Massenhafter Hungerstreik in israelischen Gefängnissen
Seit sieben Tagen befinden sich mehr als 1000 palästinensische Gefangene im Hungerstreik. Sie fordern humanere Haftbedingungen in israelischen Gefängnissen. Der Hungerstreik hat das Potenzial, auf die Situation palästinensischer Gefangener aufmerksam zu machen.
Etwa 6.000 Palästinenser*innen, unter ihnen Minderjährige, sind momentan in Israel inhaftiert. Palästinenser*innen in der Westbank werden nicht nach zivilem Recht, sondern nach israelischem Militärrecht geahndet. Das heißt, dass die Angeklagten trotz mangelhafter oder nicht existierender Beweise zu extrem hohen Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt werden. Die Verurteilungsquote an israelischen Militärgerichten beträgt fast 100 Prozent.
Zusätzlich zu den tatsächlichen Verurteilten befinden sich in israelischen Gefängnissen mehrere Hundert Palästinenser*innen in „Administrativhaft“. Bei dieser (illegalen) Form der Inhaftierung bedarf es keines Urteils oder Prozesses. Die Betroffenen werden für mehrere Monate eingesperrt, oft ohne dass ihnen selbst der Grund ihrer Inhaftierung mitgeteilt wird. Nach sechs Monaten kann die Administrativhaft erneuert werden, sodass einige Palästinenser*innen Jahre hinter Gittern verbringen, ohne dazu verurteilt worden zu sein.
Für Palästinenser*innen in der Westbank gibt es faktisch kein Rechtssystem. Betreibt eine Palästinenserin offene politische Aktivität, wird sie wahrscheinlich festgenommen, gefoltert oder unter unerträglichen Bedingungen verhört und anschließend zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt – oft zusätzlich zu einer Geldstrafe, die die Existenz ihrer Familie gefährdet.
Bei dem aktuellen Hungerstreik geht es vor allem darum, die Bedingungen in der Haft erträglicher zu machen. Zu den Forderungen gehören unter Anderem, dass die Gefangenen zwei mal im Monat Besuch bekommen dürfen, Zugang zu medizinischer Versorgung bekommen und dass die Gefängnisse mit Klimaanlagen ausgestattet werden. Eine Gesamtliste aller Forderungen kann man hier abrufen.
Der israelische Staat hat bis jetzt mit harten Repressionsmaßnamen auf den Hungerstreik reagiert. Dutzende Gefangene wurden in Einzelhaft gesteckt, persönliche und religiöse Gegenstände wurden den Streikenden weggenommen und Kontakt zu Verwandten verboten. Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hat angekündigt, auf keine der Forderungen der Streikenden einzugehen.
Aufgrund der Kriege gegen Gaza und der Siedlungs- und Vertreibungspolitik in der Westbank ist die Situation der palästinensischen Gefangenen immer mehr in den Hintergrund gerückt. Der Massenhungerstreik hat das Potenzial, diesen Punkt wieder auf die Tagesordnung zu setzen.
Der Streik wurde vom seit Langem inhaftierten und sehr beliebten Fatah-Politiker Marwan Barghouti initiiert und war anfangs ein Streik der Fatah-Bewegung. Mittlerweile haben sich aber Gefangene aus dem ganzen politischen Spektrum dem Hungerstreik angeschlossen.
Überall in der Westbank wurden von der Fatah Zelte aufgestellt und Solidaritätskundgebungen abgehalten. Auch international fanden etliche Solidaritätsaktionen statt. Das letzte Mal wurde 2014 ein kollektiver Hungerstreik in israelischen Gefängnissen durchgeführt. Damals war die Hauptforderung das Ende der Administrativhaft gewesen. Der Streik wurde ohne wirkliche Zugeständnisse der israelischen Behörden beendet.
Auch dieses Mal ist es zweifelhaft, ob das israelische Militär zu Kompromissen bereit sein wird. Der Hungerstreik und die Solidaritätsbewegung gewinnen trotzdem an Fahrt. Die meisten Forderungen der Streikenden sind außerdem so selbstverständlich, dass es für den israelischen Militärapparat schwer ist, mit Sicherheitsbedenken zu argumentieren.
Für großes Aufsehen sorgte in Israel unter Anderem, dass die New York Times eine Erklärung von Marwan Barghouti zum Hungerstreik veröffentlichte.
Ein Gastbeitrag von der Jugendorganisation REVOLUTION