Lieferengpässe in England: Hauptgrund sind schlechte Arbeitsbedingungen
Durch den Brexit mussten tausende Fahrer:innen das Land verlassen. Aber schon davor fehlte Personal. Denn der Beruf ist hart und schlecht bezahlt.
An Tankstellen in London und im Südwesten Englands fehlt immer noch Treibstoff. Der Grund ist in einem Land wie Großbritannien nicht ein Mangel an Treibstoff, sondern an Arbeiter:innen, die den Treibstoff zu den Tankstellen fahren könnten. Es war schon lange klar, dass dieses Problem aufkommen würde. Im Juli griff die die britische Regierung Rechte von Lkw-Fahrer:innen an, indem sie die minimalen Ruhezeiten kürzte, natürlich nur „vorübergehend“. Damit gefährdete sie nicht nur das Leben der Fahrer:innen, sondern das aller Verkehrsteilnehmer:innen.
Seitdem hat sie sich trotzdem unfähig gezeigt, das Problem zu lösen. Es fehlen immer noch 100.000 Fahrer:innen und so kam es im vergangen Monat zu den ersten Versorgungsproblemen. Was jetzt mit Tankstellen passiert, kann sich aber auch auf andere Industrien ausweiten. Schon jetzt macht man sich sorgen, um die erhöhte Geflügelnachfrage zur Weihnachtszeit. Das eigentliche Problem ist eines, dass sich in der Corona-Zeit immer wieder gezeigt hat. Essentielle Arbeit wird nicht ausreichend entlohnt und findet zu unmöglichen Bedingungen statt, deswegen möchte sie kaum eine:r leisten.
Sogar der konservative Primierminister Boris Johnson fordert jetzt höhere Löhne.
„Was Sie in den letzten 20 Jahren oder mehr, fast 25 Jahren, gesehen haben, war ein Ansatz, bei dem Unternehmen verschiedene Möglichkeiten hatten, für eine sehr lange Zeit Niedriglöhne, niedrige Kosten und Einwanderung durchzusetzen.“ Als ob britische Kapitalist:innen nicht schon viel länger billige Arbeitskräfte aus dem Ausland ausgenutzt hätten. Nun will Johnson also fleißig Fahrer:innen anwerben, aber vorzugsweise britische Arbeitskräfte. Verteidigungs- und Bildungsministerium versuchen mit Armeefahrleher:innen Lkw-Führerscheine auszustellen. Doch dass diese nun herhalten müssen, hat einen weiteren Grund, den Johnson selber maßgeblich mitgetragen: Den Brexit.
20 Prozent der jetzt fehlenden Fahrer:innen mussten aufgrund des EU-Austritts aus Großbritanniens ausreisen und natürlich versucht die britische Regierung auch, sie mit Ausnahmevisa zurückzubekommen. Die reaktionäre Basis des Brexit stört es schließlich sicherlich mehr, an Weihnachten keinen Truthahn auf dem Tisch zu haben, als einige Migrant:innen, die zu Niedriglöhnen schuften.
Der Sinn der EU war immer Deutschland, Frankreich und Großbritannien ökonomische Kontrolle über die wirtschaftsschwächeren Länder der Freihandelszone zu geben. In den, relativ zum Westen armen Ländern Osteuropas ist es einfach, Arbeiter:innen trotz schlechter Löhne und Arbeitsbedingungen anzuwerben. Denn die Bedingungen sind immer noch besser als in deren Heimat und weit besser als gar keinen Job zu haben.
Die britische Politik hat diesen imperialistischen Vorteil leichtfertig verspielt. Aber auch in Deutschland fehlen zunehmend Lkw-Fahrer:innen. Jedes Jahr gehen 35.000 in Ruhestand, während nur 15.000 neu in den Job einsteigen. Zwar erwartet die Logistikbranche noch keine Engpässe wie in Großbritannien. Aber langfristig steht auch Deutschland vor einem Problem – trotz der Arbeitskräfte aus Osteuropa. Die EU ist also auch keine Lösung – sie hat den Niedriglohnsektor nur gefestigt. Um die Versorgung zu sichern braucht es gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen.