LISTE 35 – Liste gegen Rassismus, Sexismus und Prekarisierung! [mit Video]

09.01.2017, Lesezeit 10 Min.
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Vom 10.-12. Januar sind alle Studierenden an der Freien Universität Berlin zur Wahl aufgerufen. Wahllokale gibt es an jedem Fachbereich. Sie haben an den drei Tagen von 9.45 – 16.15 Uhr geöffnet. Auch Erasmus-Studierende dürfen wählen.

Studis und Arbeiter*innen – Hand in Hand

Über 40 Monate ging der Arbeitskampf der Kolleg*innen vom Botanischen Garten – für einen Tarifvertrag und gleiche Bedingungen für alle. Die Betriebsgesellschaft, bei der sie beschäftigt sind, ist eine 100%-ige Tochter­gesellschaft der FU. Mit den dreistesten Methoden versuchte die Leitung die gewerkschaftliche Organisierung zu unterdrücken – so wurden Kolleg*innen bespitzelt, der Betriebsrat wurde mehrfach erpresst und 31 Menschen wurde noch am Anfang des Jahres mit dem Rausschmiss gedroht. Aber am Ende gewannen die Kolleg*innen gegen die Uni! Als solidarische Studierende haben wir diesen Kampf intensiv unterstützt.

Dabei gibt es auch viele andere Arbeitende, die für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen kämpfen. In Berlin sind das zum Beispiel die Beschäftigten anderer ausgelagerter öffentlicher Unternehmen („der Aufstand der Töchter“) – von der Charité bis hin zu den Lehrbeauftragten an den Unis. Dabei sind ihre miesen Arbeitsbedingungen unsere Lehr- und Forschungsbedingungen!

Auch wir Studierende sind stark von Prekarisierung betroffen. Die meisten von uns arbeiten nebenbei in befristeten und unterbezahlten Jobs. Nachdem wir unseren Abschluss haben, werden die allermeisten von uns lohnabhäng sein. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir Arbeitskämpfe aktiv unterstützen. Die Interessen der Arbeiter*innen sind auch unsere Interessen!

Dies zeigt sich nun ganz konkret bei dem Kampf der studentischen Beschäftigten. Seit Dezember haben diese an den Berliner Unis öffentlich zu Tarifverhandlungen für den TVStud III aufgerufen. Immer mehr Studierende organisieren sich gewerkschaftlich, um die Verhandlungskraft zu erhöhen. Wir wollen auch ihnen dabei helfen, zu gewinnen – entschlossen und nach besten Kräften!

Niemand will mit einem Vollzeit-Job auch noch zum Jobcenter laufen müssen. Wir dulden es nicht, dass Kolleg*innen an der Uni und darüber hinaus erniedrigt, unterbezahlt und perspektivlos gemacht werden. Dabei ist es die besondere Stellung, die Lohnabhängige im Produktionsprozess haben, die ihnen die Macht gibt, die Verhältnisse grundlegend zu verändern. Dabei müssen sie sich nicht nur gegen die Bosse durchsetzen, sondern auch gegen die Bürokratie der Gewerkschaften, die immer wieder ihre Kämpfe zu bremsen versucht. Dagegen schlagen wir ein Programm vor, dass die basisdemokratische Selbstorganisierung der Kolleg*innen in den Vordergrund stellt. Denn letztlich wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der die Arbeitenden alles selbst organisieren – auf unsere Bedürfnisse kommt es an und nicht auf die Verwertungs­interessen des Kapitals!

Solidarität mit den Refugees im Hüttenweg!

Wie tausende andere geflüchtete Menschen auch, müssen unsere Nachbar*innen im Hüttenweg 43 in Dahlem – nur einen kurzen Fußweg von der Uni entfernt – unter unmenschlichen Bedingungen leben. Weil die zeitliche Begrenzung für einen Aufenthalt in einem Erstaufnahmelager schon lange überschritten ist und die Lebensbedingungen sehr schlecht sind, protestieren sie für die Schließung des Lagers und die Vergabe von privatem Wohnraum. Wir und andere solidarische Studierende unterstützen sie dabei, ihre grundlegenden demokratischen Rechte zu erkämpfen.

Auch die Universität ist nicht frei von rassistischen Barrieren. Geflüchteten Menschen bekommen ihre bereits absolvierten Studienleistungen oder Abschlüsse oftmals nicht anerkannt. Außerdem müssen Ausländer*innen im Gegensatz zu „Bildungsinländern“ bei der Bewerbung extra Gebühren zahlen.

Selbst wenn man als Migrant*in diese Hürden überwunden hat und an die Uni kommt, merkt man, dass diese ganz und gar nicht frei von Rassismus ist. Prekäre Beschäftigung wird von meist migrantischen Menschen erledigt. Im Reinigungssektor beispielsweise sind auch in der Uni zum Großteil migrantische Frauen beschäftigt, denen es zudem an Ansprechpartner*innen für ihre besonderen Interessen mangelt.

