LMU: Fachschafter:innen bekämpfen Hochschuldemokratie – und sind stolz darauf?
Ein Teil der Fachschaft Soziologie an der Münchner LMU prahlt damit, die geplante studentische Vollversammlung abgesagt zu haben. Das ist ein bürokratisches Manöver, das wir als marxistische Hochschulgruppe Waffen der Kritik scharf verurteilen.
Am vergangenen Dienstag hätte an der LMU eine Vollversammlung stattfinden sollen. Dort sollte über neue Entwicklungen an bayerischen Hochschulen diskutiert werden, unter anderem über das Genderverbot, das geplanten Kooperationsgebot und Nachhaltigkeit. Das ist an der LMU leider keine Selbstverständlichkeit – selbst wenn sie im Konvent der Fachschaften beschlossen wurde. Wie willkürlich uns Studierenden das Recht genommen werden kann, uns demokratisch auszutauschen, wurde uns unter Beweis gestellt, als am Tag der Versammlung die Raumbuchung durch die Hochschulverwaltung storniert wurde. Das allein ist ein Skandal, gegen den wir protestieren.
Zu allererst: Die Absage der „universitätsweiten Austauschversammlung“ ist ein Höhepunkt der Unterdrückung studentischer Demokratie. Gern wird sich über die angebliche „Politikverdrossenheit“ junger Menschen beklagt, doch dann traut die antidemokratische Hochschulleitung jungen Menschen anscheinend nicht zu, eine politische Diskussion zu führen. Die offizielle Begründung der Hochschulverwaltung lautete, dass die Gefahr einer „allgemeinpolitischen“ Diskussion und eines „Meinungskampfs“ bestünde. Über den Rechtsruck in der Gesellschaft und an den Universitäten kann man jedoch überhaupt nicht sprechen, ohne auch über Palästina zu sprechen. Denn nicht nur sind die andauernden Repressionen und Verbote gegen die Bewegung gegen den Genozid in Gaza und für ein freies Palästina ein zentraler Bestandteil des Rechtsrucks der Regierungsparteien in Bund und Land. Auch das Kooperationsgebot, das auf der Versammlung Thema sein sollte und in Zukunft bayerische Universitäten zu militärischer Forschung verpflichten soll, ist damit eng verbunden: Bereits der erste Satz des Gesetzesentwurfs nimmt auf eine veränderte Sicherheitslage in Europa durch „die Kämpfe in Israel und Palästina“ Bezug. Die Unterscheidung zwischen „allgemeinpolitisch“ (verboten) und „hochschulpolitisch“ (in engen Grenzen geduldet) ist eine nutzlose Trennung, die einzig dazu dient, die Depolitisierung der Universität und der Studierendenschaft zu befördern. Offensichtlich sollte verhindert werden, dass in der LMU über Palästina diskutiert wird, denn derzeit findet auf dem Professor-Huber-Platz ein Protestcamp statt, das seine Forderungen auch an die Münchner Universitäten richtet.
Dass die Leitung der LMU studentische Demokratie unterdrückt, ist für uns keine Neuigkeit. Wir waren jedoch schockiert, als wir eine wortkarge Erklärung der Fachschaftsinitiative Soziologie (FiS) auf Instagram lesen mussten. Dort behauptet, die FiS, sie habe sich „dazu entschlossen, die für heute angesetzte Austauschveranstaltung zu hochschulpolitischen Themen abzusagen.“ Wir können kaum glauben, dass gewählte Vertreter:innen der Fachschaft Soziologie, die sich als politisch fortschrittlich verstehen, selbst auf diese Weise die studentische Demokratie aktiv bekämpfen.
Als Waffen der Kritik, gewählter Teil der Fachschaftsvertretung der Soziologie an der LMU, begrüßen wir die offene Debatte und wollen Klarheit über das Absagen der Vollversammlung und die Stellungnahme der FiS schaffen. Aus der knappen Stellungnahme der FiS werden die tatsächlichen Umstände nicht deutlich. Schließlich hat eine Fraktion einer Fachschaftsvertretung überhaupt nicht die Legitimation, die Absage einer solchen Versammlung zu erwirken und damit den Beschluss des Konvents der Fachschaften zu brechen. Wir müssen davon ausgehen, dass sich die FiS entweder an die Geschäftsführung des Konvents der Fachschaften oder direkt an die Verwaltung der LMU gewandt hat, um auf die Absage hinzuwirken. Dieses bürokratische Manöver nehmen wir mit Entsetzen zur Kenntnis. Der Höhepunkt der Heuchelei ist wohl, dass die FiS nun schreibt, sie bedauere, dass „uns Studierenden dadurch die Möglichkeit zur Diskussion genommen wurde“.
Wir nehmen zur Kenntnis, dass die FiS diffamierende Kritiken vorschiebt und sich von Waffen der Kritik distanziert. Doch diese Debatte ist absurd, wenn die FiS gleichzeitig ihre politische Position klarmacht: Nicht nur hat sie sich der autoritär handelnden Universitätsverwaltung kritiklos untergeordnet. Sie prahlt damit, in vorauseilendem Gehorsam selbst die studentische Demokratie bekämpft zu haben. Das ist eine studentische Vertretung, wie sie sich die Unileitung wünscht: Sie soll die politischen Initiativen der Studierenden hemmen, Kontrolle ausüben statt einen demokratischen Diskurs fördern und von der undemokratischen Struktur unserer Universität mit organisatorischen Argumenten ablenken.
