Linkspartei bleibt blass im Corona-Chaos
In der aktuellen Krise beschwört die Regierung nationale Einheit. Die Linkspartei stellt sich kleinlaut daneben.
Am Sonntag hat die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern weitgehende Maßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens beschlossen. Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote sind nur zwei davon, die von der Polizei kontrolliert werden können. In Berlin geht der Senat sogar noch über die beschlossenen Maßnahmen hinaus. Die neue Verordnung sieht eine Ausweispflicht für alle Menschen vor, die sich außerhalb ihrer Wohnung aufhalten. Die Linkspartei hat ihre Unterschrift daruntergesetzt.
In der Krise gibt es kein kleineres Übel
Oft hört man, dass die Linke in der Regierung immer noch besser sei als alle anderen Parteien. Das „kleinere Übel“ sozusagen. Doch diese Aussage verkennt dabei zweierlei: Erstens hat auch die Linke in den letzten Jahren einen Rechtsruck vollzogen. Dabei geht es nicht einmal nur um die chauvinistischen Äußerungen von Wagenknecht und Lafontaine oder die staatstragende Politik Bodo Ramelows, sondern um die gesamte Partei. Längst unterstützen alle führenden Köpfe die Perspektive Rot-Rot-Grün auch im Bund. Das neue Kokettieren von Ramelow mit der CDU in Thüringen ist dabei nur die Spitze des Eisbergs.
Zweitens ist die Perspektive der Linken nur auf die Verwaltung des kapitalistischen Staates gerichtet. Dabei schafft sie es zwar in kleinen Teilen, zumindest in Berlin, Haushaltsüberschüsse für soziale Maßnahmen wie den Mietendeckel, kostenlose Schüler*innentickets usw. zu nutzen.
Diese Strategie ist in der aktuellen Situation jedoch nicht nur unzureichend, sondern auch utopisch. Ohne die Kapitalinteressen anzugreifen, basiert die „Umverteilung“ eben auf dem Überschuss, den ein reiches imperialistisches Land wie Deutschland in Zeiten einer guten Konjunktur hat. In solchen Phasen kann der „Wohlfahrtsstaat“, der auf der Sozialpartnerschaft zwischen Kapitalist*innen und Arbeiter*innen beruht, durch eine sozialdemokratische Haushalts- und Steuerpolitik gewisse Umverteilungsmaßnahmen durchsetzen, von denen nur bestimmte Schichten der Arbeiter*innenklasse profitieren.
Aktuell befinden wir uns dazu in einer Phase des wirtschaftlichen Abschwungs. Letztes Jahr warnten Ökonom*innen bereits vor einer drohenden Rezession. Heute spricht sogar die EU-Kommission selbst von der hohen Wahrscheinlichkeit einer Rezession. Die Coronakrise, die zur Paralyisierung ganzer Wirtschaftszweige führt, verstärkt in dieser Hinsicht das globale Problem der zunehmenden Staatsschulden: Sogar Deutschland muss mit seiner Politik der Schwarzen Null brechen. Die Milliarden der Regierung kommen hierbei fast ausschließlich den Kapitalist*innen zugute, während die meisten Arbeiter*innen leer ausgehen.
Welche Zuschüsse will die Linkspartei also verwalten? Wenn sie auf eine Regierungskoalition hinsteuert, wie ihre führenden Köpfe auf der Strategiekonferenz in Kassel andeuteten, wird sie Ministerien in einem von der Krise geplagtem und hoch verschuldeten Staat übernehmen. Um zu sehen, wie solche Projekte enden, genügt es, einen Blick nach Griechenland zu werfen. SYRIZA, die einstige Hoffnung vieler Linken in Europa, setzte auf einen Kompromiss zwischen den Banken und den Massen.
Wo es jedoch keine Zuschüsse zu verwalten gibt, bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Profitinteressen des Kapitals werden angegriffen, Schulden gestrichen und es erfolgt ein radikaler Bruch mit der Austeritätspolitik – oder die Schulden werden aus den Taschen der Arbeiter*innen bezahlt.
Umso wichtiger, dass Linke klare Kante für die Interessen der Werktätigen zeigen. Die Linkspartei sieht dies jedoch anders, wie Fraktionsvorsitzender Bartsch beweist.