Auch herrschaftliche, eurozentrische Lehrinhalte und Rassismus seitens der Dozierenden oder unter den Kommiliton*innen sind Realitäten, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.

Wir stellen uns deshalb gegen alle Formen des Rassismus, wie auch gegen jede andere Form der Unterdrückung. Aktuell bedeutet dies vor allem, unsere Nachbar*innen in ihrem Kampf zu unterstützen, durch Aktionen, Öffentlichkeit und Resolutionen im Studierendenparlament.

Außerdem fordern wir mit ihnen den freien Zugang zur Uni. Auch für deutsche Studierende ist dies notwendig: Die Forderung nach freier und barrierefreier Bildung für alle betrifft auch Jugendliche aus der Arbeiter*innenklasse ohne akademischen Bildungshintergrund oder auch bereits arbeitende Menschen. Im gemeinsamen Kampf und mit Solidarität lassen sich diese Spaltungen überwinden und nur so können wir für ein gemeinsames Ziel kämpfen.

Für einen antirassistischen Feminismus!

Wir verstehen Sexismus genauso wie Rassismus und Kapitalismus als ein Herrschaftsverhältnis, das es zu überwinden gilt. Deshalb wollen wir als Liste versuchen, an der Uni gegen Sexismus in all seinen Formen vorzugehen, ob strukturell oder physisch. Im Studierendenparlament (StuPa) wollen wir uns für entsprechende Beschlüsse einsetzen und uns auch für ihre Umsetzung verantwortlich machen.

Gerade in Zeiten zunehmender Diskursfähigkeit sexistischer Positionen durch das Erstarken der AfD und der gesamten neuen Rechten, die mit einer Diffamierung der Gender Studies als Pseudowissenschaften einhergeht, ist es umso wichtiger, sich dieser reaktionären Stimmung entgegenzustellen. Wir müssen kritische feministische Lehre an der Uni verteidigen und uns konkret mit feministischen Bewegungen solidarisieren.

Dabei unterscheidet sich unser Antisexismus entschieden von dem jener „besorgten Bürger“, die ihn in rassistischer Manier als Argument gegen ein konstruiertes und angeblich durch Migration verursachtes Sicherheitsproblem missbrauchen. Wir sind für einen antirassistischen Feminismus, der sich solidarisch mit allen Unterdrückten zeigt, sowohl an der Uni als auch in der ganzen Gesellschaft.

Gegen die Ökonomisierung der Lehre!

Die Universitäten in der kapitalistischen Gesellschaft funktionieren ähnlich wie Konzerne. Wenn auf dem Markt weniger Absolvent*innen von einem bestimmten Studiengang gebraucht werden, verringert das Präsidium die jeweiligen Studienplätze. Die Mehrheit der Beschäftigten der Uni arbeiten prekär und haben befristete Arbeitsverträge. Alles richtet sich darauf aus, wie am besten Drittmittel eingeworben werden können. Die in der Universität geschaffenen Werke, Forschungsergebnisse und Arbeiten werden an Drittorganisationen, wissenschaftlichen Verlage wie JSTOR oder Elsevier verkauft und dann mit den selben öffentlichen Geldern wieder für die Lehre zurück gekauft. Mit Wissen und Lehre wird Profit gemacht.

Anscheinend war der Status Quo und der von ihnen gemachte Profit für die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) nicht genug, sodass sie mit der Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) und dem Bund ohne Beteiligung der Universitäten und der Studierenden neu verhandelt haben. Der vor kurzem aufgeschobene Unirahmenvertrag verlangt von den Universitäten für urheberrechtlich geschützte Schriftwerke statt der bisherigen Pauschalzahlung, nun für jeden einzelnen Text pro Seite und pro Student*in zu zahlen. Als Folge davon sollten alle betroffenen Lernmaterialien von Blackboard verschwinden. Der Zugang zu kostenfreier Bildung würde damit noch weiter eingeschränkt, Wissen noch weiter dem kapitalistischen Verwertungsdruck unterworfen. Der jetzige Kompromiss ist nur vorübergehend, wir sind weit entfernt von einer Lösung in unserem Interesse.

Wir wollen, dass die Wissenschaft vom Einfluss des Kapitals befreit wird. Autor*innen sollen für ihre wissenschaftlichen Arbeit fair bezahlt werden. Wissen soll allen frei zur Verfügung stehen.

Wir fordern, dass die wissenschaftliche und intellektuelle Produktion der Universitäten nicht im Dienste der Konzerne, sondern im Dienste der Unterdrückten und Ausgebeuteten steht. So soll die Universität nicht nur frei zugänglich sein, sondern die Forschung und Lehre soll im Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung stattfinden. Wir fordern dabei auch vollständige Bildungsgerechtigkeit: zum Beispiel durch die Abschaffung des selektiven Schulsystems und die Abschaffung des Numerus Clausus. Alle Lehrinhalte müssen unter demokratischer Kontrolle der Studierenden und der Arbeitenden gestellt werden, damit die Universitäten tatsächlich der Mehrheit der Bevölkerung und nicht einer Handvoll Konzerne dient.

