#MassentestsJetzt – nicht nur für Deutschland, sondern weltweit

30.03.2020, Lesezeit 6 Min.
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Gerade heute ist es notwendig, in Deutschland dafür zu kämpfen, dass nicht nur hierzulande ausreichend Tests und medizinische Kapazitäten für alle, die es benötigen, existieren, sondern dass die Produktion und Lieferketten der imperialistischen Konzerne in den Dienst der weltweiten Bekämpfung der Pandemie gestellt werden.

Am Donnerstag brüstete sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einer Pressekonferenz, dass in Deutschland weltweit am meisten Covid-19-Tests gemacht werden, sowohl in absoluten als auch in relativen Zahlen. Allein in der vergangenen Woche seien zwischen 300.000 und 500.000 Tests durchgeführt worden, mehr als überall sonst auf der Welt. Als Ziel formulierte das Bundesinnenministerium zudem, mindestens 200.000 Untersuchungen täglich durchzuführen.

Zum Vergleich: In Frankreich werden aktuell nur einige Tausend Tests pro Tag durchgeführt – zwei Millionen Tests sollen erst irgendwann im April ankommen, während täglich hunderte Menschen sterben. Im Spanischen Staat kaufte die Regierung 340.000 größtenteils fehlerhafte Tests von einer unlizensierten chinesischen Firma – eine Katastrophe, ist Spanien doch das Land mit den nach Italien inzwischen höchsten Todeszahlen und die Ausbreitung der Pandemie ungebrochen. Und das sind zwei imperialistische Länder – es ist nicht schwer, sich auszumalen, wie begrenzt die Kapazitäten in halbkolonialen oder abhängigen Ländern sind. Das gilt umso mehr, als europäische Staaten Exportbeschränkungen für medizinisches Material eingeführt haben und die EU die Bestellung von Schutzanzügen, Corona-Tests und Beatmungsgeräten für sich selbst vorantreiben will. Angesichts des Mangels gilt augenscheinlich das Motto „Europe first“ (oder „Germany first“).

Angesichts des Mangels… Doch woran mangelt es denn? Oder besser gesagt: Warum? Klar: Es können nicht aus dem Nichts hunderte Millionen Tests, die nötige Schutzkleidung usw. produziert werden. Doch die Corona-Pandemie kam eben nicht aus dem Nichts: Schon seit mindestens Ende letzten Jahres breitet sich das Virus weltweit aus, es wäre ohne Weiteres möglich gewesen, vorausschauend die Produktion hochzufahren. Einige Regierungen haben das inzwischen sogar schon begriffen und Konzerne angewiesen, ihre Produktion umzustellen. Jedoch sind das bisher sowohl in der Anzahl als auch im Tempo nur Tropfen auf dem heißen Stein. Wichtiger scheint zu sein, dass die Profite der Unternehmen gesichert sind – anders sind die gigantischen Rettungsschirme, die gerade weltweit aufgespannt werden und denen eine im Vergleich extrem geringe Zusatzinvestition in den Gesundheitssektor gegenübersteht, überhaupt nicht zu erklären. Um nur das Beispiel Deutschland zu nennen: 600 Milliarden Euro für Unternehmen, 3 Milliarden Euro für den Gesundheitssektor.

Diese eklatante Kluft erklärt auch, warum es trotz der „weltweit höchsten Testzahlen“ auch in Deutschland an vielen Orten und für viele Personengruppen an Tests mangelt: „In Deutschland klafft bei Corona-Tests offenbar eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. An manchen Orten, zum Beispiel in Baden-Württemberg, warten Patienten derzeit auch schon mal eine ganze Woche auf ihr Testergebnis. Das ist kostbare Zeit, in der keine Kontaktpersonen ermittelt und in Quarantäne geschickt werden können, sollte der Test positiv sein.“ Und selbst wenn alle Menschen mit Symptomen getestet werden, sind das nach vielen Schätzungen nur 20 Prozent aller Infizierten, wodurch die 80 Prozent der Infizierten, die keine Symptome zeigen, weiterhin den Virus unbewusst verbreiten können. Und damit nicht genug: Selbst in Kliniken mangelt es aktuell an ausreichend Atemschutzmasken und sonstiger Klinikausstattung, wie Krankenhausbeschäftigte selbst anprangern.

