Mehr als 1,5 Millionen in den Straßen Frankreichs an einem großen Tag der Mobilisierungen und Streiks

10.01.2020, Lesezeit 5 Min.
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Am 36. Tag des Streiks gegen Präsident Emmanuel Macrón fanden in den wichtigsten Städten des Landes massive Mobilisierungen statt. Das Regime antwortete mit wütender Repression.

Vor mehr als zwei Monaten brachen in Frankreich Proteste aus, nachdem Präsident Emmanuel Macron seine Rentenreform angekündigt hatte. Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, die 42 Rentensysteme des Landes abzuschaffen und zu einem einzigen zu vereinheitlichen und das Rentenalter von 62 auf 64 Jahre anzuheben. Die Menschen in Frankreich werden nicht nur mehr arbeiten müssen, um trotzdem weniger Rente zu verdienen. Sie werden auch historische Errungenschaften aus jahrelangem Kampf verlieren.

An diesem Donnerstag, dem 9. Januar, fanden in Dutzenden von französischen Städten Mobilisierungen statt, bei denen Eisenbahner*innen, Bus- und U-Bahnarbeiter*innen, Gelbwesten sowie Studierende, Schüler*innen und Lehrer*innen zusammenkamen. Zugleich wurden 7 der 8 Ölraffinerien durch die Streikenden lahmgelegt.

Erneut waren die Mobilisierung sehr groß: Nach Angaben der Gewerkschaftszentrale CGT gingen in ganz Frankreich mehr als 1,7 Millionen Demonstrant*innen auf die Straße.

An diesem neuen Tag der Mobilisierung zeigte sch wieder einmal der „Kampf“ um Zahlen. Die CGT meldete allein in Paris 370.000 Demonstrant*innen, während das Innenministerium nur 56.000 zählte.

Am Morgen herrschte eine sehr kämpferische Atmosphäre im Pariser Nordbahnhof, die Fahrgäste zeigten ihre Unterstützung für die Streikenden, denn auch ihre Zukunft steht auf dem Spiel.

Die Beschäftigten der nationalen Eisenbahn SNCF und der Pariser Nahverkehrsgesellschaft RATP halten ihre Streikmaßnahmen nun seit 36 aufeinander folgenden Tagen aufreicht, der längste Streik seit mehreren Jahrzehnten.

Darüber hinaus haben in dieser Woche auch Dutzende von Berufsverbänden, die ihre Sonderregelungen für den Ruhestand in Gefahr sehen, Streikmaßnahmen durchgeführt.

In Paris begann die Provokation der Polizei gleich zu Beginn der Demonstration, als sie versuchte, die Kolonne der Protestierenden buchstäblich in zwei Hälften zu zerschneiden. Sie richteten eine doppelte Reihe von Bereitschaftspolizist*innen ein, um die Kolonnen der Eisenbahner*innen und der RATP vom Rest der Protestierenden zu isolieren.

Auch in der Nähe des Bahnhofs Saint-Lazare schlug die Polizei die Demonstrant*innen und verfolgte sie mit extremer Gewalt. Ihr Ziel war es, die Demonstrant*innen daran zu hindern, ihren Konzentrationspunkt in Paris, den Place Saint-Augustin, zu erreichen.

In Marseille ging die Mobilisierung über den Aktionstag vom 17. Dezember hinaus und brachte laut CGT sogar 220.000 Demonstrant*innen zusammen, was auch die Mobilisierungen vom 5. und 10. Dezember übertraf.

Die Sektoren, die sich massiv mobilisierten, waren Eisenbahner*innen, Hafenarbeiter*innen, Raffinerie-Arbeiter*innen, Lehrer*innen, Anwält*innen und Gelbwesten. Die überfüllten Straßen zeigen, wie lächerlich die von der Präfektur vermeldete offizielle Zahl ist, die die Beteiligung in dieser Stadt auf 20.000 Demonstrant*innen schätzte.

Laut CGT gingen in Toulouse mindestens 120.000 Menschen auf die Straße, darunter Streikende der Post, der Krankenhäuser, der Elektrizitätsgesellschaft, Anwält*innen, Beschäftigte von Air France und Gelbwesten, um nur einige zu nennen.

Auch der Bildungssektor mobilisierte erneut massiv mit Streikraten von etwa 40% und 50%, so die Gewerkschaft Snuipp-FSU. In Paris streikten nach Angaben der Gewerkschaften fast 60% der Pariser Lehrer*innen.

In Paris war der Marsch nicht nur massiv, sondern auch kämpferisch, da er den repressiven Angriffen widerstand, ohne sich einschüchtern zu lassen. Die streikenden Arbeiter*innen der SNCF und der RATP standen an der Spitze der Mobilisierung, begleitet von streikenden Raffinerie-Arbeiter*innen von Grandpuits, Lehrer*innen, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Energiearbeiter*innen, der französischen Nationalbibliothek, Anwält*innen und sogar der Oper.

Trotz des Streiks und der Tage der Mobilisierung gibt Macron nicht auf. Die Reform war eines seiner grundlegenden Wahlversprechen und nachzugeben wäre eine Demonstration enormer Schwäche und eine Enttäuschung für seine Wähler*innen. Seine Strategie, den Konflikt zu verlängern, um die Unterstützung der Bevölkerung für die Streikmaßnahmen zu untergraben, hat nicht das erwartete Ergebnis gebracht, aber die Streiks haben auf jeden Fall weniger Unterstützung als zu Beginn, wie zu erwarten war.

Wenn es den französischen Arbeiter*innen nach zwei Monaten intensiven Kampfes nicht gelungen ist, die Pläne der Regierung zu vereiteln, so ist dies hauptsächlich auf die Spaltungen zurückzuführen, die von ihren Gewerkschaftsführungen, vor allem der CFDT, aufgezwungen wurden, die die Kampfmaßnahmen immer wieder voneinander trennt und nicht einmal zu den Demonstrationen aufruft. Die kämpferischen Reihen des öffentlichen Dienstes und sogar des Privatsektors, die einen historischen Streik durchgeführt haben, müssen ihre Organisationen stärken und in der Koordination vorankommen. Dies würde es erlauben, den bürokratischen Führungen die Einheit der gesamten Arbeiter*innenbewegung aufzuzwingen – die einzige Möglichkeit, den Vormarsch des Kapitals gegen die errungenen Rechte zu bremsen.

Dieser Artikel bei La Izquierda Diario.

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