LINKE Neukölln muss sich gegen Rot-Rot-Grün in Berlin positionieren

28.09.2021, Lesezeit 6 Min.
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Foto: DIE LINKE Neukölln

Die SPD gewann die Wahlen zum 19. Berliner Abgeordnetenhaus, während eine Neuauflage des rot-rot-grünen Senats diskutiert wird. Warum antikapitalistische Abgeordnete und Kräfte der LINKEN die Regierungsbeteiligung ablehnen sollten.

Das Endergebnis wurde verkündet: Die SPD mit Franziska Giffey als Bürgermeisterkandidatin hat die Abgeordnetenhauswahl mit 21,4 Prozent gewonnen. Ihr folgen die Grünen und die CDU mit jeweils 18,9 und 18,1 Prozent. Die LINKE ist nach der AfD die Partei mit dem größten Stimmenverlust (- 1,6 Prozent) und kam auf 14 Prozent. Die AfD verlor fast die Hälfte ihrer Wähler:innen.

Soll die LINKE sich erneut an einer rot-rot-grünen Regierung beteiligen? Das wird aktuell heftig in Parteikreisen und in der Wähler:innenschaft diskutiert. Wir denken, dass eine solche Koalition abgelehnt werden sollte. Antikapitalistische Teile der LINKEN, allen voran in Neukölln, sollten eine Kampagne gegen diese Koalitionspläne einleiten.

LINKE-Spitzenkandidat Klaus Lederer und Bettina Jarasch, Spitze der Berliner Grünen, positionierten sich für eine Weiterführung der Rot-Rot-Grünen Koalition. Während Franziska Giffey, die den Regierungsauftrag für sich in Anspruch nimmt, Verhandlungen mit allen Parteien offen lässt, spricht sie sich für eine Koalition von SPD und Grünen aus. Sie muss jedoch noch eine Partnerin finden: entweder die LINKE oder die FDP.

Die Kompromisse, die die LINKE in ihrem Sofortprogramm für eine Koalition mit SPD und Grünen einzugehen bereit war, sorgten dafür, dass die LINKE sich nicht als eine Alternative gegenüber der SPD und Grünen profilieren konnte. Der allgemeine Rechtsruck innerhalb der Partei übte ebenfalls einen großen Druck auf das Berliner Wahlergebnis aus. Als Teil der Rot-Rot-Grünen Koalition in Berlin führte die LINKE Abschiebungen durch, beteiligte sich an Zwangsräumungen und am jährlichen Ausbau des Polizeiapparats. Sie scheute vor Verurteilung der Polizeigewalt, akzeptierte die Privatisierung der S-Bahn. Die Erfüllung der Forderungen der streikenden Krankenhausbeschäftigten machte sie nicht zu einer Koalitionsbedingung.

Gegen die Bildung einer solchen Koalition, die abschiebt, Privatisierungen durchführt und sich hinter die Polizei stellt, brauchen wir innerhalb und außerhalb der LINKEN Widerstand. Wir brauchen eine klassenkämpferische Perspektive der Mobilisierungen und Streiks für unsere Forderungen – und nicht die Gelegenheit, sich an den kommenden Angriffe und dem staatlichen Rassismus mit verantwortlich zu machen.

LINKE Neukölln darf dazu gewinnen – was nun?

Viele der Kandidat:innen des Regierungsflügels haben den Einzug in das Parlament verpasst – selbst Klaus Lederer, der Berliner Kultursenator des gegenwärtigen RRG-Senats, konnte nur knapp über die Landesliste in Pankow einziehen. In Neukölln wiederum, wo viele antikapitalistische Aktivit:innen für die LINKE kandidiert hatten, konnte die Partei 2,7 Prozent bei den Erststimmen hinzugewinnen.

Auch wenn die LINKE Neukölln keine Direktmandate gewinnen konnte, feiert sie den größten Erfolg innerhalb eines Wahlbezirkes für die Partei. So konnte Lucy Redler (LINKE Neukölln, SAV – Sozialistische Alternative) im Reuterkiez 7,4 zusätzliche Prozent zulegen und kam hinter dem Grünen-Kandidaten auf 26,6 Prozent, während Jorinde Schulz (LINKE Neukölln) im Schillerkiez über 10,9 Prozent dazu gewann und auf 30,1 Prozent kam.

