Marxismus und Geschlecht – ein Veranstaltungsbericht
Marxismus und Feminismus – eine unglückliche Ehe oder einer therapierbare Beziehung? Über die Möglichkeiten eines klassenkämpferischen Feminismus, haben wir in den letzten Monaten mit zwischen vierzig und achtzig Menschen bei verschiedenen Veranstaltungen diskutiert: Als „Offene Gruppe Marxismus und Geschlecht“ haben wir eine vierteilige Veranstaltungsreihe mit dem Oberthema „Marxismus und Geschlecht“ organisiert, inhaltlich ausgestaltet und damit Raum für Diskussionen geboten.
Gestartet haben wir mit der Frage, ob Marxismus und Feminismus gemeinsam denkbar sind und welches ihr Verhältnis sein kann. Für uns war dabei die Vorstellung zentral, dass beides miteinander gleichberechtigt Hand in Hand gehen kann und sogar muss. Dies haben wir mit unserem Gast Josefina von der sozialistischen Frauenorganisation Pan y Rosas aus Madrid diskutiert, die uns von dem Engagement kämpferischer Arbeiterinnen gegen die neue Abtreibungsgesetzgebung im Spanischen Staat berichtete. Frauen der Arbeiterinnenklasse für allgemein feministische Forderungen (und ihre Sicht darauf) auf die Straße zu bringen und Frauen der Arbeiterinnenklasse in ihren Kämpfen zu unterstützen – das könnte klassenkämpferischer Feminismus sein, so ihr Plädoyer.
Weiter ging es mit einer Veranstaltung zu dem Verhältnis von Frauen und Imperialismus. Denn Frauen sind einerseits auf besondere Art von imperialistischer Ausbeutung und Rassismus betroffen, Frauenrechte werden andererseits oft als Rechtfertigung für imperialistische Interventionen genutzt. Wir haben uns damit beschäftigt, was dieses Spannungsfeld für ihre Leben bedeutet. Außerdem hat unser Gast Natalia, Aktivistin im International Women Space in der von Geflüchteten besetzten Schule in Berlin-Kreuzberg, von der Situation von geflüchteten Frauen in Deutschland und ihrem Kampf berichtet. Denn Flucht und Migration ist als sichtbarste und notwendige Konsequenz imperialistischer Politik und kapitalistischer Produktionsstrukturen zu fassen. Feministische Strategien, die sich aus der Diskussion ergaben, wären, antiimperialistische Kämpfe und Bewegungen von Betroffenen, wie zum Beispiel die der Refugee-Frauen, zu unterstützen.
Bei der dritten Veranstaltung war wieder ein Gast aus dem Spanischen Staat zu Besuch: Leire von Pan y Rosas berichtete von Streik bei Panrico, der längste in Katalonien seit dem Ende der Franco-Diktatur, und dem Protagonismus von Frauen in diesem Streik. Das Oberthema des Abends war „Frauen und Prekarisierung“. Es wurde dargestellt, warum gerade Frauen von immer unsicherer und flexibler werdenden Arbeitsbedingungen betroffen sind und was das im Kontext davon, dass sie immer noch häufig die Hauptverantwortlichen für Reproduktionsarbeit (unterbezahlt oder unbezahlt) sind, bedeutet. Der Kampf bei Panrico ist in diesem Zusammenhang deshalb exemplarisch, weil er aufzeigen kann, dass Widerstand möglich ist und welche Kraft kämpfende Frauen entwickeln können.
Zum Abschluss führten wir eine Debatte mit der Queertheorie. Es wurde debattiert wie queerfeministische und marxistisch-revolutionäre Strategien aussehen könnten, was ihre Vor- und Nachteile sind, ob sie miteinander kombinierbar seien oder sich doch ausschließen und von welchen Ausgangspunkten sie jeweils starten.
Wir bedanken uns bei allen, die zu unseren Veranstaltungen gekommen sind und mit uns diskutiert haben!
Auf den Veranstaltungen wurde viele Facetten diskutiert und dabei neue Fragen aufgeworfen. Welche zusätzliche Perspektive bietet die Queer-Theorie beim Zusammendenken von Marxismus und Feminismus, das in der ersten Veranstaltung gefordert wurde? Wie können mittelfristige Perspektiven aussehen? Um diese und viele andere Fragen zu diskutieren, wird Gruppe wird zunächst in Form eines Lesekreises weiter treffen.