STERN hat unseren Genossen Roberto-Antonio Sanchiño Martínez, der in der antikapitalistischen Hochschulgruppe organize:strike aktiv ist, über antikapitalistische Perspektiven innerhalb von #FridaysForFuture interviewt. Wir spiegeln das Interview." /> STERN hat unseren Genossen Roberto-Antonio Sanchiño Martínez, der in der antikapitalistischen Hochschulgruppe organize:strike aktiv ist, über antikapitalistische Perspektiven innerhalb von #FridaysForFuture interviewt. Wir spiegeln das Interview." /> Marxisten bei Fridays for Future: „Wir wollen den Planeten retten und nicht die Profite der Konzerne“

Marxisten bei Fridays for Future: „Wir wollen den Planeten retten und nicht die Profite der Konzerne“

24.09.2019, Lesezeit 7 Min.
Gastbeitrag

Der STERN hat unseren Genossen Roberto-Antonio Sanchiño Martínez, der in der antikapitalistischen Hochschulgruppe organize:strike aktiv ist, über antikapitalistische Perspektiven innerhalb von #FridaysForFuture interviewt. Wir spiegeln das Interview.

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Herr Martínez, was genau machen Sie bei Fridays for Future?

Ich bin bei der Hochschulgruppe an der Freien Universität in Berlin aktiv. Und ich engagiere mich bei Change for Future, der antikapitalistischen Plattform innerhalb von Fridays for Future.

Und was haben Sie bisher erreicht?

Wir haben an der FU eine Vollversammlung organisiert, die größte seit mehreren Jahren. Es waren fast 500 Menschen da. Wir haben sieben Forderungen an die Universitätsleitung formuliert. Es geht unter anderem darum, für Geschäftsreisen im Inland nicht mehr das Flugzeug zu verwenden, die Uni bis 2025 klimaneutral werden zu lassen, es geht aber auch um mehr nachhaltige Angebote in der Mensa.

Bei dem Klimastreik am 20. September will sich Ihre antikapitalistische Plattform klar zu erkennen geben, quasi als linker Flügel der Bewegung.

Darüber haben wir lange diskutiert. Aber darauf haben wir uns jetzt geeinigt, ja.

Wie würden Sie die Gruppe verorten?

Change for Future ist eine heterogene Bewegung. Innerhalb von CFF organisieren sich, Sozialist*innen, Kommunist*innen, Anarchist*innen und andere Menschen. Uns alle eint die Einsicht, dass wir zum Lösen der Klimakrise den Kapitalismus überwinden müssen. Wir verstehen uns somit als antikapitalistische Plattform innerhalb von Fridays for Future, sind aber nicht an irgendwelche sonstigen Organisationen gebunden.

Wie haben Sie sich gefunden?

Es gab das ganze Jahr über Bestrebungen, so etwas zu machen. Das erste größere überregionale Treffen fand dann auf dem Sommerkongress in Dortmund statt. Seitdem gibt es Chatgruppen – und in so eine bin ich eingeladen worden.

Wie viele Leute sind in der Gruppe?

Rund 300, die sind auch in regionalen Untergruppe organisiert.

Wollen Sie Fridays for Future spalten?

Spalten wollen wir keinesfalls. Fridays for Future ist ein Sammelbecken für alle möglichen Meinungen. Das ist auch gut so. Aber gleichzeitig waren antikapitalistische Perspektiven von Anfang an ein Teil der Bewegung. Wir versuchen diese Positionen gebündelter zu organisieren, um den systemkritischen Input gezielter in die Bewegung tragen zu können.

Das heißt?

Unser Wirtschaftssystem ist mit ökologischer Nachhaltigkeit unvereinbar. Es beutet beide Hauptquellen unseres Reichtums immer stärker aus: die menschliche Arbeit und die Natur. Solange wir diese Form des Wirtschaftens nicht umstellen, wird das so weiter gehen. Deswegen kämpfen wir für eine komplette Demokratisierung der Wirtschaft und auch der Politik.

Ist Fridays for Future nicht demokratisch?

Doch. Man kann sich über die Ortsgruppen einbringen. Es ist auch total normal, dass man nicht von Anfang an die perfekte Struktur hat. Aber wir wollen vermeiden, dass sich versteckte Hierarchien bilden und ein kleiner Elitekreis die Stoßrichtung vorgibt und der Kontakt zu den einzelnen Ortsgruppen und der Basis verloren geht.

Die Gefahr sehen Sie?

Ja, auf jeden Fall. Klar, die Medien suchen immer nach Persönlichkeiten. Das ist normal. Aber wir wollen eben nicht, dass die Bewegung verkürzt dargestellt wird.

Sie sprechen von Luisa Neubauer, die schreibt übrigens auch eine Kolumne für den stern.

