Linkspartei reißt Obdachlosencamp ab – „Ihr habt uns nicht gerettet – Ihr habt uns vertrieben und bestohlen!“
Unter dem Vorwand des Schutzes vor der Kälte ließen der Linkspartei-geführte Bezirk Lichtenberg und der Berliner Senat in der Nacht zum Samstag ein Obdachlosencamp an der Rummelsburger Bucht räumen. Interview mit einer Betroffenen.
Während der Berliner Senat bei Temperaturen bis minus 12 Grad Menschen erfrieren lässt, ist er sich zugleich nicht zu schade, gegen Obdachlose massive Repression anzuwenden. Unter dem Vorwand des Schutzes vor der Kälte ließen der Linkspartei-geführte Bezirk Lichtenberg und der Berliner Senat in der Nacht zum Samstag ein Obdachlosen-Camp an der Rummelsburger Bucht räumen.
Wie Betroffene und solidarische Aktivist:innen klar machen, geht es jedoch nicht wirklich um Kälteschutz: „Die, die jetzt das Kleid der humanitären Retter*innen überwerfen, haben uns jahrelang im Stich gelassen und immer wieder schikaniert. Drei Winter lang haben sie sich nicht für uns interessiert. Diese angebliche Rettung vor der Kälte ist eine schamlose Lüge dafür, die Gunst der Stunde für eine schnelle, kostengünstige und lautlose Räumung der Bucht zu nutzen und uns endlich loszuwerden.“ Denn auf dem Areal sollen ein Wasser-Erlebnispark und Luxuswohnungen entstehen. Insgesamt etwa 100 Menschen wurden so ihrer Unterkunft beraubt.
Wir haben mit Jessi, einer Bewohnerin des Areals an der Rummelsburger Bucht, über die Räumung gesprochen.
Hallo Jessi, du hast bisher auf der Platte an der Rummelsburger Bucht gewohnt. Dein Wohnwagen, der dort stand, wurde zerstört. Wie hast du die Räumung erlebt?
Es gab ja schon häufiger Drohungen über die Räumung und auch vergangenen Freitag einige Gerüchte. Gegen 18 Uhr ungefähr hat mir ein Sozialarbeiter gesagt, dass eventuell geräumt wird. Gegen 22 Uhr wurde dann gesagt, dass am nächsten Tag ein Kältezelt aufgebaut werden soll. Da hieß es aber noch nicht, dass wir da wegmüssen. Ich war zu dem Zeitpunkt noch nicht auf der Platte, aber gegen 23 Uhr kamen dann wohl die Bullen und haben die Leute aus den Zelten rausgeholt und gesagt, ihr habt jetzt ne halbe Stunde Zeit, und dann müsst ihr eure Sachen alle gepackt haben. Euren Sachen wird nichts passieren, haben sie dann mehrmals gesagt. Aber man müsse mitkommen und das Gelände verlassen.
Ich bin dann um 1 Uhr dort angekommen und da meinte die Polizei dann, dass ich meinen Wohnwagen noch dort stehen lassen könnte und dann am Samstag abholen könnte. Dann bin ich wieder gegangen. Samstag vormittag rief dann eine Freundin an, dass mein Wohnwagen zerstört wurde. Ich bin dann sofort los, aber um 11 oder 12 Uhr war er dann schon so zerstört, dass man gerade noch ein paar Sachen rausholen konnte. Das habe ich dann auch versucht, aber ich durfte nur alleine dorthin, ohne Helfer, was ein Problem war, weil die Decke des Wohnwagens und die Seitenteile schon zerstört waren. Ich hätte also erst Trümmer heben müssen, außerdem waren überall scharfe Gegenstände, also auch Verletzungsgefahr.
Von Herrn Hönicke (Stadtrat Lichtenberg, SPD) hieß es dann, dass nicht mehr abgerissen wird, aber er nicht mehr zuständig sei. Und trotzdem wurde dann einfach weiter abgerissen. Und jetzt ist von meinem Wohnwagen wirklich nur noch das Gestell unten übrig und sonst nichts. Am Sonntag haben wir dann versucht, noch irgendwas rauszuretten, aber da war schon alles zusammengeschoben worden.
Kannst du uns etwas darüber erzählen, wie du und ihr alle bisher auf dem Gelände zusammengelebt habt?
Auf dem Platz haben bis zu acht verschiedene Nationen in Frieden aus verschiedenen Gründen zusammengelebt. Die Menschen hier leben unterschiedlich, in selbst gebauten Hütten, Zelten, Wohnwägen. Manche bekommen keine Wohnung, weil es einfach kaum bezahlbaren Wohnraum gibt. Andere wollen eben so leben, wie wir leben. Viele wollen alternativen Wohnraum. Eben so leben können, wie man möchte.
Ich selbst bin Studentin an der Humboldt Universität, 29 Jahre alt und komme ursprünglich aus Nürnberg. Ich habe meine WG freiwillig Anfang 2020 gekündigt (vorher „dieses Leben“ anderthalb Jahre „ausprobiert“).
Wir hatten ein Dixi Klo von Strassenkinder e. V. bekommen, doch der Senat hat dieses wieder verboten. Und schon vor der Räumung jetzt gab es mehrere Räumungstermine. Immer wieder gab es die Angst, dass wieder die Polizei scheinbar, für mich, willkürlich zu uns kommt… wir hatten bereits mehrmals über mehrere Stunden das Verbot, dass Gelände zuverlassen, die Maschinengewehre auf uns gerichtet. Etc, sowas kann nicht sein.
Danke für das Gespräch, Jessi.