Linkspartei will Bullen im Bundestag

24.01.2025, Lesezeit 5 Min.
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„Antikapitalistischer“ Cop im Bundestag? Für die Linkspartei scheinbar das Normalste der Welt. Aber wir brauchen keine Bullen – weder im Bundestag noch in unserer Gesellschaft.

Die Linkspartei stellt im Altenburger Land Frank Tempel, einen Polizisten, als Direktkandidat zur Bundestagswahl auf. Die Ankündigung auf Instagram hat eine kritische Diskussion in der Kommentarspalte ausgelöst, die sich nicht nur gegen den Kandidaten, sondern auch gegen die Partei selbst richtet. Und fast alle sind sich einig: Eine „linke“ Partei ist nicht links oder ansatzweise antikapitalistisch, wenn sie einen Bullen als Direktkandidat für den Bundestag zur Wahl aufstellt.

Die Polizei als „unterdrückte Minderheit“?

Frank Tempel, der bereits acht Jahre für DIE LINKE im Bundestag saß und zehn Jahre ein Vorstandsmitglied gewesen ist, bezeichnet Polizist:innen unter dem Ankündigungsbeitrag auf Instagram als „unterdrückte Minderheit“. Diese Aussage steht im scharfen Kontrast zur Realität. Denn die Polizei ist weder unterdrückt noch eine Minderheit. Sie ist der hochgerüstete Arm des Staates, der Proteste niederknüppelt, Streikverbote durchsetzt und in Fällen extremer Gewalt aus den eigenen Reihen oft konsequenzfrei davonkommt.

In Lützerath haben sie Protestierende wortwörtlich durch den Dreck gezogen, sie geschlagen, auf offenem Feld gejagt. In Riesa haben sie den Protest gegen den AfD-Parteitag niedergeknüppelt, in Pfeffergas getränkt und sogar einen Abgeordneten der Linkspartei zusammengeschlagen. Umso fragwürdiger ist die Entscheidung genau dieser Partei, einen Bullen in den Bundestag schicken zu wollen.

Die Polizei hat etliche Menschen getötet, darunter den 16-jährigen Schwarzen Jugendlichen Mouhamed Lamine Dramé, der in einer psychischen Ausnahmesituation niemand anderen als höchstens sich selbst gefährdete. Statt ihm zu helfen, haben sie ihn erst mehrmals getasert, dann mit mehreren Schüssen aus einer Maschinenpistole erschossen. Der tötende Polizist wurde mittlerweile sogar freigesprochen.

Die Polizei agiert oft als unantastbare Institution. Sie tötet, ohne Konsequenzen zu fürchten, und darf mittlerweile sogar privat Waffen führen. Dies stellt insbesondere für Frauen in gewaltvollen Partnerschaften eine erhebliche Gefahr dar, aber auch das Leben von migrantischen Menschen ist einem noch größeren Risiko ausgesetzt.

Gleichzeitig bleibt die Aufarbeitung von Polizeimorden und Mordfällen, in denen Beamt:innen verstrikt waren, mangelhaft. Bis heute gibt es keine unabhängigen Untersuchungskommissionen, die systematisch aufklären darf, wenn die Polizei massive Gewalt einsetzt oder gar Menschen tötet. Sie sollen sich jeweils selbst kontrollieren – was bis heute in Konsequenzlosigkeit und Freisprüchen geendet ist.

Ein besonders krasses Beispiel ist die Rolle der Polizei beim Anschlag in Hanau. Die neun Todesopfer wurden nicht „geschützt“, wie Frank Tempel die Arbeit der Polizei verharmlosend darstellt. Die Polizei verriegelte Monate zuvor Notausgänge, damit bei Razzien niemand kurzerhand entkommen konnte. Die Notrufzentrale war an dem Tag zur Tatzeit nicht besetzt und nachdem sie endlich erreicht wurde, sendeten sie die ersten Beamt:innen zum Tatort – viel zu spät. Der faschistische Täter konnte ungestört neun Migrant:innen kaltblütig töten. Konsequenzen für all die beteiligten Bullen? Fehlanzeige.

DIE LINKE und ihr Verrat an linken Werten

Mit der Nominierung eines Polizisten tritt DIE LINKE, die sich selbst als antikapitalistisch bezeichnet, ihre eigenen Grundsätze mit Füßen. Tempel fordert „bessere Bedingungen“ für die Polizei, um den Beruf „wieder attraktiver“ zu machen. Attraktiv für wen? Gewaltgeile Diener des Staates, die Obdachlose drangsalieren und entwürdigen, Protestierende bewusstlos schlagen und Menschen mit gezogenen Waffen aus ihren Wohnungen zwangsräumen oder sie sogar auf offener Straße töten? 

Wer linke Politik will, fordert keine Aufrüstung und besseren Schutz für Polizist:innen – er fordert ihre Entwaffnung und den kompletten Abbau dieser Institution. Statt auf den repressiven Staat zu setzen, brauchen wir Strukturen, die die Menschen tatsächlich schützen: Selbstorganisierte Strukturen, die unsere Gesellschaft vor Gewalt und Diskriminierung schützen können. Die Proteste in Riesa haben gezeigt, dass Zehntausende sich bei Blockaden selbstorganisiert schützen können. Auch wenn der hochgerüstete Staat in Form der Polizei massenhaft Zwangsmittel wie Schlagstöcke, Pfefferspray und Hundestaffeln einsetzte, konnten einige Blockaden stundenlang verteidigt werden. Unsere Kraft liegt in der Masse, unser Schutz geht nur gemeinsam.

Selbstorganisierte Nachbarschaftskomitees beispielsweise können den Schutz der Gemeinschaft viel konsequenter durchführen als die Polizei. Sie können viel schneller am Ort des Geschehens sein, eigenmächtig Entscheidungen zum Umgang mit gesellschaftgefährdenden Taten treffen und den Schutz ihrer Gesellschaft selbst in die Hand nehmen können – wie die Rondas in Peru und Bolivien.

Eine echte linke Alternative

Es ist an der Zeit, den Fokus wieder auf die tatsächlichen Probleme zu richten. Wir brauchen keine Polizei, die Proteste niederschlägt, Streiks verbietet und Menschen mit Gewalt aus ihren Wohnungen zerrt. Wir brauchen selbstorganisierte Strukturen, die alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder sozialem Status schützen. Und vor allem brauchen wir eine Politik, die sich konsequent gegen jede Unterdrückung stellt – ob diese durch den Staat, Konzerne oder andere Machtstrukturen ausgeübt wird.

Die Linkspartei hat mit dieser Kandidatur ihre Verlogenheit so deutlich gemacht wie selten zuvor. Wer glaubwürdig linke Werte vertreten will, muss sich klar gegen jede Form von Polizeigewalt und staatlicher Repression positionieren.

Als Revolutionäre Internationalistische Organisation stehen wir dieser Politik und dieser bodenlosen Kandidatur konsequent entgegen. Wir stellen keine Bullen zur Wahl oder sehen sie als wichtigen Bestandteil unserer Gesellschaft, sondern fordern ihre konsequente Entwaffnung als ersten Schritt, um dieser Institution die Macht über unsere Leben zu nehmen. Wir wollen die Polizei nicht verbessern – wir wollen sie grundsätzlich abschaffen.

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