Mauricio Macri ist neuer Präsident von Argentinien
WAHLEN IN ARGENTINIEN: Bei den Stichwahlen am 22. November wurde der ehemalige Bürgermeister von Buenos Aires und Anführer der neoliberalen Koalition Cambiemos , Mauricio Macri, zum neuen Präsidenten gewählt. Er setzte sich überraschend gegen den Kandidaten der Regierungspartei Daniel Scioli durch. Damit endet der politische Zyklus des Kirchnerismus nach zwölf Jahren mit einem Rechtsruck. Die Aufgabe der revolutionären Linken ist es, den Widerstand gegen die kommenden Angriffe vorzubereiten.
Am vergangenen Sonntag fand die erste Stichwahl in der Geschichte Argentiniens statt. Mauricio Macri, der Vertreter der bürgerlichen Opposition und selbst Unternehmer, konnte sich mit 51,5 Prozent der Stimmen gegen die 48,5 Prozent von Daniel Scioli, Kandidat für die Frente para la Victoria der bisherigen Präsidentin Cristina Kirchner, durchsetzen.
Es kam zu dieser Situation, da der Favorit Scioli bei den Wahlen am 25. Oktober nicht die nötigen 40 Prozent und zehn Prozent Abstand zum Zweitplatzierten erreichen konnte. Im Gegenteil konnte sich Macri als Sieger des ersten Wahlgangs feiern, da er bis auf wenige Punkte an Scioli herankam. Zudem konnte er in der größten und wichtigsten Provinz des Landes, der Provinz von Buenos Aires, die meisten Stimmen auf sich vereinen, was ein weiterer Schlag für die Frente para la Victoria war.
Polarisierte Kampagne der Demagogie
In den Wochen vor der entscheidenden Wahl hatten beide versucht, mit einer möglichst großen Dosis an Demagogie die nötigen Stimmen zum Sieg einzusammeln. So griff Scioli seinen Gegner dafür an, dass dieser eine Entwertung des Peso plane, die ein Angriff auf die Löhne der Arbeiter*innen sei. Seinerseits lehnte er in seinen Wahlkampfreden – anders als seine Berater*innen – jede Kürzung ab und versprach, dass von der Regierung Erreichte verteidigen zu wollen und neue Zugeständnisse beispielsweise an die Rentner*innen zu machen.
Das war die Grundlage einer großen Kampagne von linken Gruppen um die aktuelle Regierung herum, die Scioli als den Kandidaten des „kleineren Übels“ darzustellen versuchten. Scioli war indes nicht der Lieblingskandidat der Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, sondern ein Kompromiss zwischen dem harten Kern des Kirchnerismus und den traditionellen rechten Sektoren des Peronismus.
Sciolis Reden sind jedoch nicht mehr als Demagogie: Seine Bilanz als Gouverneur der Provinz von Buenos Aires ist verheerend. Er verweigerte die Zahlung von Löhnen an Lehrer*innen und verwaltete eine völlig unzureichende Infrastruktur. Bei zahlreichen Überschwemmungen wurde besonders hart die arme Bevölkerung getroffen, in der Hunderttausende keine Wohnung mit Strom- und Wasseranschluss besitzen. Gleichzeitig wurden Tausende neuer Polizist*innen eingestellt, die durch die Repression von Arbeitskämpfen bekannt wurden.
Einen ähnlichen Wahlkampf hatte auch die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff im vergangenen Jahr gemacht, als sie vor den Sparprogrammen der neoliberalen Rechten warnte. Aktuell ist sie die Vollstreckerin eines harten Angriffs auf die Lebensbedingungen der brasilianischen Arbeiter*innenklasse durch Lohnkürzungen, Massenentlassungen und Kürzungen staatlicher Leistungen.
Auch auf der anderen Seite wurde mit falschen Versprechen gespielt. Macri gilt als der Vertreter schlechthin der neoliberalen und arbeiter*innenfeindlichen Bourgeoisie, die gemeinsame Sache mit dem Imperialismus macht. Er stammt aus einer Unternehmer*innenfamilie, die in den Jahren der Militärdiktatur Millionengewinne machte. Auch die Privatisierungswelle der 90er-Jahre füllte ihre Kassen.
Während der Wahlkampagne schwieg sich Macri jedoch über seine Kürzungspläne aus und stellte sich als Kandidat des Wandels dar, der für „das Argentinien kämpft, dass wir uns alle wünschen“, wie er es immer wiederholte. Er versuchte sich damit als einen Vertreter der „neuen, modernen Rechten“ darzustellen, wie es in vielen Ländern Lateinamerikas, aber auch im Spanischen Staat mit Ciudadanos, geschieht.
Rechter Konsens
Diese Wahlkampfstrategie entsprach dem aktuellen Kräfteverhältnis: Die Arbeiter*innenklasse konnte im vergangenen Jahrzehnt an Kraft und Ansprüchen gewinnen und ist nicht bereit, die brutalen Angriffe kampflos hinzunehmen. Doch was die Kandidaten nicht sagten, wurde von ihren Berater*innen offengelegt: Beide Seiten sprachen über die Notwendigkeit der Kürzung von Subventionen für Strom- und Nahverkehrspreise und eine Entwertung des Peso.
