden – sehr zur Freude von einigen „Bildungstreik-AktivistInnen“, die nun den Erfolg witterten, anlässlich ständiger Bekundungen ausnahmslos aller Verantwortlichen, dass deutliche Nachbesserungen nötig seien. Damit schienen Erleichterungen für das Studium und mehr Geld für das Bildungswesen gesichert.
Die armen Irren
Vielleicht erinnert sich die/der eine oder andere AktivistIn noch dunkel an die armen Irren, die in ihren Reden davon sprachen, dass die Bildungsproteste nur dann wirklich Erfolg haben würden, wenn sich SchülerInnen und Studis mit den ArbeiterInnen verbinden würden. „ArbeiterInnen, haha!“
Denn durch den Druck der Studierenden und GymnasiastInnen könnten sich wirklich die Bildungshaushalte erhöhen. Nur – was hätten wir davon? Mehr Geld für Bildung – ja, aber für was für eine Bildung? Das bestimmen nicht wir kleinen SchülerInnen und StudentInnen. Denn das Bildungssystem ist und wird nach den Bedürfnissen von großen KapitalbesitzerInnen gestaltet. Es geht um die Ausbildung von Arbeitskräften. Die steigende Zahl der Studierenden spiegelt die Veränderungen der Arbeitswelt in einem imperialistischen Zentrum wie Deutschland wider. Hierzulande benötigen die KapitalistInnen heute mehr Arbeitskräfte im Bereich der Planung von Produktionsprozessen, im Bereich der Verteilung von Waren und der Konsumsteigerung.
Für die komplizierter werdenden Produktionsprozesse, für technisch aufwendige Produkte brauchen die Unternehmen mehr SpezialistInnen. Ideen wie die Ausbildung zu straffen, den „Berufseinstieg“ zu vereinfachen (Stichwort: „Employability“), Studiengebühren einzuführen, die Forschung stärker mit den Bedürfnissen „der Wirtschaft“ zu verzahnen (Stichwort: „Drittmittel“) oder Gelder für besonders gute Forschungsprojekte und Spitzen-Ausbildung bereitzustellen (Stichwort: „Exzellenzwettbewerb“) entspringen logisch der heutigen kapitalistischen Gesellschaft. Die Bildungsreformen sind Reformen einer überschuldeten Staatsverwaltung am Gängelband des Marktes und dessen HerrInnen.
Die Kapitalverwertung
Die meckernden SchülerInnen und Studis gehören da dazu, ja sind in der heutigen Form sogar sehr praktisch für die Korrektur der Reformen. Mehr Geld für Bildung sowie natürlich möglichst nicht allzu idiotische SpezialarbeiterInnen: Das ist doch alles ganz im Sinne der späteren Kapitalverwertung. Deswegen schrieb die schwarz-gelbe Regierung – die massive Kürzungen in allen Bereichen vorbereitet – ebenfalls die Forderung „mehr Geld für Bildung“ in ihren Koalitionsvertrag. Deswegen ist es nicht verwunderlich, wenn die bürgerliche Presse und Politik positiv auf die Proteste antwortet. Denn das heutige „Mehr Geld für Bildung!“ ist nur ein zu kurz geratener Ausdruck von „Nicht sparen bei der Ausbildung der LohnarbeiterInnen zur Förderung des Wohlstands der kapitalbesitzenden Klasse!“
Der Bildung im Dienste der Konzerne ein Ende gemacht werden – denn sie geht Hand in Hand mit Lohndumping und Massenentlassungen. Die einzige Alternative ist ein Bildungssystem im Dienste der arbeitenden Bevölkerung weltweit. „Bildung für alle!“ muss bedeuten: Weg mit dem mehrgliedrigen Schulsystem, der sozialen Auslese und der ständigen Kategorisierung der Lernenden! Die Kontrolle über das Lernen muss in die Hände der Lernenden! Schulen und Unis müssen in die gemeinsame Verwaltung von Lernenden und Beschäftigten übergehen!
Für dies alles bei den bürgerlichen Eliten auf Fürsprache zu hoffen, ist natürlich zwecklos. Wenn wir das mit der „freien Bildung“ ernst meinen und nicht nur lustiges Narrenspiel für die KapitalkönigInnen vorführen wollen, dann landen wir wieder bei den armen Irren, die von den ArbeiterInnen sprachen und vielleicht gar nicht so bescheuert sind.
Wir müssen uns permanent an die arbeitende Bevölkerung wenden, denn sie können mit Streiks weit mehr Druck machen als Studierende alleine – und wir können nicht erwarten, dass FluglotsInnen oder MüllfahrerInnen in den Streik treten, nur weil die Lehrpläne den Studis nicht gefallen. Bei Bildungsprotesten geht es keineswegs „nur um Bildung“, sondern um die Frage, wer in dieser Gesellschaft die Kontrolle hat – und das muss in all unseren Forderungen deutlich werden.