„Leute finden es interessant, mal was von Kommunist*innen zu lesen“ – Interview mit Sven George
Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) tritt auch zu den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus an, mit einem Schwerpunkt in Friedrichshain-Kreuzberg. Ein Interview mit Sven George, Kandidat der DKP Berlin auf Platz 9 der Landesliste sowie für die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichhshain-Kreuzberg.
Was sind die wichtigsten Schwerpunkte der DKP, die im Wahlkampf zum Ausdruck kommen?
Wir konzentrieren unseren Wahlkampf auf die Themen Krieg & Frieden, sowie Miete – die wichtigsten Themen unserer Zeit. Eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in eigenen Wohnungen hätte z.B. auch Rassist*innen ihre Anfangsmobilisierung schwerer gemacht. Darüber hinaus haben wir vor allem im sozialen Bereich Forderungen aufgestellt.
Wer sind eure Kandidat*innen?
Generell sind unsere Kandidat*innen ein Querschnitt unserer Partei und ihrer politischen Arbeit, der gesellschaftlichen Kämpfe, an denen wir beteiligt sind.
Für das Abgeordnetenhaus konnten wir den Chefredakteur der Tageszeitung junge Welt, Dietmar Koschmieder, als Spitzenkandidat gewinnen. Mit Lena Kreymann kandidiert eine langjährige Aktivistin der SDAJ für uns auf Platz 2, mit Klaus Lindner ein bekannter Mietenaktivist, usw. Darüber hinaus repräsentiert die Liste sowohl Erfahrungen aus der DKP, der SEW und der SED und stellt so auch ein Ost-West-Liste dar.
Für unsere Schwerpunktkandidatur in Friedrichshain-Kreuzberg konnten wir den zwangsgeräumten, parteilosen Mietenaktivisten Ali Gülbol gewinnen. Für seinen Widerstand gegen eine Zwangsräumung ist er in der ganzen Stadt bekannt. Ich selber habe lange als DKP-Mitglied in der SDAJ gearbeitet, vor allem im antifaschistischen Bereich.
Was für eine Resonanz bekommt ihr?
Die Reaktionen auf unseren Wahlkampf sind sehr unterschiedlich – merkbar positiver fallen sie jedoch in den Ostteilen der Stadt aus. Wir treffen auf Leute, die es interessant finden, mal was von Kommunist*innen zu lesen, aber auch auf Anhänger*innen der AfD. Immer wieder werden wir darauf angesprochen, dass Menschen uns wegen der Sperrklauseln (5 Prozent fürs Abgeordnetenhaus, 3 Prozent für die Bezirksverordnetenversammlungen) nicht wählen wollen. Das ist ein Instrument zur Niederhaltung kleiner Parteien. Merkbar ist aber auch, dass wesentlich weniger Wahlplakate beschädigt oder heruntergerissen werden als bei den letzten Wahlen.
Bei den letzten Wahlen vor fünf Jahren habt ihr 3.618 Stimmen (0,2%) bekommen. Mandate sind also eher unwahrscheinlich. Was wollt ihr mit dem Wahlkampf erreichen?
Wir wollen vor allem unsere Positionen bekannt machen. Neben der erhöhten politischen Aufmerksamkeit, schaffen wir es in Wahlkämpfen auch immer wieder, uns selbst in Form einer Kampagne mit konkreten Zielen zu mobilisieren. So haben wir berlinweit etwa 30.000 Haushalte mit Flyern bestückt, tausende Plakate aufgehängt und an dutzenden Infoständen Gespräche geführt.
Aber wir wollen auch wirklich in die Parlamente. Wir sind der Meinung, dass alle Möglichkeiten des politischen Kampfes genutzt werden sollten. Durch unsere Wahl allein wird sich nichts ändern, der Kampf wird auf der Straße geführt. Wir würden unsere Mandate nutzen, um die Verantwortlichen für miese Lebensbedingungen zu nerven, Verursacher*innen zu benennen und Kampfbedingungen zu verbessern.
In manchen Bundesländern unterstützt die DKP die Linkspartei oder kandidiert direkt für sie. Aber in Berlin tretet ihr gegen sie an. Welches Verhältnis habt ihr zur Linkspartei?
In einigen Regionen tritt die PdL [Partei die Linke] auch auf unseren Listen an. Es kommt immer drauf an mit wem, welcher Struktur und zu welchem Thema. Mit Teilen der PdL, wie der Kommunistischen Plattform, arbeiten wir zusammen. Andere Teile bekämpfen wir, z.B. den rechten Landesverband Berlin, auch wenn wir hier Kontakte zur Basis der PdL haben.
Die Geschichte der DKP hängt sehr eng mit der Geschichte der DDR zusammen. Mehrmals in eurem Wahlprogramm erwähnt ihr die Vorzüge der DDR im Vergleich zum kapitalistischen Regime. Und zweifelsohne gab es diese Vorzüge eines nicht-kapitalistischen Staates. Gleichzeitig fehlte in der DDR jeder Ansatz von Arbeiter*innendemokratie, wie sie mit den Räten der Russischen Revolution zum Ausdruck kam. Wäre es nicht sinnvoll, nach einer demokratischeren Form des Sozialismus zu streben?
Oft wird hier ein rein bürgerlich-parlamentarischer Blick auf die Frage von Partizipation und Mitbestimmung in der DDR gelegt – und in diesem Bereich gab es sicher Defizite. Der gesamte Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung bis in die kleinste Zelle der Arbeitsorganisation wird jedoch oft vernachlässigt. Außerdem sollte man die geschichtlichen Hintergründe des Zweiten Weltkrieges nicht außer acht lassen.
Wir müssen aus der Geschichte und auch unseren eigenen Fehlern lernen und dabei auch die Möglichkeiten des technischen Fortschritts seit den 90er Jahren mit einbeziehen. Die Schaffung eines neuen Sozialismus ist immer historisch konkret, die gesamte Staatsstruktur muss sich danach richten. Bis da hin bleibt es uns – gerade in unserer allgemeinen Defensive – gemeinsam für unsere Ziele zu streiten.
* Anmerkung: Die Redaktion von Klasse Gegen Klasse ruft dazu auf, am 18. September ungültig zu wählen. Wir freuen uns trotzdem, die Stimmen von linken Kandidat*innen veröffentlichen zu können.