Dieses Programm von Kürzungen und Angriffen auf die Lebensbedingungen der Arbeiter*innen, in dem sich beide Kandidaten nur in Nuancen voneinander unterschieden, entspricht wiederum der Situation der argentinischen Wirtschaft. Die mögliche Zinssatzerhöhung in den USA hat zu einer Kapitalflucht aus Südamerika geführt, der Rückgang des chinesischen Wachstums schwächt die Nachfrage nach ohnehin schon billigen Rohstoffen – Argentiniens wichtigstes Exportgut ist Soja.
Um das von der Bourgeoisie für nötig erachtete Kürzungsprogramm durchzusetzen, bedarf es auch einer gehörigen Portion an Repression von sozialen Protesten. Macri gründete in der Hauptstadt eine eigene Polizei und Scioli verkündete eine „Null-Toleranz-Grenze“ für Straßenblockaden – die traditionelle Protestform der argentinischen Arbeiter*innenbewegung bei Streiks. Zudem hat keiner der Kandidaten vor, die Situation der Frauen zu verbessern. Jeden Tag muss mindestens eine Frau durch das Abtreibungsverbot und frauenfeindliche Gewalt sterben.
Scioli war jedoch nur der vollendete Ausdruck eines politischen Kurses nach rechts, den der Kirchnerismus in den letzten Jahren durchmachte. Dabei ließ er immer mehr seine fortschrittlichen Aspekte fallen und wandte sich in Zeiten eines schwierigen wirtschaftlichen Panoramas verstärkt gegen die Arbeiter*innenklasse. Auch wenn er sich in seinen Reden oft gegen den Imperialismus und die Unternehmer*innen stellte, wurden die wirklichen Schaltzentren der Macht nie angetastet. Damit bereitete der Kirchnerismus dem Sieg des neoliberalen Macri den Weg.
Den Widerstand vorbereiten
Für die Arbeiter*innen und Jugendlichen gab es deshalb kein „kleineres Übel“ bei diesen Wahlen. Die Front der Linken und Arbeiter*innen (FIT) mit Nicolás del Caño (aus der Partei Sozialistischer Arbeiter*innen, PTS) an der Spitze, hatte deshalb eine große Kampagne für das Ungültigwählen angestoßen. Angesichts der Tatsache, dass beide Kandidaten Sparmaßnahmen und die Entwertung des Peso planen, musste sich eine alternative Stimme der Klassenunabhängigkeit bei den Wahlen durch die ungültige Stimme ausdrücken. Gleichzeitig zum Aufruf für das Ungültigwählen wies die Kampagne darauf hin, dass jetzt schon der Widerstand auf den Straßen und in den Betrieben gegen die zu erwartenden Angriffe vorbereitet werden muss.
Denn Macri wird eine Entwertung durchsetzen, die bedeutende Lohneinschnitte mit sich bringt. Er wird staatliche Unterstützungen kürzen und die Kapitalist*innen werden Entlassungen im Sinne der „Wettbewerbsfähigkeit“ durchführen wollen. Er wird mit den imperialistischen Hedgefonds verhandeln, um sich erneut bei den „internationalen Gläubigern“, dem hauptsächlich US-amerikanischen Finanzkapital, zu verschulden.
Doch sein knapper Sieg zeigt auch die mögliche Instabilität der kommenden Regierung. Viele Provinzen stehen noch unter der Kontrolle des Kirchnerismus. Im Senat besitzt Cambiemos keine Mehrheit und auch innerhalb der Wahlfront gibt es Unstimmigkeiten. Außerdem steht nur ein Teil der Gewerkschaftsbürokratie hinter ihm.
Die FIT wurde bei den Wahlen im Oktober mit ihrem Spitzenkandidaten del Caño mit insgesamt knapp einer Million Stimmen die viertstärkste Kraft. Sie konsolidierte sich damit als klare Vertreterin einer klassenunabhängigen Politik, damit die Kapitalist*innen für ihre Krise zahlen müssen. Am vergangenen Sonntag stimmten zwar mehr als 600.000 Menschen ungültig, doch die Mehrheit der Arbeiter*innen ließen sich von der Demagogie von Scioli dazu verleiten, das „kleinere Übel“ zu wählen. Die klassenbewussten Arbeiter*innen und Jugendlichen haben gemeinsam mit der revolutionären Linken die Aufgabe, aus der Defensive heraus den Widerstand gegen die kommenden Angriffe vorzubereiten. Dafür werden sie sich bald gemeinsam mit denen auf der Straße wiederfinden, die für die Falle des „kleineren Übels“ gestimmt haben. Das ist der einzige Weg, sich gegen die Kürzungen zu richten. Es ist der Weg hin zum Aufbau eines politischen Instruments der Arbeiter*innen, welches die Logik des „kleineren Übels“ überwindet und für die Perspektive einer Regierung der Arbeiter*innen kämpft.