Der Beitrag der Linkspartei zur nationalen Einheit
Politisch hat sich DIE LINKE schon vor einer Woche dem Burgfrieden mit der Regierung angeschlossen, wie der Fraktionsvorsitze Dietmar Bartsch im Bundestag erklärte.
Kein Wunder also, dass die Bundesregierung durch die Krise gestärkt ist. Besonders Gesundheitsminister Jens „416 Euro reichen zum Überleben“ Spahn steigt in der Beliebtheit. Merkel, Söder, Spahn – alle schaffen es sich gerade als Krisenmanager*innen zu inszenieren.
Allerdings gerade nicht durch Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in Krankenhäusern oder im Einzelhandel, die aktuell an ihre Limits gehen, sondern durch notwendige Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Dennoch ist diese Krise nicht die Zeit, auf Kritik an der Regierung zu verzichten.
Wenn nämlich die Kritik an der GroKo wegfällt, wird die Verantwortung verschwiegen, die sie an der Krise hat. Bereits jetzt erzählen Beschäftigte aus der Pflege von der völligen Überlastung des Gesundheitssystems – und dass, obwohl die Infektionen weiterhin steigen und sich alle einig sind, dass das Schlimmste noch bevorsteht.
Das ist kein Schlag aus heiterem Himmel: seit 1991 wurden fast 500 Krankenhäuser geschlossen, über 167.000 Betten weniger sind heute verfügbar. Selbst unter normalen Bedingungen würden 17.000 Intensivbetten fehlen – in der aktuellen Lage wird dies umso akuter.
Grundlage hierfür ist die neoliberale Politik der GroKo, die mit dem Fallpauschalensystem die Gesundheit noch viel stärker dem Profitzwang unterwirft. Dies führte dazu, dass zwar die Bettenauslastung durchschnittlich abnahm, die Verweildauer von 14 auf 7 Tage abnahm – und damit eine qualitative Versorgung.
Gleichzeitig gingen die Arbeitsbedingungen bergab: Mit Outsourcing, Tarifflucht und Arbeitszeitverdichtung haben die Beschäftigten schon seit langem zu kämpfen. Nicht ohne Grund kam es zu mehreren Streiks und Initiativen, die den Personalmangel ansprachen.
Unter diesen Bedingungen müsste offensichtlich sein, dass die Regierung Mitverantwortung für die Ausweitung der Pandemie – auf den Schultern der Patient*innen und Beschäftigten – trägt. Doch nicht nur gibt es viel zu wenige Arbeitskräfte „an der Front“ gegen den Virus (kein Wunder, bei solchen Arbeitsbedingungen und Löhnen brechen viele ihre Ausbildung ab) – die Regierung schickt die Pfleger*innen „ohne Rüstung“ an die Front. In München beispielsweise fehlen Atemschutzmasken und in den Lagern wird Desinfektionsmittel gestohlen, wie anonyme Pfleger*innen berichteten.
Die Linkspartei nimmt dies zumindest billigend in Kauf, wenn sie ihre Nachtrabpolitik fortsetzt. Doch dass es nicht nur um Zaghaftigkeit in der Opposition geht, zeigt die Politik, die die Linkspartei in mehreren Landesregierungen selbst mitverantwortet.
In den Ländern, in denen sie in der Regierung sitzt, ist dies bei weitem nicht anders. Die Beschäftigten der Charité Facility Management GmbH (CFM) kämpfen seit zehn Jahren für ihre Wiedereingliederung. Die Linke hat sich in diesem Kampf nicht mit Ruhm bekleckert. Obwohl ein erfolgreicher Kampf bei der CFM als größtes Tochterunternehmen in Berlin eine Signalwirkung in Richtung anderer Sektoren der Klasse entfalten könnte. Aber vielleicht ist das auch gerade der Grund, warum die Linke diesen Schritt scheut. Denn es würde eine ernsthafte Konfrontation mit privaten Investor*innen und Unternehmer*innen bedeuten, die Outsourcing in vielen Bereichen nutzen, um Löhne zu drücken und die Belegschaften zu spalten. Dort die Konfrontation zu suchen, würde die staatstragende Funktion, die die Linke vor allem in Berlin, Brandenburg und Thüringen bereits einnimmt, natürlich untergraben. Dann doch lieber kleine Zugeständnisse durch Haushaltsüberschüsse finanzieren, als das große Ganze angehen. Die Grenzen werden aber täglich sichtbar – in den Krankenhäusern, im Nahverkehr, an den Hochschulen usw.