Wir üben die Selbstkritik, dass die Vorbereitung der Versammlung unsystematisch verlaufen ist. Da wir auch bei den Hochschulwahlen in diesem Semester erneut antreten werden, wird eine Diskussion über die zukünftige Form der Zusammenarbeit zu führen sein. Jedoch lenkt diese Kritik von ihrer Eigenverantwortung ab: Auch der FiS war der Beschluss zur Vollversammlung längst bekannt, dennoch blieb sie völlig passiv. Mit einem öffentlichen Vorschlag haben wir den Versuch unternommen, die Diskussion bereits vor der Versammlung voranzutreiben. An linke Kräfte, die sich unter Studierenden organisieren, richteten wir darin den Aufruf, gemeinsam in der Vollversammlung für ein Programm der Mobilisierungen einzutreten. Dazu gehörten Punkte wie die Offenlegung aller Rüstungskooperationen und das Verbot jeglicher Rüstungsforschung, die Ablehnung von Polizeieinsätzen auf dem Campus sowie der Disziplinierung der Universitäten durch Genderverbot und Werbung für Polizei, Konzerne und Bundeswehr.
In ihrer Stellungnahme beklagt sich die FiS, dass „die entsprechenden Forderungen“ nicht mit ihnen abgestimmt waren. Das stimmt natürlich. Als Waffen der Kritik besitzen wir ein eigenes politisches Profil, politische Vorstellung machen wir entsprechend unserer Vorstellung einer möglichst breiten Demokratie öffentlich. Dass überhaupt die Erwartung bestehen kann, dass alle Positionen vorher abgesprochen sein müssten, bevor man in die öffentliche Debatte geht oder dass die FiS ein Recht hätte zu kontrollieren, wie wir uns öffentlich äußern, zeigt die undemokratischen Zustände an dieser Universität. Statt auf die Vorschläge zu antworten, hat die FiS sich nun dazu entschieden, durch eine bürokratische Maßnahme der Diskussion aus dem Weg zu gehen.
Mit großer Verwunderung haben wir in der Stellungnahme gelesen, die FiS solidarisiere sich „mit den Opfern in Gaza.“ Während wir sowie weitere Studierende der Soziologie seit vergangenem Herbst im Unikomitee für Palästina aktiv sind, hat die FiS ihre angebliche Solidarität während eines laufenden Genozids für sich behalten. Wir fordern die Kommiliton:innen dazu auf, ihren Worten Taten folgen zu lassen und sich hinter die Forderungen des Palästina-Protestcamps zu stellen. Dazu gehören das Ende der Besatzung Palästinas, die Freilassung aller Geiseln und politischen Gefangenen, Transparenz bezüglich jeglicher Kooperation der Universitäten mit dem Militär, Rüstungskonzernen, NGOs und Think Tanks, der Abbruch aller finanziellen Verbindungen mit Israel sowie die Ablehnung des Kooperationsgebots und die Einführung von Zivilklauseln.
Bei anderen progressiven Themen hat die FiS nicht bis zum allerletzten Moment gewartet, um auf dem zweiten Slide eines Posts einen Halbsatz zu verlieren. Die FiS hat sich stets als Verteidigerin queerer Rechte positioniert. Wie plant sie also, gegen das Genderverbot anzukämpfen, das eindeutig queere Menschen attackiert? Alle Studierenden merken, dass wir uns in einer Zeit des politischen Umbruchs befinden. Wir als Studierende können uns nicht länger auf Lippenbekenntnissen ausruhen. Niemand kann mehr leugnen, dass die Zeit zu handeln gekommen ist.
Als Waffen der Kritik haben wir uns für die Vollversammlung an der LMU eingesetzt, während von verschiedenen Seiten immer wieder vorgebracht wurde, dies sei „nicht möglich“. Unser Einsatz dient einem größerem Ziel: eine Hochschule unter demokratischer Kontrolle der Studierenden und Beschäftigten und im Dienst der Ausgebeuteten und Unterdrückten. Die militaristische Zeitenwende des deutschen Staates muss für uns eine Zeitenwende der studentischen Repräsentation bedeuten: Weg von routinierten Plena und Partys und dem feigen Kuschen vor der Hochschulleitung, hin zu einer Studierendenschaft, die politisch Position bezieht. Dies sehen wir an allen wichtigen Universitäten weltweit, wo unsere Kommilitoninnen mit der internationalen Palästinasolidarität den Status quo der imperialistischen Weltordnung herausfordern.
Die Fachschaftsinitiative Soziologie, die bei den vergangenen Hochschulwahlen die Mehrheit erringen konnte, hat ihr Statement über den Instagramkanal „fssoziologie“ verbreitet. Da sie jedoch nur einen Teil der gewählten Fachschaftsvertretung bildet, fordern wir als Waffen der Kritik, dass diese Gegendarstellung ebenfalls über diesen Kanal verbreitet wird.