Mehr Corona, weniger Tests
Im Angesicht steigender Covid-19-Infektionen und der “Sommerwelle” sollen nun die kostenlosen Schnelltests wegfallen. Das wird weniger Tests, eine größere Dunkelziffer und eine höhere Belastung für Arme zur Folge haben.
Während Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sich über seinen Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) echauffiert, weil dieser ihm “ein großes Defizit in den Kranken- und Pflegekassen” vererbt habe, bleiben die schlechten Entscheidungen unter seiner Führung keinesfalls aus. So sollen die bis dato kostenfreien Corona-Schnelltests, welche von geschultem Personal ausgeführt wurden und somit einen offiziellen Negativbescheid erlaubten, ab heute 3 Euro pro Test kosten. Das geschieht zu einer Zeit, wo keineswegs von einer Beruhigung der Corona-Lage die Rede sein kann: Die Testlabore gehen von einer “Sommerwelle” aus. Laut RKI und DIVI-Intensivregister nehmen die Zahlen an Infektionen und Intensivpatient:innen zu. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz beträgt heute 668,6, im Vergleich zu 532,9 in der Vorwoche.
Die logischen Schlussfolgerungen wären also: mehr Maskenpflicht, mehr Hygienemaßnahmen, mehr Tests. Doch nun kommt es anders. Die neue Regelung ist ein Schlag ins Gesicht für alle – aber besonders für Arme, Risikopatient:innen und jene, die schon mal eine Corona-Infektion durchmachen mussten.
Warum werden die kostenlosen Tests abgeschafft?
Lauterbach, der zwar sein Wohlwollen für eine Weiterführung der kostenlosen Tests beteuert, gibt hier der FDP-Linie nach. Finanzminister Christian Lindner hatte diesbezüglich verlauten lassen: „Es kann nicht alles auf Dauer vom Bund gezahlt werden, weil unsere Möglichkeiten an Grenzen gekommen sind.“ Das Argument, dass das Geld knapp sei, gehört zu den am häufigsten verwenden Phrasen der Konservativen und Wirtschaftsliberalen. Und: Es ist fast immer falsch!
Dass es nicht an finanziellen Mitteln mangelt, zeigt schon die historische Aufrüstung der deutschen Bundeswehr, die aktuell in Form des 100 Milliarden Euro Sondervermögens stattfindet. Dieses Geld war von jetzt auf gleich, quasi über Nacht verfügbar. Aber wenn es nicht gerade um Militarisierung oder zum Beispiel um die Rettung von insolventen Banken geht, müssen wir uns wieder die fadenscheinigen Ausreden der Kapitalist:innenklasse und ihrer politischen Akteur:innen anhören: Für Klimaschutz, Bildung, Pflege, Gesundheit oder Soziales sollen keine Mittel vorhanden sein.
Dabei muss der Bund für die kostenlosen Tests nur ca. eine Milliarde Euro pro Monat aufwenden, so Lauterbach. Im Kontext einer pandemischen Notlage, die bereits etliche Menschenleben gekostet hat, sollten diese vergleichbar geringen Kosten nicht gescheut werden.
Welche Folgen wird die Neuregelung haben?
Zunächst ist von einer generellen Verringerung von Tests auszugehen, da sich Leute jetzt nur noch testen lassen werden, wenn es dazu einen Anlass gibt. Dadurch wird sich auch die Dunkelziffer der Corona-Infizierten erhöhen. Die Betroffenen davon sind die Immunschwachen, die Alten und alle, die sich im Zuge der Sommerwelle eine vermeidbare Infektion zuziehen.
Außerdem sind Selbsttests ab sofort billiger als Tests im Testzentrum. Das bedeutet, dass man sogar für die Tests, die noch gemacht werden, eher zu Selbsttests greifen wird. Diese werden aber weder von geschultem Personal ausgeführt, noch lässt sich ihr Befund bescheinigen. Auch das wird einen Anstieg der Dunkelziffer nach sich ziehen.
Schließlich trifft die Änderung besonders die Armen. Denn wer beispielsweise vom Mindestlohn oder von staatlichen Leistungen lebt, kann nicht ohne Weiteres zusätzliche 3 Euro aufwenden, immer wenn ein Test benötigt wird. Im Resultat wird vermehrt auf Tests verzichtet werden. Das wiederum könnte eine höhere Gefahr für sozialen Ausschluss bedeuten, gerade weil verantwortliches Handeln gegen Bezahlbarkeit abgewogen werden muss.
Kapitalinteressen über Menschenleben
All diese Komplikationen sind vermeidbar und müssen in Betracht gezogen werde. Auch tragen sie eine eindeutige Handschrift: die des Kapitals. Dass für die Bourgeoisie Menschenleben zweitrangig gegenüber Profitinteressen sind, ist für Linke keine neue Einsicht. Auch in der Corona-Pandemie wurde das immer wieder bewiesen, zuletzt durch die aktuelle Recherche des Politmagazins Monitor. Diese zeigt eindrucksvoll, wie die EU im Bezug auf die Impfstoffverteilung den Forderungen der Lobbyist:innen Folge leistete, statt sich für die gesundheitspolitisch beste Lösung einzusetzen. Der Artikel zitiert auch eine aktuelle Studie des Imperial College London, welche nachweist, dass eine adäquate Verteilung der Impfungen 600 Tausend Todesfälle hätte verhindern können.
Stattdessen befinden wir uns erneut in jenem tödlichen Kreislauf, den wir seit Beginn der Pandemie nur zu gut kennen: Sobald die Bedrohung durch das Virus nicht mehr akut genug erscheint, treten die Kapitalinteressen wieder in den Vordergrund, die nicht für höhere Staatsausgaben aufkommen, Gewinneinbußen wegen Patentfreigabe verbuchen oder geringeren Umsatz wegen ausgeweiteten Einschränkungen machen wollen. Darauf folgen stets steigende Fallzahlen und mehr Tote, bis die Politik dem Druck von unten nicht mehr standhalten kann und die Maßnahmen verstärkt. Und so immer weiter. So überwinden wir weder die Pandemie noch den Kapitalismus.
Damit muss Schluss sein! Die Schnelltests müssen weiterhin kostenlos sein und die Maskenpflicht wieder eingeführt werden! Außerdem brauchen wir Entlastungen, Soziales und Klimaschutz statt 100 Milliarden für die Bundeswehr. Die Pandemie kann besiegt werden, ohne Ärmere zu belasten. Und natürlich muss der Profitgier der Pharmaindustrie und anderen Großindustrien eine Absage erteilt werden, besonders in Krisenzeiten. Deswegen: Verstaatlichung unter Arbeiter:innenkontrolle, statt Patentschutz und Kapitalinteresse!