Auf die gesundheitliche Krise folgt eine soziale
Die aktuelle Krise zeigt, dass das kapitalistische Privateigentum Menschenleben kostet. Das sehen wir nicht nur im Gesundheitssystem, sondern auch an den indirekten Folgen des Virus. In vielen deutschen Großstädten ist Wohnraum eine Mangelware. Berlin ist hierbei Vorreiter, aber auch im Protest dagegen: Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ mobiliserte im vergangenen Jahr Zehntausende für das Recht auf Wohnraum.
Der vom rot-rot-grünen Senat erbrachte Mietendeckel war ein Schritt, der jedoch in der aktuellen Krise vor dem grundlegenden Problem untätig bleibt. . Aufgrund der Schließung von Firmen und der Einschränkungen des öffentlichen Lebens, werden etliche prekär Beschäftigte ihre Miete nicht zahlen können.
Katrin Lompscher, ihres Zeichens Berliner Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, weiß dies auch.
Ihre Antwort ist hingegen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Anstatt alle Mieten für die Dauer der Krise zu streichen, damit Deutsche Wohnen, Vonovia und Co. keine Gewinne aus unserer Krise ziehen, wurde lediglich ein Stopp von Zwangsräumungen durchgesetzt. Das löst das Problem nicht, sondern verschiebt es für sechs Monate.
Wenn DIE LINKE tatsächlich soziale Politik machen will, muss sie ihren Kurs daher drastisch ändern. Anstatt dem Kuschelkurs, der uns in die Krise stürzen wird, braucht es massive Investitionsprogramme für die Gesundheit.
Ein Notfallprogramm im Interesse der Beschäftigten und Patient*innen sieht konkret aus: Anstatt des Föderalismus, der die Durchsetzung schneller und zentralisierter Maßnahmen verhindert, muss für ein zentralisiertes Gesundheitssystem gekämpft werden, bei dem die Ausschüsse von Gesundheitspersonal und Patient*innen mit einem Vetorecht selbst entscheiden und kontrollieren, was für Geräte, Medikamente und Arbeitskräfte sie benötigen, um eine gute Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.
Außerdem braucht es Sofortmaßnahmen zur Unterstützung von Beschäftigten, die aufgrund der aktuellen Krise große Lohneinbußen haben oder sogar ganz ihren Job verlieren. Dazu gehört die Übernahme aller befristet Beschäftigten sowie Leiharbeiter*innen als Festangestellte. Lohneinbußen müssen vollständig kompensiert werden durch eine höhere Besteuerung von Reichen und großen Unternehmen. Massenentlassungen müssen verboten werden. Denn die Corona-Krise beschleunigt die wirtschaftlichen Krisentendenzen der letzten Monate enorm. Diese Krise muss von den Kapitalist*innen bezahlt werden und nicht von den Beschäftigten.
Eine konsequente Politik für die arbeitende Bevölkerung kann in der aktuellen Krise zum Beispiel bedeuten, dafür zu kämpfen, dass Betriebe umstrukturiert werden. Es gibt bereits Beispiele, in denen Firmen auf die Produktion von Desinfektionsmittel umgestiegen sind, VW spendete 200.000 Schutzmasken für den Gesundheitssektor. Gewerkschaften müssen dafür kämpfen, diese Maßnahmen international auszuweiten, kontrolliert und überwacht von Arbeiter*innen. Denn besonders in Ländern wie Italien oder dem Spanischen Staat, in denen Corona besonders schwere Folgen hat, wurde das Gesundheitssystem durch die Spardiktate der EU vor einigen Jahren in einen desolaten Zustand versetzt.
Die Führung der Linkspartei versucht diesen Druck aber immer wieder in Bahnen zu lenken, die private Investor*innen weitgehend verschont. Die Partei entwickelt sich gerade nicht zu einer sozialistischen, „Anti-Establishment“-Partei, sondern ganz im Gegenteil: Sie wird immer mehr Teil des „Establishments“. Die weitgehend kritiklose Unterstützung für den Kurs der Regierung ist ein weiteres Beispiel dafür, dass sie dafür nicht einmal auf den Regierungsbänken sitzen muss.