Letzte Generation: Kapitalist:innen zur Kasse geht nur gegen diesen Staat und seine Polizei
In den vergangenen Wochen machten Aktivist:innen der Letzten Generation immer wieder durch Farbaktionen gegen Symbole obszönen Reichtums und kapitalistische Lobbygruppen von sich reden. Eine begrüßenswerte Entwicklung – doch die Kapitalist:innen werden nicht freiwillig zahlen.
Seit einigen Wochen praktizieren Aktivist:innen der Letzten Generation in Deutschland zumindest symbolisch einen Strategiewechsel: Anstatt wie in der Vergangenheit hauptsächlich Autos zu blockieren, richten sich ihre Aktionen nun immer häufiger gegen Symbole des kapitalistischen Reichtums.
Am Dienstag beschmierten Aktivist:innen der Letzten Generation eine Luxusjacht in Neustadt (Holstein) mit oranger Farbe und färbten das Hafenbecken algengrün. Auf einem Transparent stand „Euer Luxus = Unsere Ernteausfälle“. Auf Sylt hat die Letzte Generation seit Anfang Juni einen Privatjet, eine Hotelbar und eine Luxusboutique angegriffen.
Und nicht nur Luxussymbole werden getroffen, auch Entscheidungszentren kapitalistischer Naturzerstörung nimmt die Letzte Generation inzwischen aufs Korn: Am Montagmorgen besprühten sie den Tagungsort des „Tages der Industrie“, der Konferenz des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), an der auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilnahm. „Am heutigen Tag der Industrie wird über die Gewinne einiger weniger beraten, anstatt über die Sicherung der Lebensgrundlagen für uns alle zu sprechen“, kritisierte die Letzte Generation. „Der Einfluss einzelner Lobbies auf die Politik führt dazu, dass Klimapolitik immer wieder entschärft wird und so die notwendigen Beschlüsse ausbleiben, die den Weg in die Katastrophe ausbremsen können“, so die Aktivist:innen weiter in einer Erklärung auf Twitter.
Naturgemäß schäumt die bürgerliche Presse, die schon seit Monaten zum offenen Angriff auf die von ihnen hasserfüllt als „Klima-Kleber“ bezeichneten Aktivist:innen geblasen hat.
Dass die Letzte Generation eigentlich nur minimale Forderungen, wie einen bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr und ein Tempolimit auf Autobahnen erhebt, kontrastiert drastisch mit der immer intensiveren Repression durch Justiz und Staat: Strafverfahren im Schnelldurchlauf, präventive tagelange Verhaftungen und die Verfolgung als „kriminelle Vereinigung“.
Doch die Ins-Visier-Nahme der Reichen – der Kapitalist:innen – als Hauptverantwortliche des Klimawandels weist in diesem Zusammenhang auf etwas Grundlegendes hin: Der bürgerliche Staat und die Kapitalist:innenklasse sind nicht einmal willens, die minimalsten Reformen zuzulassen, die ihren Profit schmälern könnten. Daran ändern auch die Grünen an der Regierung nichts, die Tag um Tag aufs Neue ihre selbst gesteckten Klimaziele verkaufen. Und als Marxist:innen und revolutionäre Sozialist:innen wissen wir: Das ist nicht nur ein kurzfristiges Problem. Im Gegenteil ist die permanente Zerstörung der Umwelt untrennbar mit der Funktionsweise des Kapitalismus verbunden.
Deshalb können wir es nur begrüßen, wenn die Letzte Generation auch selbst beginnt, diese Schlussfolgerung zu ziehen und sie zumindest ein Stück weit in die Öffentlichkeit zu tragen. Symbole obszönen Reichtums und Lobbygruppen des Großkapitals sind allemal bessere Ausdrücke der kapitalistischen Naturzerstörung als Pkw-Individualverkehr.
Das heißt natürlich nicht, dass die Letzte Generation inzwischen antikapitalistisch wäre. Zum einen ist die Strategie der Gruppe weiterhin darauf ausgerichtet, Appelle an die Regierenden zu richten – passenderweise fragten sie auf einem Transparent beim „Tag der Industrie“: „Für wen machen Sie Politik, Kanzler Scholz?“. Die implizierte Anprangerung, dass Scholz ein Handlanger des Großkapitals ist, ist natürlich absolut richtig. Der Umkehrschluss, dass Scholz aber auch „für uns“ Politik machen könnte, könnte jedoch nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein.
Zum Anderen wurde parallel zum „Strategiewechsel“ der Letzten Generation bekannt, dass die Letzte Generation auch Polizist:innen anwerben will, sich ihrer Bewegung anzuschließen. Auf Instagram kommentieren sie ganz eindeutig: “Von dem am Anfang des Artikels von einer Aktivistin zitierten Begriff ‘ACAB’ distanzieren wir uns. Er entspricht nicht unseren Werten bei der Letzten Generation.” Das zeigt eine wachsende Entfernung der Gruppierung von linker Systemkritik auf. Daraus spricht unter anderem die Illusion, dass die Polizei – und der bürgerliche Staat insgesamt – irgendwie „neutral“ sein könnte, anstatt die Interessen des Kapitals zu verteidigen. Doch genauso wenig, wie die Kapitalist:innen freiwillig die Zeche der Umweltzerstörung zahlen – geschweige denn sie verhindern – werden, werden die Repressivorgane des bürgerlichen Staates wie Polizei, Bundeswehr (die auch noch ein riesiger Klima-Killer ist), Justiz die Seiten wechseln. Schon jetzt wird die Repression gegen die Letzte Generation immer härter; eine radikalere Massenbewegung wird noch größeren Konfrontationen entgegenstehen. Jede Illusion ins Gegenteil ist höchst gefährlich und kann nur dazu führen, die Arbeiter:innen und die Jugend, die große Mehrheit der Bevölkerung, von ihrer eigentlichen Aufgabe abzubringen: eine große Bewegung gegen die umweltzerstörerischen Interessen des Großkapitals aufzubauen, die klimaschädlichen Industrien entschädigungslos zu enteignen und unter Arbeiter:innenkontrolle ökologisch und sozial umzugestalten.
Vielleicht ist es aber auch kein Zufall, dass die Letzte Generation sich zeitgleich an die Polizei annähert und andererseits einen größeren Fokus auf Aktionen gegen Reiche und Kapitalist:innen legt: Es könnte auch ein Abbild der gesamtgesellschaftlichen Polarisierung sein, die aktuell stattfindet, zwischen dem Streikfrühling gegen die Inflation einerseits und dem Aufstieg der AfD andererseits. Während die einen Schlussfolgerungen nach links ziehen, bewegen sich die anderen stärker nach rechts.
Als Marxist:innen und revolutionäre Sozialist:innen sagen wir klar: Der einzige Weg, die Klimakatastrophe zu verhindern, ist der Sturz des Kapitalismus. Diejenigen Aktivist:innen der Letzten Generation, die beginnen, antikapitalistische Schlussfolgerungen zu ziehen und mehr als nur Symbolpolitik machen wollen, laden wir dazu ein, darüber zu diskutieren, wie eine wirkliche Bewegung gegen die Großkonzerne, die den Planeten verpesten und zerstören, aufgebaut werden kann – eine Bewegung mit der Arbeiter:innenklasse an der Spitze, die mit ihren eigenen Methoden wie Streiks und Blockaden die Profitinteressen des Kapitals angreift, in der Perspektive ihrer Enteignung und des Aufbaus einer sozialistischen Planwirtschaft.