Dafür müssen wir uns als Studierende und Beschäftigte der Universität organisieren und gemeinsam gegen jeden Schritt hin zur weiteren Privatisierung und Ökonomisierung der Lehre und für eine Neustrukturierung der Wissenschaft kämpfen.

Für eine wirkliche Hochschuldemokratie!

Wir lehnen das „hochschulpolitische Mandat“ der Studierendenvertretungen ab – wir fordern, dass StuPa und AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss) sich politisch äußern dürfen. Wir fordern die Abschaffung des Präsidiums und des Senats. Die Universität gehört den Studierenden und Beschäftigten, und nur unter der Selbstverwaltung durch sie kann die Universität ein demokratischer Ort sein. Wir wollen eine echte Demokratie, in der jeder Mensch an der Universität – ob Studierende*r oder Arbeitende*r auf jeder Ebene – das gleiche Stimmrecht hat.

Wir fordern eine lebendige Massendemokratie, in der Entscheidungen auf Versammlungen demokratisch getroffen werden. Wir brauchen Vertreter*innen, die nicht für ein Jahr oder länger gewählt werden – und währenddessen machen können, was sie wollen – sondern die uns jederzeit rechenschaftspflichtig sind und jederzeit abgewählt werden können.

Für eine Universität frei von Unterdrückung und Ausbeutung!

Die Universitäten sind ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft und der zentrale Ort der Ideologieproduktion. Sie können deswegen nicht isoliert vom Rest der Gesellschaft betrachtet werden. Wir denken, dass sowohl die Universität als auch die Gesellschaft neu und demokratisch organisiert werden sollen. Verschiedene Formen der Unterdrückung, wie Rassismus und Sexismus, haben verschiedene Funktionen in der kapitalistischen Gesellschaft. Deswegen können wir sie nur dann zerschlagen, wenn wir uns auch die Überwindung des Kapitalismus als Ziel setzen.

Und dafür brauchen wir eine Bewegung, die sich an den Universitäten, in Betrieben und Stadtvierteln organisiert. Für eine solche Bewegung treten wir bei den Studierendenparlamentswahlen an. Wir wollen den Kämpfen an der Freien Universität Berlin und in Dahlem und darüber hinaus Gehör verschaffen.

Wie bisher begrenzen wir uns nicht auf akademische Themen, sondern nutzen unsere Stimme innerhalb und außerhalb des StuPa, um denen ein Gehör zu verschaffen, die in diesem System keine bekommen. Wie bei anderen Wahlen auch, verändert ein Stimmzettel nichts, wenn die Forderungen nicht auf der Straße und in der Öffentlichkeit erkämpft werden.

Wählt unsere Liste, die Liste 35, aber werdet vor allem selbst aktiv, organisiert euch in Gewerkschaften und in politische Gruppen, zeigt Solidarität und kämpft für eure Rechte!

Unsere Zukunft ist der Internationalismus!

In vielen Ländern gibt es kämpferische Studierendenbewegungen: In Frankreich, Mexiko, Chile oder auch in der Türkei.

Nach dem Putschversuch haben in der Türkei die antidemokratischen und diktatorischen Maßnahmen ein neues Ausmaß erreicht – mittlerweile auch an den Universitäten. Knapp 1.600 Dekane und Rektor*innen aller Universitäten wurden schon zum Rücktritt gezwungen und mehrere zehntausende Angestellte im Bildungsbereich entlassen. Trotz der Gefahr festgenommen zu werden, solidarisieren sich Studierende mit ihren Dozierenden und fordern eine Wiedereinstellung. Das geht auch uns was an!

Wir verstehen unter Internationalismus nicht nur die aktive Solidarisierung und Vernetzung mit Studierendengruppen oder Arbeiter*innen weltweit, sondern auch die Aufstellung von politischen Forderungen an unsere Universität und an den deutschen Staat. Im vergangenen Semester hat das StuPa eine von uns eingebrachtene Resolution zu den Ereignissen in der Türkei beschlossen, bei der sich das Parlament mit den Studierenden und Betroffenen an den Universitäten der Türkei solidalisiert und von dem FU-Präsidium fordert, dass die Freie Universität jegliche Zusammenarbeit mit den neu ernannten Rektor*innen ablehnt.

Die Perspektive der globalen Verbindung von Kämpfen und Bewegungen lässt unsere Vision einer Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung konkrete Formen annehmen.

Wir sehen unsere Aufgabe darin, einen lebendigen Internationalismus an die Universität und in die Gesellschaft zu bringen, um unseren gemeinsamen Kampf gegen Prekarisierung, Sexismus und Rassismus zu stärken!

Unsere Kandidat*innen

… sind Aktivist*innen der Revolutionär-Kommunistischen Jugend (RKJ) und der DIDF-Jugend zusammen mit unabhängigen Studierenden.

1. Andrés, Sozial- und Kulturanthropologie
2. Pınar, Psychologie
3. Yunus, Volkswirtschaftslehre
4. Nina, Politikwissenschaft
5. Sören, Geographie
6.John, Geschichte

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