Neubauer hat die Bewegung gut profiliert, keine Frage. Aber es ist auch kein Geheimnis, dass sie Mitglied der Grünen ist. Damit steht sie für eine bürgerliche Politik, die nicht von allen geteilt wird.

Was wollen Sie ändern?

Uns ist wichtig, dass immer rotiert wird, auch etwa bei Presseanfragen. Und es ist auch ganz wichtig dass Delegierte jederzeit rechenschaftspflichtig gegenüber der Basis sind und Entscheidungen transparent gefällt werden.

Sind auch Marxisten Fans von Greta Thunberg?

Warum nicht? Sie war für uns alle der Einstieg in Fridays for Future. Sie hat die Bewegung ins Leben gerufen, dafür verdient sie den allergrößten Respekt. Es ist bewundernswert, wie eiskalt Sie sich vor diese ganzen Businessmenschen und Politiker*innen stellt und kein Blatt vor den Mund nimmt. Was sie macht, ist großartig. Sie hat sich auch systemkritisch geäußert. Wenn der Wandel nicht in diesem System möglich ist, müssen wir vielleicht über einen Wechsel nachdenken, hat sie gesagt.

Sie engagieren sich für eine engere Anbindung an die Gewerkschaften an Fridays for Future. Wo sehen Sie gemeinsame Interessen?

Wir müssen den Schulterschluss hinkriegen, weil wir nur gemeinsam genug Druck aufbauen können, um die Politik tatsächlich zu einem Einlenken zu bewegen – und zwar so, dass dieses Einlenken nicht auf dem Rücken der jungen Arbeiter und der prekär Beschäftigten ausgetragen wird.

Frank Bsirske, der scheidende Verdi-Chef, hat den Streik unterstützt.

Aber mehr auch nicht. Er scheut den politischen Streik.

Ein politischer Streik richtet sich nicht an eine Tarifpartei, sondern an die Politik. Und diese Form des Streiks ist ja auch verboten.

Die Aussage finde ich falsch. Es ist ein bisschen dreist von Herrn Bsirske zu sagen, man solle doch einfach ausstempeln. Das können doch die wenigsten machen. Und dann stimmt es nicht, dass die Gewerkschaften gar nicht politisch streiken. Die IG Metall rief 2007 auch zu einem politischen Streik gegen die Rente mit 67 auf. Damals haben sich mehrere Zehntausend Menschen beteiligt.

Welche Bedeutung hat der Streik?

Der 20. September ist ein absolut entscheidender Tag. Wir sind sehr gespannt darauf, wie viele Menschen sich uns jetzt anschließen werden. Es muss ein kämpferischer Tag werden. Unterschiedliche Bewegungen haben ja auch zu weiteren Aktionen aufrufen, zum Beispiel Extinction Rebellion und Ende Gelände zu Besetzungen, um die Infrastruktur zu lähmen.

Extinction Rebellion macht mit zivilem Ungehorsam Furore.

Dieser Ungehorsam ist dringend notwendig. Aber eben friedlich. Die Bewegung kommt ja aus England. In London haben die schon den gesamten Verkehr zum Erliegen gebracht.

Ende Gelände ist dann etwas militanter?

Militant? Nein. Die haben auch einen friedlichen Aktionskonsens. Nur tragen sie das Ganze noch viel direkter dahin, wo es brennt. Die sagen offen: Wir werden den Tagebau besetzen, wir werden die Maschinen zum Erliegen bringen.

Wie sieht Ihr Alltag als Aktivist aus? Kriegen sie am Tag 27.000 Whatsapps? Wieviel Zeit verwenden Sie? Wie muss man sich das vorstellen?

Die Zahl ist gar nicht so falsch. Viel läuft eben in den Whatsapp-Gruppen. Aber dann organisieren wir hier an der Freien Universität das Plenum, dann gibt es Telefonkonferenzen, weitere Veranstaltungen. Es hängt immer davon ab, was gerade ansteht, aber es können schon mal ein bis zwei Stunden pro Tag sein.

Was sind die größten Herausforderungen für die Zeit nach dem Klimastreik?

Das wird bei uns viel diskutiert. Wir müssen abwarten, was die Regierung vorlegt. Und dann ist wichtig, dass wir uns nicht abspeisen lassen. Denn es ist ja klar: Wir wollen den Planeten retten und nicht die Profite von Konzernen.

Aber auch wenn jetzt Ältere mitlaufen. Fridays for Future ist vor allem eine Bewegung der Jungen, oder?

Sicher. Und es ist eine Bewegung, die von Frauen dominiert wird. In Deutschland ist Luisa Neubauer die Führungsfigur, international ist das Greta Thunberg. Diese Bewegung ist klar weiblich dominiert. Und das ist supergut.

Interview: Florian Güßgen

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