Dieser Erfolg beruht auch auf dem Engagement der LINKE-Kandidat:innen in unterschiedlichen sozialen Bewegungen. Dieser Wahlkampf ging jedoch auch nicht ohne Einschränkungen seitens der staatstragenden Parteiführung. So mussten die Neuköllner Kandidat:innen auf eine öffentliche Kritik an der eigenen Partei als Teil des Rot-Rot-Grünen Senats verzichten. Nicht zuletzt ist es die Regierung ihrer eigenen Partei, die rassistische Razzien in Neuköllner Shisha-Bars durchführt, Untersuchungen des rechten Terrors verhindert und die Polizei weiter aufrüstet.

Durch die Landesliste (die Zweitstimmen) konnte der Bezirksverband Neukölln zwei Abgeordnete in das Berliner Parlament entsenden: den antirassistischen Aktivisten Ferat Kocak und Niklas Schrader, der bereits im Abgeordnetenhaus als Sprecher für Innen- und Sicherheitspolitik tätig ist.

Niklas Schrader ist als sicherheitspolitischer Sprecher der LINKEN für den Aufbau von 869 Stellen bei der Polizei allein in 2020/21 mitverantwortlich – der Berliner Polizei, die in ihren Strukturen rechtsextreme Zellen bildet, von welchen aus beispielsweise Kontaktdaten von linken Aktivist:innen an rechte Gruppen gereicht werden. Ebenfalls forderte er gemeinsam mit dem LINKEN-Abgeordneten Hakan Tas – der den Einzug ins Parlament dieses Mal verpasste – mehr mobile und feste Polizeiwachen an “jedem Ort mit einem entsprechend erhöhtem Kriminalitätsaufkommen”, wie dem Hermannplatz.

So steht die LINKE Neukölln an einem Scheideweg: Wird sie sich weiter hinter die rechte Berliner Parteiführung stellen und eine Rot-Rot-Grüne Koalition mit Abschiebungen,Polizeigewalt und Zwangsräumungen akzeptieren? Oder wird sie eine konsequente Haltung einnehmen?

Gegen einen Regierungsantritt der LINKEN in Berlin!

Wir laden die Genoss:innen der LINKEN Neukölln, Ferat Kocak und Niklas Schrader ein, mit der Politik der Berliner Parteiführung zu brechen und sich gegen die Bildung einer rot-rot-grünen Regierung positionieren. Selbst für Niklas Schrader, der sich bisher hinter dem Ausbau der Berliner Polizei stellte, ist es noch nicht zu spät, mit RRG zu brechen. Die SPD hat bereits neue Kürzungen angekündigt. Eine RRG-Regierung würde sich, genau wie bisher, hinter Polizeigewalt stellen und Abschiebungen durchführen.

Ferat Kocak und alle Mitglieder der LINKEN mit antikapitalistischem und antirassistischem Anspruch sollten im Berliner Abgeordnetenhaus gegen die Wahl von Giffey als Bürgermeisterin und gegen ein rot-rot-grünes Kabinett stimmen. Sie müssen gegen den kommenden Berliner Haushalt stimmen, der neue Kürzungen und einen weiteren Ausbau der Polizei beinhalten wird. Falls eine RRG-Koalition trotzdem zustande kommt, sollten sie aus der Regierungsfraktion austreten, um die rassistische Politik des Berliner Senats nicht mitzutragen.

Wir wollen gemeinsam mit LINKE Neukölln und kämpferischen Abgeordneten gegen Polizeigewalt, Abschiebungen und Zwangsräumungen des Berliner Senats kämpfen. Diesen Kampf kann aber nicht führen, wer selbst Teil der Regierungskoalition ist. Und wenn ein Austritt aus der Regierungskoalition bedeuten soll, dass sie bei den kommenden Wahlen unabhängig für den Abgeordnetenhaus kandidieren, würden wir sie gerne politisch auf Grundlage eines antirassistischen und antikapitalistischen Programms unterstützen.

Im Kampf gegen Rechts und Nazi-Terror in Neukölln können wir uns nicht auf die Berliner Regierung, den Staat und eine Regierungsbeteiligung mit Parteien verlassen, die den Polizeiapparat aufbauen und Razzien in migrantischen Vierteln durchführen.

Wir sind uns sicher, dass viele der anderen migrantischen, antirassistischen und antikapitalistischen Gruppen dasselbe tun würden, falls sie sich gegen RRG positionieren und von der staatstragenden Regierungsfraktion und -koalition der LINKEN trennen würden.

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