Leipzigs Arbeiter:innenkampftag: Gegen Hinterzimmer-Tricksereien und Lohnverluste im Osten
Am 1. Mai versammelten sich rund 1.000 Menschen in Leipzig auf der DGB-Demo anlässlich des internationalen Kampftags der Arbeiter:innenklasse. Wir waren erstmals in Leipzig vor Ort.
Um 10 Uhr versammelten sich vor dem Volkshaus des Deutschen Gewerkschaftsbundes neben den Beschäftigten der DGB-Gewerkschaften Gruppen der radikalen Linken und Mitglieder reformistischer Parteien. Besonders auffällig für eine Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes war eine sehr geringe Beteiligung seitens der Gewerkschaftsmitglieder und die Abwesenheit einer klassenkämpferischen Intervention. Von den rund 1.000 Teilnehmer:innen waren nur circa ein Viertel dem gewerkschaftlichen Block eindeutig zuzuordnen. Die Stimmung auf der Laufdemo dürfte der Gewerkschaftsbürokratie besonders gefallen haben – durch den Verzicht auf Redebeiträge und das laute Abspielen von Musik wurden Sprechchöre oft im Keim erstickt und inhaltliche Beiträge von Beschäftigten aus den streikenden Sektoren verhindert. Dabei gab es während der Warnstreiks gerade in Leipzig viele Kolleg:innen aus dem Nahverkehr und dem öffentlichen Dienst, die ihre Forderungen und Erfahrungen am Arbeiter:innenkampftag teilen hätten können.
Am Endpunkt der Demo angelangt hielt Wolfgang Lemb aus dem Bundesvorstand der IG Metall eine Rede, die einem regelrechten Loblied auf die Ampelregierung gleichkam – wenn auch der Mindestlohn „die absolute Untergrenze“ darstellt, sei dessen Erhöhung durch den SPD-Kanzler trotzdem ein großer Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. An die aktuelle Bundesregierung wurde lediglich appeliert, mehr „Mitbestimmung“ und Mitverwaltungsrechte der kapitalistischen Misere zuzulassen. Da sich zu dem Zeitpunkt neben Infoständen zahlreicher Gewerkschaften auf dem Platz vorwiegend Vertreter:innen der SPD, Grünen und Linkspartei befanden, stießen die Worte Lembs nicht auf allzu viel Widerstand.
An Komplimenten für die sozialpartnerschaftliche Tradition der DGB-Gewerkschaften wurde auch nicht gespart. Er hob insbesondere das Schlichtungsergebnis im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes positiv hervor und ging so weit, die Ergebnisse als einen „wahren Inflationsausgleich“ anzupreisen.
Abseits der Tatsache, dass Lemb sich hierbei eindeutig selbst in die Tasche lügt und den Arbeiter:innen Sachsens und des gesamten öffentlichen Diensts mit Hohn begegnet, ist es aufgrund solcher Ausfälle wenig verwunderlich, dass laut aktuellen Zahlen Sachsen das absolute Schlusslicht bei der Tarifbindung bildet und weiterhin einen noch geringeren Organisationsgrad aufweist, als das ohnehin schon niedrige Niveau im Rest Deutschlands. Für Lemb herrscht in Sachsen diesen Tatsachen zum Trotz ein neues „ostdeutsches Selbstbewusstsein“, das anscheinend keine materielle Grundlage besitzt. Die Arbeiter:innen im Osten Deutschlands arbeiten seit der Ausplünderung ehemaliger Staatsbetriebe ein gutes Stück prekärer als die Arbeiter:innen des Westens – Skepsis gegenüber der DGB-Bürokratie machte sich schon damals breit, da die sozialdemokratische Führung der Gewerkschaften der Treuhand wenig entgegensetzte und der ostdeutschen Arbeiter:innenklasse nicht zur Hilfe eilte.
Unsere Perspektive liegt jedoch nicht darin, resigniert aus den Gewerkschaften auszutreten, sondern den Hinterzimmertricksereien eines Lembs und allen anderen Gewerkschaftsfunktionär:innen unsere kollektive Stärke als Klasse entgegenzusetzen. Für diese Perspektive treten wir als Klasse gegen Klasse nun neuerdings auch in Leipzig ein.