Linksparteibürokratie will linke Mehrheit auf der solid Landesvollversammlung in Berlin verhindern

08.04.2022, Lesezeit 5 Min.
Gastbeitrag

Die Basismitglieder der Linksjugend ['solid] Berlin treffen sich dieses Wochenende um eine Mitgliederversammlung durchzuführen. Doch die Führung der LINKEn versucht sie zu kapern. Bericht eines Aktivisten von ['solid] Berlin Nord.

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Schon vor Jahren gab es in der Jugendarbeit der Linkspartei einen Split: Auch in einer Zeit, in der die solid nicht einmal eindeutig links von der Partei stehende Positionen verabschiedet hat, hat sie für den Geschmack der Linkspartei aufgrund ihres autonomen Charakters nicht genügend Nachwuchsbürokrat*innen produziert. Genau deshalb hat die Linksparteiführung vor einiger Zeit angefangen sogenannte Jugend-BOs (BO steht für Basisorganisation) zu gründen. Diese haben bis auf die formale, passive Mitgliedschaft aller Linksparteimitglieder unter 35 organisatorisch nichts mit der solid zu tun und funktionieren explizit als Alternativstruktur um geeignete Kandidat*innen für eine Karriere in den Parteistrukturen heranzuzüchten. Die Bürokratie basiert darauf, dass Parteimitglieder sich in den bürgerlichen Staat, allen voran durch ihre (Landes-)Regierungen wie auch in Berlin, integrieren und mit den daraus resultierenden Posten ihre eigene soziale Frage lösen, und so ein von der Basis getrenntes Interesse vertreten.  Daraus resultiert auch ihr hauptsächlicher Politikansatz: Anstatt sich für die Interessen der Klasse einzusetzen, machen sie permanenten Wahlkampf in Identifikation mit der rechten Linksparteiführung in Berlin. Schon in der Vergangenheit hat es Versuche gegeben, die solid in Berlin von Jugend-BOs zu übernehmen, so zum Beispiel vor dem Bundestagswahlkampf 2017. Aktuell steht ein zweiter Versuch an.

Angeführt von Maximilian Schirmer, Mitglied des Fraktionsvorstands der Linkspartei in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow und Sprecher der Bundes- und Landesarbeitsgemeinschaft Antifaschismus versucht man besagte Jugend-BOs, von denen niemand je einen Finger krumm gemacht hat für solid Aktionen oder sich überhaupt in Vereinsleben eingebracht, zur Landesvollversammlung zu mobilisieren und den offiziell beschlossenen Kurs der solid im Sinne der Bürokratie zu zähmen. Überhaupt die Möglichkeit mit abzustimmen gibt es für sie nur, weil man als Linksparteimitglied automatisch auch passives Mitglied der solid ist.

Der Grund der geplanten Maßregelung durch die jungen Parteikarrierist*innen ist, dass seit geraumer Zeit klassenkämpferische Positionen in der solid Berlin mehr Anklang finden. Seit der letzten Landesvollversammlung existiert ein Kurs, der tatsächlich und der für die Partei schmerzhaft kritisch ist aufgrund der offenen Ablehnung der Regierungsbeteiligung. Ein ganz besonderes Augenmerk dabei liegt auf dem aktuell von der Linkspartei vorgenommenen Verrat am Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co. enteignen. Die Beschlüsse auf der letzten Landesvollversammlung der solid Berlin haben schon darauf hingewiesen, dass dies die Konsequenz der Regierungsbeteiligung sein wird. Das öffentlichkeitswirksame Desaster, das der sich jetzt auch immer mehr abzeichnende Bruch der DWE-Kampagne mit der Linkspartei bedeutet, soll auf keinen Fall durch weiteren Druck aus dem Jugendverband begleitet werden. Außerdem bringen die regelmäßigen internationalistischen Positionierungen und vor allem die konsequente Antikriegshaltung die Partei in Bedrängnis. Dies führte u.a. dazu, dass man sich nicht zu schade war, in der Springerpresse gegen den eigenen Jugendverband zu hetzen.

Dass die klassenkämpferischen Haltungen jetzt auch noch auf der kommenden LVV verfestigt werden sollen, ist zu viel für die Bürokrat*innenriege der Linkspartei. Beispiele für Anträge, die am Sonntag beraten werden sollen, sind die Aufforderung nach einer konsequenten Antikriegshaltung auch an die Linkspartei inkl. dem Abzug aller russischen Truppen, der Ablehnung von Waffenlieferungen, Sanktionen und der Aufstellung einer eigenständigen EU-Armee sowie der Zerschlagung der NATO. Es werden Anträge besprochen, die sich sowohl gegen Gewerkschaftsbürokratie, als auch Bürokratie und Kapitalisten in der Linkspartei richten, und man berät darüber, dass die Linkspartei die Regierung sofort verlassen soll, wenn Deutsche Wohnen & Co enteignen nicht umgesetzt wird, kein Abschiebestopp verhangen wird oder die Ausschreibung der S-Bahn gestoppt wird. Außerdem wird über Anträge beraten die eine klare Kante gegen imperialistische Strömungen in der linksjugend solid zeigen, wie z.B. die Nichtvereinbarkeit mit den sogenannten „Antideutschen“, die Forderung  nach der Auflösung des BAK Shalom sowie in Konsequenz der heftigen antipalästinensischen Äußerungen sowie der Pro-Kriegshaltung die Nichtanerkennung des aktuellen Bundesvorstands der linksjugend solid.

Für uns ist klar: Wir stellen uns gegen jede Beeinflussung durch die Linksparteibürokratie und führen weiter unseren Kampf als revolutionäre Marxist*innen mit einem Programm der Übergangsforderungen in der Jugend, der Arbeiter*innenklasse und den sozialen Bewegungen fort. Die Vorzeichen der Landesvollversammlung zeigen ein ums andere mal, dass man Bürokrat*innen nicht trauen kann, sie linke Versprechungen verraten und sich dem militaristischen Rechtsruck anpassen. Welche Inhalte wir stattdessen vertreten wollen und welche Organisationsform daraus resultiert, wollen wir mit allen ehrlichen Aktivist*innen der [’solid] Berlin bei der LVV diskutieren. Wir treten dabei vollumfänglich für unsere Übergangsforderungen ein, die einen unverzichtbaren Bestandteil unserer Programmatik ausmachen. Der Kampf für klassenunabhängige und antibürokratische Gewerkschaften, gegen die Sozialpartnerschaft, den Imperialismus und für die entschädigungslose Enteignung von Kapitalisten sollten für uns keine hohlen Phrasen sein, sondern lebhafter Bestandteil unserer Organisation sein.

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