Testen, testen, testen – und weltweit die nötigen Ressourcen dafür bereitstellen

Sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlägt als zentrale Maßnahme „Testen, testen, testen“ vor. Wenn es an infrastrukturellen Problemen liegt – an Geldmangel kann es ja offensichtlich nicht liegen –, dann muss eben die Produktion sofort und bedingungslos auf die notwendigen Tests, Beatmungsgeräte, Schutzkleidung usw. umgestellt werden. Alle notwendigen privaten Ressourcen müssen dazu beschlagnahmt werden, das Gesundheitssystem vollständig wiederverstaatlicht und zentralisiert werden, und die hochentwickelte Industrie in Deutschland in den Dienst der Produktion der notwendigen Güter gestellt werden – und zwar nicht nur für Deutschland, sondern weltweit.

Deutschland hat als zentrales imperialistisches Land eine weitaus höhere Produktivität der Arbeit, mehr Kapital, Technologie und Wissen, um die Produktion um ein Vielfaches zu steigern. Mit Bayer & Co. haben wir multinationale Pharmakonzerne im Land, die die Rolle von global players einnehmen.

Wenn die Gesundheitssysteme im Spanischen Staat oder in Italien kollabieren, können wir nicht von der Verantwortung der Bundesregierung absehen, die in der Eurokrise die Wirtschaften Südeuropas in den Ruin getrieben und somit die Neoliberalisierung der dortigen Gesundheitssysteme vorangetrieben hat.

Genauso schwer wiegt die Verantwortung gegenüber den halbkolonialen und abhängigen Ländern, deren Ressourcen seit Jahrhunderten ausgeplündert werden und die immer wieder in den Schuldenknebel des IWF und der imperialistischen Länder geraten.

Gerade heute ist es notwendig, in Deutschland dafür zu kämpfen, dass nicht nur hierzulande ausreichend Tests und medizinische Kapazitäten für alle, die es benötigen, existieren, sondern dass die Produktion und Lieferketten der imperialistischen Konzerne in den Dienst der weltweiten Bekämpfung der Pandemie gestellt werden.

Anstelle der reaktionären „nationalen Einheit“, die die gesamte Bevölkerung hinter das Krisenmanagement der Regierung zu bringen versucht und die zugleich zur Rechtfertigung nationalistischer Abschottung dient – Teilnahme am Rennen um Impfstofffindung, um sich bei Erfolg erst einmal selbst und andere nur, wenn es lukrativ ist, zu retten, statt gemeinsamer Nutzung von Erkenntnissen und Forschungsergebnissen; Grenzschließungen trotz Schengen; Stopp des Exportes von medizinischen Gütern an Länder wie Italien und den Spanischen Staat; Doch-Nicht-Aufnahme (unbegleiteter, minderjähriger) Geflüchteter aus Griechenland, die somit weiterhin extrem hoher Ansteckungs- und Todesgefahr ausgesetzt sind, etc. –, müssen wir darum kämpfen, dass Deutschland heute Millionen von Tests für die gesamte Welt produziert, oder hunderttausende Beatmungsgeräte für Länder, die sie dringend brauchen (wie zum Beispiel Mali, wo es nur 20 Beatmungsgeräte im gesamten Land gibt).

Dazu gehört auch, wie wir in unserem Notfallprogramm gegen die Corona-Pandemie geschrieben haben, die Aufhebung aller Sanktionen und die Streichung aller Schulden der halbkolonialen Länder, die Aussetzung aller Abschiebungen und die Aufnahme der Geflüchteten an den Grenzen.

Das wäre ein konkreter Internationalismus und gelebte Solidarität – nicht die geheuchelte Solidarität der EU des Kapitals.

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